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Der Zeitgeist färbt den Geldschein

Die erste von der Nationalbank emittierte 100-Franken-Note 1907. www.snb.ch

Unter dem Titel "Weltoffene Schweiz" hat die Schweizerische Nationalbank einen Ideenwettbewerb für eine neue Banknotenserie lanciert.

Geldscheine dienen nicht nur als Zahlungsmittel, sondern werden auch benutzt, eine Botschaft weiterzugeben.

Veilchenblau und rosa war sie, und illustrierte eine majestätische Helvetia. Wovon ist die Rede? Von der ersten 1000-Franken-Banknote der Schweizerischen Nationalbank (SNB), die 1907 in Zirkulation kam und 1925 aus dem Verkehr gezogen wurde.

Beinahe 100 Jahre nach dieser Erstausgabe denkt die Zentralbank der Schweiz an eine neue Serie von Banknoten. Es wäre die neunte in der Geschichte der Franken-Geldscheine, und soll die aktuelle ersetzen, die seit 1995 im Umlauf ist.

Visitenkarte des Landes

Die Geschichte der Geldscheine bleibt nicht dem Zufall überlassen: Banknoten dienen wie Münzen als eine Art Visitenkarte des Landes. Auf beiden Seiten des Scheins befinden sich Botschaften von hohem symbolischen Wert – “Basiswerte, die die Nationalbank übermitteln möchte”, wie Roland Tornare, der SNB-Verantwortliche der Einheit Banknoten und Münzen, sagt.

Auch die neuen schweizerischen Banknoten haben sich an diese Regel zu halten. Die neue Serie läuft deshalb unter dem Titel “Weltoffene Schweiz”.

“Dieses Thema erlaubt es, die Schweiz als modernes Land vorzustellen (…), als einen Ort, wo sich die Welt trifft”, sagte Anfang Februar Niklaus Blattner, Vizepräsident des SNB-Direktoriums, als das Projekt für die neuen Scheine vorgestellt wurde.

Eine Epoche der Helden

Vor einem Jahrhundert, als die zweite Notenserie von Ferdinand Hodler und Eugène Burnand grafisch konzipiert wurde, zielte die Botschaft noch in eine ganz andere Richtung.

So figurierten auf der einen Seite der Banknote Szenen täglicher Arbeit, zum Beispiel jener eines Mähers oder eines Waldarbeiters. Auf der anderen dominierten Medaillons mit Frauenabbildungen. Die Wertschätzung solcher Themen, welche die Arbeit in den Vordergrund stellen, charakterisieren jene Periode.

Die folgende Zwischenkriegs-Zeit sei dann “die Zeit der Helden” gewesen, wie es Tornare sagt. Die Dringlichkeit bestand nun darin, das Land zusammenzuhalten. So dass sich die Nationalbank auf legendäre Figuren wie Wilhelm Tell oder den Held der Schlacht von Sempach, Arnold Winkelried, zurückbesinnen musste.

Die patriotischen Werteinstellungen symbolisierten sich jedoch nicht nur in solchen Heldenfiguren, sondern auch in der normalen Bevölkerung, zum Beispiel einer Frau in der Freiburger Kleidertracht.

Von der Allegorie zur Wissenschaft

In der fünften Banknoten-Serie von 1956 dominierten allegorische Sujets: Ernte, Neugeburt (Jungbrunnen), Barmherzigkeit (St. Martin). Nach den Schrecken des Weltkriegs sollten auch die Banknoten den Wunsch anzeigen, dass man die Weltgeschichte gerne eine Seite weiterblättern möchte.

Die folgenden glorreichen Wachstumszeiten spiegelten sich in der nächsten Serie von Geldscheinen. Die Ehre, abgebildet zu werden, fiel 1976 der Welt der Wissenschaft und der Kultur zu.

Vom legendären Borromini der Boomjahre…

Die Brieftaschen der Schweizerinnen und Schweizer füllten sich in der Folge mit Leuten wie dem Mathematiker Euler, dem Geologen de Saussure oder dem Architekten Borromini.

Die Schweiz galt nun nicht mehr als ein in sich geschlossenes Land, sondern als eine Nation an der Spitze des Fortschritts, die mit gewissen grossen Persönlichkeiten die europäische Geschichte mitgeformt hat.

