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Der “Guichet virtuel” auf Vormarsch

Bald können Formulare einfach zu Hause am Computer ausgefüllt werden. Keystone

Der Bund will Ende Jahr als Pilotprojekt unter der Adresse www.ch.ch einen elektronischen Behördenschalter einrichten. Noch kämpft der sogenannte "Guichet virtuel" allerdings mit technischen Problemen und Sicherheitsfragen.

Der “Guichet virtuel” soll dereinst für Bürgerinnen und Bürger Informationen aus Bund, Kantonen und Gemeinden bereit stellen. Wer etwa ans Auswandern denkt, erfährt über www.ch.ch, welche Formulare er dazu ausfüllen muss, nennt die für das Projekt zuständige Vizekanzlerin Hanna Muralt Müller ein Beispiel.

Nach der Pilotphase soll das Projekt kontinuierlich ausgebaut werden. Für die technische Weiterentwicklung ist das Softwareunternehmen Oracle zuständig. Für das Jahr 2001 sind für das Projekt rund 15 Mio. Franken budgetiert.

Bis Ende 2002 soll der “Guichet virtuel” ein gutes Duzend Themen abdecken, wie etwa Fragen zu Steuern, Auslandaufenthalten oder Unternehmensgründung. Dabei sollen den Benutzerinnen und Benutzern nicht nur Informationen vermittelt werden. Vielmehr sollen bereits einzelne Online-Transaktionen möglich werden.

Im Kanton Waadt kann man sich zum Beispiel online an Submissionsverfahren beteiligen. Wer eine Auto-Vignette bestellen oder sich für die Führerprüfung anmelden will, kann das im Aargau per Mausklick tun. Die Steuererklärung am Bildschrim ausfüllen kann man bereits in den Kantonen St. Gallen, Bern, Zürich und Basel.

Ein Anstoss geben

“Wir hoffen, dass das Projekt den Kantonen und Gemeinden neue Anstösse gibt”, sagte Muralt Müller. In einer weiteren Phase könne man das Angebot ausweiten. Die Benützer könnten so beispielsweise ihren Ausweis erneuern oder nach einer Hochzeit oder Geburt des Kindes die Papiere über das “Guichet vituel” ändern lassen.

“Die erste Phase klappt gut”, erklärte Olivier Glassey, Spezialist für virtuelle Administration an der Universität Lausanne. Doch in der Schweiz wird der Grossteil der Dienstleistungen nicht vom Bund, sondern von den Kantonen und Gemeinden abgewickelt. Diese müssten nun ihre Webseiten anpassen.

Noch offene Fragen

Ende 2002 geht das Projekt in die zweite Entwicklungsphase. Diese wird bis zum Jahr 2005 dauern. In dieser Zeit sollen vor allem technische und juristische Probleme geregelt werden.

Auch die Frage der Garantie der digitalen Unterschrift müsse zuerst geklärt werden, präzisierte Glassey. Zwei Vorschläge über ein Gesetz zur Zertifizierung im Bereich der digitalen Signatur liegen bereits vor und sollen in der Herbstsession von beiden Kammern behandelt werden.

Die Entwürfe sehen vor, die Regelungen über die digitale Unterschrift im Gesetz zu verankern, wie Felix Schöbi vom Bundesamt für Justiz erklärte. Auch die Frage nach der Verantwortung, wenn ein Dritter die Unterschrift benützt, müsste im Gesetz geregelt sein.

Regelung des Datenschutz

Es stellen sich auch Fragen nach dem Datenschutz. Die Identität einer Person, welche eine Transaktion vornimmt, müsse zu 100 Prozent sicher sein, meint Kosmas Tsiraktsopulos, Pressesprecher des Eidgenössischen Datenschutz-Beauftragten.

Nachdem die Alleinanbieterin für digitale Zertifikationen, Swisskey, Ende Juni ihren Dienst eingestellt hat, suchen die Promotoren nun nach einem Nachfolger. Gesucht wird ein Unternehmen, das qualifizierte digitale Zertifikate für eine sichere Identifizierung von Benutzern verkauft.

Die heiklen Daten sollen vor Unbefugten geschützt werden. Die zuständigen Datenschützer haben bereits eine Serie von Sicherheitsvorkehrungen festgelegt. Doch auch die menschliche Seite dürfe nicht vergessen werden. Da gebe es keine Garantie für eine 100-prozentige Sicherheit, erinnert Tsiraktsopulos.

Schweiz im Mittelfeld

Im Vergleich mit anderen Industriestaaten liegt die Schweiz im Bereich der virtuellen Administration im Mittelfeld. Weltweit gehört Singapur zu den fortschrittlichsten Staaten vor Kanada und Skandinavien.

Singapur habe in dieser Hinsicht ganz spezielle Bürger, sagte Olivier Glassey, Spezialist für virtuelle Administration an der Universität Lausanne. Dort gibt es eine virtuelle Strasse (www.ida.gov.sg), welche die Daten jedes Bürgers von der Geburt bis zur Pension aufs Netz lädt.

Die Einwohner können beispielsweise so ihre Kinder in der Krippe anmelden, sich bei der Armee einschreiben oder ihre Steuern zahlen. In Kanada füllen die Leute ihre Steuererklärungen per Internet aus.

In Frankreich wird derzeit ein Grossprojekt entwickelt, bei dem man eine Wiederaufnahme der “Minitel” (Vormodel des Internet) in Betracht zieht. Österreich hat bereits einen virtuellen Amtsschalter eingerichtet (www.help.gv.at).

swissinfo und Agenturen

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