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Der Mann, der die Zeitmessung änderte

Die automatische Taschenuhr von Marie-Antoinette, ein Wunder für die damalige Zeit. Montres Breguet SA

Abraham-Louis Breguet (1747-1823) war nicht nur ein genialer Uhrmacher und Erfinder, zu dessen Kundschaft Napoleon und der englische König George IV zählten,
sondern auch ein versierter Geschäftsmann.

Gut im Marketing und mit einem wachen Auge für Elegenz war der in der Schweiz geborene Breguet seiner Zeit voraus. Sein Leben und Werk werden zur Zeit im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich ausgestellt.

Breguet stammte aus Neuenburg, gründete aber 1775 nach der Heirat in eine reiche französische Familie in Paris ein Uhrenatelier. Er baute ein äusserst erfolgreiches Unternehmen auf und erweiterte seine Aktivitäten bis Russland und das Osmanische Reich.  

Montres Breguet ist heute im Besitz der Swatch Group, die auch das meiste der historischen Ausstellungsstücke für das Landesmuseum zur Verfügung stellte.   

“Die Zeit lässt sich in eine Vor- und eine Nach-Breguet-Epoche einteilen”, sagt die Ausstellungs-Kuratorin Christine Keller gegenüber swissinfo.ch. “Er löste eine grosse Revolution in der Uhrenkonstruktion aus.”

Eine seiner wichtigsten Erfindungen war das Tourbillon (Unruh), das 1801 patentiert wurde. Dieser hochkomplexe Bestandteil kompensiert den Einfluss der Schwerkraft, und ermöglichte erstmals ein Uhrwerk, das völlig korrekt läuft. 

Breguet brachte auch als erster die Armbanduhr auf. Das überhaupt erste Exemplar dieser Art, das der Schwester von Napoleon gehörte, ist verloren. Doch der Ausstellungsbesucher kann den handschriftlichen Auftrag dafür betrachten.   

Zeitlose Eleganz

“Er erfand auch eine Art neuer, sehr eleganter Ästhetik, die noch heute besticht”, so Keller. Statt bauchiger, reich verzierter Taschenuhren bot Breguet Uhren mit flachen, münzkantigen Gehäusen an. Die Ziffern waren lesbarer und klarer.

Dieses Design stellte sich als Hit-Angebot für die Elite heraus. Napoleon nahm eine Reiseuhr auf seinen Ägypten-Feldzug mit – auch sie ist in der Ausstellung zu sehen. Ebenfalls ausgestellt ist eine Breguet-Uhr, die üblicherweise im Schlafzimmer von Prinz Philipp, dem Ehegatter der englischen Königin, steht. Sie läuft immer noch und wird jede Woche von den Bediensteten im Buckingham Palace aufgezogen.   

Das berühmteste Stück aber ist die Uhr von Marie-Antoinette. Die Uhr enthielt alle technischen Neuerungen der damaligen Zeit. Die Königin, die während der Französischen Revolution auf dem Schafott endete, sah die Uhr nie, da sie erst 1827 von Breguets Sohn fertig gestellt wurde.

“Die Uhr war zusammen mit einer Kollektion anderer Uhren gestohlen worden, doch fand man sie später wieder”, sagt Keller. “Das Original steht in einem Museum in Jerusalem. Im Landesmuseum wird nur eine Replik gezeigt.”

Hayek and Breguet

Dieses akribisch nachgebildete Modell war vom verstorbenen Nicolas Hayek in Auftrag gegeben worden. Der Gründer der Swatch Gruppe hatte 1999 Montres Breguet zurück in die Schweiz gebracht, gewissermassen als Flaggschiff-Marke für Swatch.

Montres Breguet im Vallée de Joux wird heute von Nicolas Hayeks Enkel, Marc A. Hayek, geführt. Dieser sieht einige Parallelen zwischen Breguet und seinem Grossvater: “Breguet war nicht nur ein ausgezeichneter Uhrenmacher, sondern auch ein Visionär, ein Wissenschafter und wahrscheinlich auch einer der ersten, die Marketing-mässig dachten, was die Namengebung und die Patentierung betrifft”, sagt er gegenüber swissinfo.ch.