Bald darauf besteht die Nation nicht mehr ausschliesslich aus Wissenschaft. In den 90er-Jahren konzentriert sich die Nationalbank auf Kultur und auf die verschiedenen Arten, sich künstlerisch auszudrücken – und spürt zu Recht, dass der Mythos des ewigen Fortschritts sich dem Ende zuneigt.

…zum skeptischen Giacometti

Raum also für jene schweizerischen Persönlichkeiten, die mit ihrem Werk Marken in den verschiedenen kulturellen Bereichen hinterlassen haben: Der Musiker Arthur Honegger, der Architekt Le Corbusier, und Alberto Giacometti mit seinen Skulpturen.

Mit Sophie Taeuber-Arp und ihrer plastischen Kunst erscheint sogar erstmals eine bekannte Frau auf einem Franken-Geldschein.

Die Schweizer, bisher an illustre Gesichter auf ihren Banknoten gewohnt, werden in Zukunft mit einem grösseren Wechsel konfrontiert: Auf der künftigen Geldnoten-Serie wird es keine Gesichter historischer Figuren mehr geben.

“Bisher kam den Porträts die wichtige Funktion zu, Geldschein-Fälschungen zu erschweren”, sagt Roland Tornare gegenüber swissinfo. “Denn mit den hergebrachten technischen Möglichkeiten mussten Fälscher einen Kompromiss bezüglich der chromatischen Elemente finden, was sich auf die Farbgebung des Porträts auswirkte.”

Ein “kranker” Borromini

So kam es vor, dass die Gesichtszüge auf einem Falsifikat bleicher ausfielen als jene auf dem echten Geldschein: “Die Leute vermochten auf diese Weise schnell zu erkennen, dass der Borromini auf dem 100-Franken-Schein kränkelte…”, sagt Tornare mit einer gewissen Ironie.

Doch bei der heutigen modernen Drucktechnologie stellt die Farbgebung für Fälscher kein grosses Problem mehr dar. Deshalb sei das Bildnis oder Porträt kein unverzichtbares Element einer Banknote mehr.

Ausserdem fällt die Unannehmlichkeit weg, nach verblichenen Persönlichkeiten suchen zu müssen. Der bildliche Sprung in die Vergangenheit passt keineswegs zum Image eines Landes, das in die Zukunft ausgerichtet ist – so wie es die Schweizerische Nationalbank möchte.

swissinfo, Daniele Mariani
(Übertragung aus dem Italienischen von Alexander Künzle)

Die ersten Banknoten wurden im 17. Jahrhundert in Grossbritannien und Schweden eingeführt.

Da die Schweiz bis 1850 keine einheitliche Währung kannte, kamen Geldscheine hierzulande erst im 19. Jahrhundert auf.

Die erste Banknote im Wert von 500 Franken wurde 1825 von der Depositenkasse der Stadt Basel herausgegeben.

Der Franken wurde als Einheitswährung 1851/52 eingeführt. Doch die Kantonsbanken behielten ihre Banknoten-Freiheiten in Sachen Wert, Grafik und Produktionsmethode.

Erst 1891 nach einer Verfassungsänderung geht das Banknoten-Monopol an eine künftige Schweizerische Nationalbank (SNB). Diese wurde 1907 eröffnet.

Im Verlauf ihrer Aktivitäten hat die SNB acht Notenserien produziert. Davon wurden nur sechs emittiert.

Gegenwärtig gibt es Geldscheine im Wert von 10, 20, 50, 100, 200 und 1000 Franken.
Früher gab es auch Banknoten im Wert von 5, 40 oder 500 Franken.
Im Januar 2005 belief sich die Geldmenge der in Umlauf befindlichen Geldscheine auf 37, 2 Mrd. Franken.
Die Entwicklung und Produktion der laufenden Banknoten-Serie von 1995 kostete rund 20 Mio. Franken.
Dank dem technischen Fortschritt respektive den Mitteln, die Notenfälschern zur Verfügung stehen, ist die Lebensdauer eines Geldschein-Typs von früher 40 auf heute noch 15 Jahre gesunken.

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