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Bundesrat präsentiert Alternative zur “Lex USA”

Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, Vorsteherin des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD), am 3. Juli 2013 auf dem Weg zur Medienkonferenz über den Steuerstreit Schweiz-US. Keystone

Im Steuerstreit mit den USA schlägt der Bundesrat nach dem Nein des Parlaments zur "Lex USA" einen neuen Weg vor: Die Banken erhalten die Möglichkeit, beim Bund Einzelbewilligungen zu beantragen, um Daten an die US-Behörden auszuliefern. Der Bundesrat hat am Mittwoch die Eckwerte dazu festgelegt.

Auf die Bewilligungen angewiesen sind zunächst jene Banken, gegen die bereits ein Strafverfahren eröffnet wurde. Diese Banken könnten “schon morgen” Einzelbewilligungen beantragen, sagte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf vor den Medien in Bern. Die Frage sei noch, wie hoch die Bussen seien, welche die Banken zahlen müssen.

Für jene Banken, gegen die noch kein Verfahren eröffnet wurde, führt der Bund weitere Gespräche mit den US-Behörden über ein Programm zur Vergangenheitsregelung. Bei einer Teilnahme an einem solchen Programm benötigten aber auch diese Banken eine Bewilligung, schreibt das Finanzdepartement (EFD).

Zeit drängt

In der Sommersession hatte das Parlament ein Gesetz abgelehnt, das den Banken ermöglicht hätte, während eines Jahres mit den US-Behörden zu kooperieren, ohne Schweizer Recht zu verletzen (“Lex USA”). Widmer-Schlumpf hatte in der Folge vor einer Eskalation des Steuerstreits gewarnt.

Noch immer dränge die Zeit, sagte Widmer-Schlumpf am Mittwoch weiter. “Die USA haben uns klar aufgezeigt, dass man in der nächsten Zeit – also nicht erst im August oder September – Vorschläge erwartet.” Diese Pläne habe der Bundesrat nun beschlossen und werde sie den USA präsentieren. Die Situation habe sich nicht entschärft, aber auch nicht verschärft.

Mit Bewilligung bleibt Datenlieferung straffrei

Zur Diskussion sei auch eine Lösung mit einer Verordnung gestanden, hiess es. Der Bundesrat hat sich aber für die Einzelbewilligungen gestützt auf Artikel 271 des Strafgesetzbuches entschieden. Erhalten die Banken eine Bewilligung, gilt eine Datenlieferung nicht als strafbare Handlung für einen fremden Staat.

Die Banken müssen jedoch den Persönlichkeitsrechten von Mitarbeitenden, Anwälten und Treuhändern und anderen betroffenen Dritten Rechnung tragen, wie das EFD mitteilte. Sie müssen diese informieren. Bei den Mitarbeiterdaten gibt es weitere Auflagen, unter anderem einen Diskriminierungsschutz.

Kundendaten nur mit Amtshilfe

Als betroffene Dritte gelten auch die auf den sogenannten Leaver-Listen (“Abschleicher”-Listen) aufgeführten Empfängerbanken. Diese Listen enthalten nicht-personalisierte Daten im Zusammenhang mit der Schliessung von Konten und dem damit verbundenen Transfer von Geldern auf andere Banken.

Kundendaten dürfen mit der Bewilligung gemäss Artikel 271 des Strafgesetzbuches nicht ausgehändigt werden. Diese dürfen nur im Rahmen der bestehenden Abkommen mit den USA auf dem Weg der Amtshilfe übermittelt werden. Eine Bank könne aber angeben, zehn Kunden seien mit einem bestimmten Gesamtbetrag zur Bank X abgewandert, erläuterte Widmer-Schlumpf.

Positive Reaktionen

Die Schweizerische Bankiervereinigung begrüsst, “dass der Bundesrat seine Verantwortung wahrgenommen und die Eckwerte für die Kooperation der Banken mit den USA festgelegt hat”, wie einer Mitteilung zu entnehmen war.

Die Bankiers erwarteten, “dass dadurch die notwendige Rechtssicherheit geschaffen wird, damit die Banken in der Schweiz die Möglichkeit erhalten, am einseitigen Programm der USA teilzunehmen”, wie es hiess.

