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Das Theater Spektakel lockt an den See

Silvana Gargiulo und Ueli Bichsel proben ihr Stück "EX - hübenwiedrüben". Bernhard Fuchs

Das Zürcher Theaterfestival, das am Donnerstag beginnt, bietet in seiner jüngsten Ausgabe Produktionen aus Australien und Belgien, Dokumentarisches aus China und der Türkei sowie Komödiantisches aus der Schweiz.

Das Spektakuläre, Artistische und Zirzensische kommt auf der stimmungsvollen Festivalwiese am Zürichsee besonders gut zur Geltung.

Wenn der Schweizer Komiker Ueli Bichsel und die italienische Clownfrau Silvana Gargiulo die Bühne betreten, kippt die Tragödie gleich ins Komödiantische. So auch in ihrem Stück “EX – hübenwiedrüben” über das Sterben.

Auf der karg ausgestatteten Probebühne stehen vorerst nur ein Klavier und eine Tür mit Rahmen, die in der zweiten Spielzeit mit zwei Handgriffen zu Küchenschrank und Bett umgedreht werden. Silvana Gargiulo gibt die italienische Matrone im geblümten Schürzenkleid, die isst, trinkt, raucht und beiläufig den schwächlichen, hustenden Mann pflegt.

Wann immer er es schafft, heimlich an seine gut versteckten Zigaretten heranzukommen, das Feuerzeug zückt und eine anzünden will, steht sie schon da und braucht ihm nur ihre offene Hand hinzuhalten. Ertappt und schuldbewusst gibt er ihr den Glimmstengel und schaut traurig zu, wie sie genussvoll raucht.

Die ganze Produktion sei aus Improvisationen entstanden, erklärt der Regisseur Hanspeter Horner an einer Probe zwei Wochen vor der Premiere: “Gegeben war das Thema Tod.” Gespielt wird mit dem Absurden und verzweifelt Komischen, das dem Tod das Pathetische nimmt und gerade dadurch ans Lebendige rührt.

Sehnsucht nach dem Spektakulären

Dem Komischen und Artistischen wird am Theater Spektakel seit jeher viel Raum gegeben. Spektakel ist nicht zwingend etwas Oberflächliches – davon ist die künstlerische Leiterin des Festivals, Maria Magdalena Schwaegermann, überzeugt: “Wir sehnen uns doch im Grund nach dem Spektakulären. Darunter verstehe ich insbesondere das Artistische, Komödiantische und Zirzensische.”

Deshalb ist ein Programm-Schwerpunkt dem Spektakel an sich gewidmet. Weitere Schwerpunkte stellen Produktionen aus Australien und Belgien vor, untersuchen die Grenzen des Darstellerischen zur Musik und zeigen Produktionen, die aktuelle gesellschaftliche Fragen thematisieren.

Tiefere Hemmschwelle

“Wir machen den Spagat zwischen innovativem Theater auf hohem künstlerischem Niveau und Spektakulärem für grosses Publikum”, sagt Maria Magdalena Schwaegermann gegenüber swissinfo und ergänzt: “Nicht alles, was anspruchsvoll ist, ist auch schwer zu verdauen.”

Auch der attraktive Festivalplatz am See locke jeden Sommer nicht nur eingefleischte Theatergänger, sondern zahlreiche Neugierige aller Altersstufen, denn die Hemmschwelle sei hier tiefer als an exklusiven Kulturorten, meint die Direktorin.

Das künstlerische Risiko

Unter dem Titel “Dichtung oder Wahrheit?” präsentiert das Spektakel eine Auswahl von dokumentarischem Theater aus China, Frankreich, den USA, Korea, Deutschland, der Schweiz und der Türkei. Das sind Produktionen, die nicht auf dramatischen Texten basieren, sondern aktuelle gesellschaftliche Themen auf die Bühne bringen.

Maria Magdalena Schwaegermann nennt als Beispiel die türkische Truppe GarajIstanbul, die “das prekäre und hoch aktuelle Thema der Ehrenmorde” aufgreift.

“Oyunu Bozun! (Zerstör das Spiel!)” heisst der Titel des Stücks, das in Zusammenarbeit mit einer Schriftstellerin und der Gründerin des ersten Frauenhauses in der Türkei erarbeitet wurde.

Für Schwaegermann, die das Festival nun sechs Jahre lang geprägt hat, ist dies die letzte Saison als künstlerische Leiterin. Favoriten unter den 40 anstehenden Produktionen könnte sie viele nennen: “Mein Herz schlägt besonders für die Projekte, die bei uns Premiere haben. Da wissen wir noch gar nicht, was dabei herauskommt, weil wir mit den Künstlern ein Risiko eingehen.”

swissinfo, Susanne Schanda

Das 28. Zürcher Theater Spektakel dauert vom 16. August bis 2. September 2007.
Programmiert sind 5 Schwerpunkte mit 40 Produktionen.
Schauplätze sind 9 Spielorte am Zürichsee und das Fabriktheater Rote Fabrik.
Das Festival kostet 3 Mio. Franken. Davon muss 1 Mio. erwirtschaftet werden, den Rest teilen sich private Sponsoren und die öffentliche Hand.

Theater Marie: “Aus lauter Sterblichkeit und umsonst”, theatrale Aktionen auf der Landiwiese; Cie. Jours Tranquilles, Lausanne: “Protestant”, Bewegungstheater.

Schwerpunkt “Mehr als Musik”: Max Lässer, Pierre Favre, Daniel Rohr & Daniel Fueter, zehnder kraah, ensemble für neue musik zürich, Katharina Rosenberger & Ivan Talijancic.

Rote Fabrik: Tanzperformances von Alexandra Bachzetsis (“ACT” über die Kunst des Striptease) und von Arthur Kuggeleyn und Raul Parro aus Mexico City. Clownesk-musikalische Performance “Gaff Aff” des Duos Zimmermann & de Perrot.

Für ein junges Publikum sind die Produktionen “Laboratorium” (Collegium Novum Zürich), “Schweiz küsst Türkei” (Theater Zamt & Zunder), “Dinausaurs Forever!” (Gerber & Luz), “Der feingeschmeckte Suppenkoch” (Theater fünfnachbusch) und “Dr. Schlummer” (Theaterschöneswetter).

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