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Den SBB steht ein Quantensprung bevor

Die neuen Doppelstock-Kompositionen als "Arbeitspferde" auf der neuen Rothrist-Mattstetten-Linie. Swiss Federal Railways

Mit Bahn 2000 werden die SBB ihre seit langem grösste Umkrempelung erfahren: Dank einer Neustrecke werden die Reisezeiten beträchtlich verkürzt.

Der neue Winterfahrplan tritt am Sonntag, 12. Dezember in Kraft. Er bringt auf einem erweiterten Schienennetz schnellere und häufigere Verbindungen.

Bahnreisende werden den neuen Fahrplan genau studieren müssen, denn 90 Prozent der Abfahrtszeiten ändern. Änderungen in solchem Ausmass gab es seit Jahren nicht mehr.

Das Rückgrat der Verbesserungen ist die neue, 45 Kilometer lange Strecke von Mattstetten, nördlich der Hauptstadt Bern, nach Rothrist unweit des Eisenbahnknotenpunkts Olten.

“Für Schweizer Verhältnisse ist dies revolutionär. Diese Linie unterscheidet sich ziemlich stark von allen anderen Bahnlinien in der Schweiz, wo es alle drei oder vier Kilometer eine Station hat”, erklärte der Sprecher der Schweizer Bundesbahnen SBB, Christoph Kräuchi, gegenüber swissinfo.

“Hier fährt man fast 50 Kilometer weit ohne Bahnhof”, fügte er bei.

Bald mit 200 km pro Stunde

Die Linie wird bedeutende Auswirkungen haben, denn sie verkürzt die Reisezeiten im ganzen Land, werden doch die Züge dereinst mit gegen 200 Kilometern pro Stunde fahren.

So wird zum Beispiel die Reisezeit zwischen den Städten Zürich und Bern ab dem 12. Dezember von heute 69 Minuten auf etwas unter eine Stunde verkürzt.

Die Fahrt von Bern nach Basel geht von 67 auf 55 Minuten zurück, und einige InterCity-Züge werden jede halbe Stunde statt wie heute jede Stunde fahren.

Dreizehn Minuten können auf der Fahrt von Genf nach Zürich eingespart werden, 14 Minuten zwischen Bern und Chiasso im Südschweizer Kanton Tessin.

“Viele Reisende werden davon profitieren”, so Kräuchi.

Die neue Bahnlinie ist, zusammen mit den laufenden Verbesserungen des Rollmaterials, Teil des Projekts Bahn 2000, welches das Schweizer Volk 1987 in einer Abstimmung gutgeheissen hatte.

Bahn 2000 soll ein weiterer Anreiz zum Umsteigen auf den öffentlichen Verkehr sein.

Immer mehr, immer schneller

Kurz, Ziel des Projekts war es, mehr, schnellere, direktere und bequemere Züge zu machen.

Die Linie, die am meisten bringt, führt rund einen Drittel ihrer Strecke entlang der Autobahn Bern-Zürich, ein weiteres Drittel führt durch Tunnels.

Sie wurde sowohl für den Passagier- wie für den Gütertransport konzipiert, anders als in Frankreich, wo die Hochgeschwindigkeitszüge nur den Reisenden vorbehalten sind.

“Wir taten auch eine Menge für die Umwelt. So gibt es zum Beispiel Übergänge für Wildtiere, damit diese die Seiten im Wald wechseln können”, erklärte Kräuchi.

“Ausserdem war uns die Prävention sehr wichtig, damit entlang der Linie kein Grundwasser verschmutzt wird”, fügte er bei.

Die Schweizerischen Bundesbahnen mussten an der neuen Strecke Signale einbauen, obwohl sie eigentlich das neue europäische System European Train Control System (ETCS) einführen wollten, mit einem Display für den Zugführer in der Lokomotive.

Aber die Industrie konnte das ETCS nicht rechtzeitig liefern. Deshalb wird die Höchstgeschwindigkeit der Züge in den ersten beiden Jahren auf 160 km/h beschränkt sein.

Personal unter Druck

Für die Reisenden bringt der Winterfahrplan lediglich Änderungen, das Personal der SBB dagegen steht zusätzlich unter grossem Druck.

“Es ist ein vollständig neuer Fahrplan. Er betrifft nicht nur die Signalverantwortlichen, er ist auch neu für die Lokführer, die Angestellten in den Zügen und für jene, welche die Billette verkaufen. Denn die Leute werden Fragen stellen.”

“Für unsere 24’000 Angestellten ist der 12. Dezember eine grosse Herausforderung”, meinte Kräuchi.

Um sicherzustellen, dass der grosse Tag möglichst reibungslos verläuft, wurde viel in die interne Ausbildung gesteckt. Ausserdem gibt es Notsysteme, sollte ein Zug auf der neuen Linie ausfallen.

“Wir haben bereits geübt, wie lange es dauern würde, diesen Zug wegzubringen … und es gibt auch Dringlichkeitsmassnahmen”, erklärte Kräuchi weiter.

“Aber das Beste ist, dafür zu sorgen, dass Geleise und Züge in gutem Zustand sind und es keine Pannen gibt. Wenn das gelingt, sollte alles gut laufen.”

Pünktlichkeit wird zur Voraussetzung

Die Schweizerischen Bundesbahnen werden streng auf Pünktlichkeit achten müssen. Wenn ein Zug nach dem neuen Fahrplan mehr als drei Minuten Verspätung hat, warten die Anschlusszüge nicht.

“Bei über drei Minuten Verspätung wird das System instabil, das können wir nicht riskieren”, führte Kräuchi aus.

Mehr Service verteuert das Bahnfahren

Einen Nachteil hat das neue Bahnangebot in der Schweiz allerdings: Die meisten Fahrten werden teurer. SBB-Direktor Benedikt Weibel rechtfertigt den Preisaufschlag damit, dass die Preise zweieinhalb Jahre lang nicht gestiegen sind.

Ausserdem sind sie durch den “massiven Ausbau” des Angebots erklärbar. Eine einfache Fahrt wird rund 1,6% teurer.

swissinfo, Robert Brookes
(Aus dem Englischen von Charlotte Egger)

Ziel der Schweizer Verkehrspolitik ist es, den Gütertransport von der Strasse auf die Bahn zu verlagern – vor allem aus ökologischen Gründen.

Zum Bau zweier neuen Alpenbasistunnels durch den Gotthard und den Lötschberg kommen ein ganzes Paket von Verbesserungen für den Anschluss an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz, Massnahmen zur Lärmverminderung und das Konzept Bahn 2000.

Im öffentlichen Verkehr der Schweiz (Zug, Bus, Tram, Schiff und Spezialbahnen) arbeiten knapp 60’000 Angestellte. Er transportiert rund 1,7 Mrd. Personen pro Jahr.

Ab dem 12. Dezember werden auf den Bahnlinien 12% mehr Züge verkehren.
Die Reisezeiten auf über der Hälfte der Langstrecken werden um mindestens fünf Minuten kürzer.
35% der Langstrecken werden um mindestens 15 Minuten kürzer.
Für Bahn 2000 waren über 130 Infrastrukturprojekte im ganzen Land nötig.
Die Gesamtinvestitionen in Bahn 2000 belaufen sich auf 5,9 Mrd. Franken.
Die neue Linie Mattstetten-Rothrist allein kostete 1,68 Mrd.

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