Solche Eigenschaften finde man auch bei seinem Grossvater, so Marc A. Hayek. “Er veränderte die Uhrenindustrie nach der Uhrenkrise der 70er- und 80er-Jahre. Und er nahm Einfluss nicht nur auf die Markenpolitik sondern auf die gesamte Branche – so wie es Breguet zu seiner Zeit tat.”

Die erste Breguet-Ausstellung 2009 im Pariser Louvre fand unter der Aufsicht von Nicolas Hayek statt. Für 2,3 Mio. Franken kaufte er 2010 Breguets entwurfmässige Abhandlung über das Uhrmacher-Handwerk, das er als wichtiges Dokument einstuft. Ein Teil davon ist ebenfalls im Landesmuseum zu sehen.

Wie schweizerisch war Breguet?

Doch wie schweizerisch war Breguet überhaupt? Der Uhrmacher verbrachte 60 seiner 77 Lebensjahre in Paris und erhielt die französische Staatsbürgerschaft. Laut dem Ausstellungskatalog hinterliess er einen “unauslöschlichen Eindruck auf das intellektuelle, wissenschaftliche und kulturelle Leben Frankreichs”.  

Trotzdem: Breguet lebte für zwei Jahre in der Schweiz, während der Französischen Revolution von 1793 bis 1795. In dieser Zeit perfektionierte er einige seiner Erfindungen.  

Emmanuel Breguet ist Nachfahre des berühmten Uhrmachers und Kurator des Montres Breguet Collection Museums in Paris. Im Katalog sagt er, Abraham-Louis Breguet könne man nicht mit einem einzigen Etikett versehen, obwohl er die Schweizer Qualitäten wie Ausdauer, Organisation und Suche nach Perfektion besessen habe.   

Breguet hat sein Geschäft auf Grossbritannien, das Ottomanische Reich und Russland ausgeweitet, mit “Originalprodukten und einem Netzwerk, das in einer gewissen Weise die Globalisierung im Luxusbereich, die wir heute erleben, vorwegnahm”, wie der Kurator schreibt.  

“Er war eine Person, die die Schweizer und die französischen Qualitäten harmonisch kombinierte, und zwar in seinem Berufsbereich. Darin lag vielleicht auch sein Geheimnis. Die Zeitmessung ist keine nationale, sondern eine universelle Sprache.”

A.-L. Breguet: Die Uhrmacherkunst erobert die Welt. Ausstellung im Landesmuseum, bis 8. Januar 2012.

Ausgestellt werden mehr als 170 Taschenuhren, Pendeluhren, Patente, Porträts und Dokumente aus der Zeit von Breguet und seiner Nachfolger. 

Die Ausstellung geht auf die Zusammenarbeit zwischen dem Landesmuseum, dem heutigen Unternehmen Montres Breguet und dem Louvre in Paris zurück.

Zuerst war die Ausstellung 2009 im Louvre zu sehen, dann 2011 im Château de Prangins bei Nyon.

Das Gros der Gegenstände stammt von Montres Breguet. Weitere Ausstellungsstücke kommen aus Frankreich, dem englischen Königshof, Russland und der Schweiz, teils aus dem Landesmuseum selbst.

1775-1795: Breguet lehrt Uhrenmechaniker in Frankreich und beginnt sein eigenes Geschäft.

Er macht sich am Hof bekannt. Wegen seinen Beziehungen zum Hof flieht er während der Französischen Revolution für zwei Jahre in die Schweiz.  

Er erfindet die mechanische Automatik (perpetual watch). Erste Kundschaft waren Louis XVI und Marie-Antoinette.

1795-1801: Nach seiner Rückkehr nach Frankreich zieht er sein Geschäft neu auf: Er

bringt neue Uhrentechniken auf den Markt (Unruhe).

1801-1814: Das Business im Napoleonischen Zeitalter war Breguets grosse Zeit. Sein Markt dehnt sich bis ins Osmanische Reich aus.

1814-1823: Zahlreiche Kundschaft aus der Elite. Nach dem Besuch von Zar Alexander I wird Russland zum grossen Abnehmermarkt. 1816 wird Breguet in die französische Akademie der Wissenschaften berufen – sein langjähriger Traum.

Das Unternehmen bleibt bis zu seinen Enkeln in der Hand der Familie. 

(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)

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