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DE/ENERGIE: Regierung macht Weg frei für umstrittene CO2-Speicherung

BERLIN (awp international) – Nach monatelangem Streit hat sich die Bundesregierung auf ein Gesetz zur unterirdischen Speicherung des Klimakillers Kohlendioxid (CO2) geeinigt. Das sogenannte CCS-Gesetz – ein wichtiger Baustein der schwarz-gelben Energiewende – soll an diesem Mittwoch im Kabinett beschlossen werden. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) und das Bundeswirtschaftsministerium und bestätigten am Dienstag entsprechende Informationen der Nachrichtenagentur dpa.
Die Länder sicherten sich aber eine Klausel, um unterirdische CO2-Endlager in ihrem Bereich verhindern zu können. Ob das CCS-Verfahren auf lange Sicht einen Durchbruch zur grünen Stromgewinnung aus Kohle ermöglicht, ist unter Experten höchst umstritten. Auch Bürgerinitiativen wehren sich gegen die CCS-Speicher, weil sie Angst vor unkontrolliert aufsteigendem Gas haben.
Röttgen sprach von einem “guten Kompromiss”. Dieser werde “den unterschiedlichen Interessen gerecht”, sagte er in Berlin. Die Einigung gibt nach Röttgens Einschätzung auch jenen Bundesländern Sicherheit, die CCS nicht erproben wollen. “Es soll nicht aufgezwungen werden.”
Der Weg für einen Kompromiss ist frei, weil Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und Röttgen den Ländern entgegenkommen mussten. Diese setzten in zähen Verhandlungen eine “Länderklausel” durch.
Dazu hiess es in Regierungskreisen, die Länder könnten künftig durch eigene Gesetze festlegen, ob sie Erprobung und Testanlagen für die dauerhafte CO2-Speicherung erlauben oder nicht. “Dabei sind die Länder allerdings an fachliche Kriterien gebunden.”
Bei der Auswahl von Standorten seien auch geologische Besonderheiten und andere öffentliche Interessen abzuwägen. In einer Studie hatte die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) bundesweit über 400 potenzielle Speicher-Orte mit günstigen Gesteinsschichten aufgelistet.
Röttgen wies darauf hin, dass es nicht nur darum gehe, das CCS-Verfahren (Carbon Dioxide Capture and Storage) in Deutschland anzuwenden, sondern auch die Technologie im Erfolgsfall zu exportieren. Darin liege klimaschutzpolitisch die grösste Relevanz des Verfahrens, betonte der Bundesumweltminister.
“Gegen unseren Willen wird es keine Einlagerung von Kohlendioxid in Schleswig-Holstein geben”, sagte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) zu dem Kompromiss. “Das ist eine grossartige Nachricht für unser Land.”
Der FDP-Umweltpolitiker Horst Meierhofer warnte, dass mit der Länderklausel in der Praxis die notwendige Erprobung der CCS-Technologie scheitern werde. “Keine Landesregierung wird CCS in ihrem Land durchsetzen können.” Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer warnte die Bundesregierung davor, die Technologie gegen den Willen der Bevölkerung durchdrücken zu wollen.
Bei der CCS-Technik wird das beim Verbrennen der Kohle entstehende Treibhausgas CO2 abgetrennt und unter die Erde verpresst. Als Lagerstätten kommen bestimmte tiefe Gesteinsschichten oder ehemalige Gasfelder infrage.
Die Regierung will CCS bis 2017 erproben lassen. Konkret sieht der Gesetzentwurf von Brüderle und Röttgen Regeln zur Untersuchung geeigneter Böden “sowie zur Errichtung, zum Betrieb sowie zur Stilllegung von Kohlendioxidspeichern” vor.
Das Thema ist seit Jahren umstritten. Schon 2009 war die damalige grosse Koalition mit einem ersten CCS-Anlauf gescheitert. Hauptwidersacher auf Länderseite ist Schleswig-Holstein. Bisher wendet nur der Energiekonzern Vattenfall in einem Pilotprojekt in Brandenburg die Technik an.
Umweltschützer und Anwohner befürchten ein unkontrolliertes Entweichen der Gase und machen Front gegen CCS. Die Bundesregierung steht unter Zeitdruck. Die EU-Kommission verlangt, dass bis Ende Juni das CCS-Gesetz in Kraft und EU-Recht umgesetzt sein muss.
Greenpeace kritisierte, die Regierung gehe mit ihrem Gesetz zu wenig auf Bürgerbedenken. “Der CCS-Gesetzentwurf wurde zwischen Regierung und Energieindustrie ausgemauschelt. Die Öffentlichkeits-Beteiligung war eine Farce”, sagte Klimaschutz-Experte Karsten Smid./tb/DP/ck

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