Der eidgenössische Datenschutzbeauftragte Hanspeter Thür sieht in den Einzelbewilligungen eine klare Verbesserung gegenüber der “Lex USA”. Die Gefahr sei kleiner, dass sich Banken über Schweizer Recht hinwegsetzten, “wie das einige Experten und Parlamentarier vorgeschlagen haben”.

Thür hatte nach dem Absturz der “Lex USA” im Parlament angekündigt, er werde rechtswidrige Datenlieferungen an die Vereinigten Staaten notfalls durch das Bundesverwaltungsgericht stoppen lassen. Mit den Einzelbewilligungen könnten Banken nun gar strafrechtlich belangt werden, wenn sie gegen die darin enthaltenen Auflagen verstiessen, sagte Thür.

Der Steuerstreit entzweit die Schweizer Banken, den Bundesrat und die amerikanischen Justizbehörden seit fünf Jahren. Von amerikanischer Seite sind es zwei Behörden, welche die Schweizer Banken in die Mangel nehmen: Das Justizdepartement und die Steuerbehörde Internal Revenue Service (IRS).
 
19. Juni 2008
Der ehemalige UBS-Banker Bradley Birkenfeld erklärt sich vor einem amerikanischen Gericht schuldig, für Kunden der Schweizer Grossbank Geld am Fiskus vorbeigeschleust zu haben.
 
19. August 2009
Nach einem monatelangen Tauziehen zwischen der UBS, dem Bundesrat und den US-Behörden um die Herausgabe von Namen verdächtiger Kunden einigen sich die Schweiz und die USA auf einen Vergleich. Die USA erhalten 4450 UBS-Kundendaten. Die UBS zahlt zudem eine Busse von 780 Millionen Dollar.
 
16. November 2010
Nach Erhalt der meisten UBS-Kundendaten zieht die US-Steuerbehörde IRS ihre zivilrechtliche Klage gegen die UBS zurück.
 
Februar 2011
Die USA haben neben der CS weitere Banken im Visier, darunter die HSBC Schweiz, die Basler und Zürcher Kantonalbanken, Julius Bär und die Bank Wegelin.
 
9. Dezember 2011
Das US-Justizministerium verlangt von Schweizer Banken auch Namen von Kundenberatern. Das schweizerische Recht verbietet aber die direkte Herausgabe von Dokumenten mit Namen von Mitarbeitenden.
 
27. Januar 2012
Die Besitzer der Bank Wegelin verkaufen unter dem Druck der USA ihr Nicht-US-Geschäft an die Raiffeisen Gruppe. Die Bank war als Ganzes in die Schusslinie geraten.
 
16. März 2012
Das Schweizer Parlament erklärt sich mit Gruppenanfragen aus den USA einverstanden und stimmt einer entsprechenden Ergänzung des Doppelbesteuerungsabkommens zu.
 
11. April 2012
Das Bundesverwaltungsgericht stoppt auf die Klage eines CS-Kunden die Lieferung von Kundendaten der Credit Suisse an die USA, weil seiner Ansicht nach das amerikanische Amtshilfegesuch den Anforderungen nicht genügte.
 
4. Dezember 2012
Die Schweiz und die USA einigen sich auf die Einführung des “Foreign Account Tax Compliance Act” (FATCA) voraussichtlich 2014. Damit wollen die USA erreichen, dass sämtliche Auslandskonten von US-Steuerpflichtigen besteuert werden können.
 
3. Januar 2013
Die Bank Wegelin gibt in den USA ein Schuldgeständnis ab und gesteht damit ein, Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet zu haben. Im März wird das Strafmass bekannt: Die Busse beläuft sich auf 74 Mio. Dollar.
 
29. Mai 2013
Der Bundesrat verabschiedet ein Gesetz zur Beendigung des Steuerstreits. Es soll die Banken – nach einem dringlichen Verfahren im Parlament – ermächtigen, direkt mit den US-Behörden zusammenzuarbeiten und einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen.
 

5. Juni 2013 

Der Ständerat stimmt der “Lex USA” mit einigen Abänderungen überraschend klar zu.

18.Juni 2013

Mit 126 zu 67 Stimmen bei 2 Enthaltungen beschliesst der Nationalrat, nicht auf die Vorlage “Lex USA” einzutreten.

19. Juni 2013

Der Ständerat stimmt im Differenzbereinigungs-Verfahren der “Lex USA” eine zweites Mal zu, der Nationalrat sagt ein zweites Mal Nein. Damit ist die Vorlage vom Tisch.

(Quelle: sda)

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