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Ein Schweiz-Kenner auf Deutschlands Posten

Peter Gottwald freut sich über seinen neuen Job in der Schweiz. swissinfo.ch

Peter Gottwald kennt die Schweiz durch seine Frau, eine Schweizerin, ziemlich gut. Der neue Botschafter Deutschlands in Bern ist seit dem 1. August 2011 im Amt. Er zeigt sich erfreut über das bilaterale Steuerabkommen und setzt im Fluglärmstreit auf Dialog.

swissinfo.ch: Sie sind erst seit knapp zwei Monaten in Bern. Entspricht die Schweiz dem Bild, das Sie sich von diesem Land gemacht hatten?

Peter Gottwald: Ich fühle mich bisher sehr wohl. Das Bild der Schweiz wird jeden Tag etwas bunter, etwas vielseitiger.

Das ist eigentlich mein Haupteindruck, dass die Vielfalt der politischen Strukturen als auch der gesellschaftlichen Wirklichkeit etwas ist, was man sehr gründlich erleben und studieren muss. Und darum bemühe ich mich.

swissinfo.ch: Haben Sie ein persönliches Verhältnis zur Schweiz?

P.G.: Meine Beziehung zur Schweiz ist sehr intensiv: Ich bin mit einer Schweizerin verheiratet. Insofern kenne ich die Schweiz durchaus. Aber bisher immer aus der Ferienperspektive. Dies ist das erste Mal, dass wir gemeinsam in der Schweiz wohnen.

swissinfo.ch: Sie sind durch Ihre Frau also bereits ein Kenner?

P.G.: Ich habe über all diese Jahre immer ein besonderes Interesse am Geschehen in der Schweiz gehabt. Auch wenn ich auf Auslandsposten war, habe ich immer versucht, dies ein bisschen aufrecht zu erhalten.

swissinfo.ch: Wo sehen Sie eine Möglichkeit, das Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz zu verbessern?

P.G.: Es gibt nichts, was man nicht verbessern könnte. Ich glaube, das ist ein Grundprinzip. Natürlich gab es gerade in den letzten Jahre eine Reihe von Themen, die besonders im Fokus standen und die auch keineswegs alle schon völlig abgehakt sind.

Auf der anderen Seite hatte ich das grosse Glück, dass wenige Tage nach meinem Antritt hier das neue Steuerabkommen paraphiert wurde, und wir insofern die Früchte der Verhandlungen zwischen beiden Ländern jetzt auf dem Tisch haben. Jetzt liegt es an den Parlamenten, diese Ergebnisse umzusetzen. Das wird sicher noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Aber aus meiner Sicht ist das ein sehr positiver Umstand.

swissinfo.ch: In Deutschland wollen die Sozialdemokraten gegen dieses Abkommen ankämpfen. Ex-Finanzminister Peer Steinbrück von der SPD sprach bereits wieder davon, “die Pferde zu satteln”. Ist es ein Ablasshandel, wie von der SPD behauptet wird?

P.G.: Die Position der Bundesregierung ist, dass es sich bei diesem Abkommenstext um einen Kompromiss handelt, der erfolgreich versucht, den Belangen beider Seiten in einer ausgewogenen und fairen Weise gerecht zu werden.

Wir sind sehr zuversichtlich, dass mit dem Inkrafttreten eine neue Situation geschaffen wird, die für beide Seiten definitiv vorteilhafter ist, als die bestehende.

Dass Kompromisse nie alle Erwartungen beider Seiten erfüllen können, ist völlig klar. Aber ich denke, dass sich in der Debatte ein positives Votum ergeben wird, auch wenn die Opposition natürlich die Aufgabe hat, die Bedenken vorzutragen, die bei jedem Thema existieren.

swissinfo.ch: Die grösste Kontroverse zwischen den beiden Ländern scheint laut Beobachtern der Fluglärmstreit mit der Schweiz zu sein. Warum kommt man seit Jahren nicht vom Fleck?

P.G.: Ich sehe es eigentlich nicht als eine grosse Kontroverse zwischen unseren beiden Ländern. Es ist ein Thema, das selbstverständlich alle, die davon betroffen sind, sehr engagiert. Fluglärm ist, wo immer er auftritt, kein erfreuliches Phänomen.

Auf der anderen Seite muss es zwischen Nachbarn immer möglich sein, Lösungen zu finden. Ich denke, auch hier kommt es in erster Linie darauf an, dass man den Dialog zwischen allen Beteiligten sucht, die Nachteile und Vorteile dieses Infrastruktur-Elementes im südwestdeutsch-schweizerischen Raum auch mit berücksichtigt.

Ich werde mich in jedem Fall darum bemühen, dazu beizutragen, dass dieser Dialog aktiv geführt wird.

swissinfo.ch: Ein weiterer Streitpunkt ist die Rheintalbahn Basel-Karlsruhe, der deutsche Anschluss an die Neue Eisenbahn-Alpentransversale NEAT. Der Ausbau dieses Nadelöhrs wird gegenwärtig von zehntausenden Einsprachen blockiert. Ist da eine praktikable Lösung überhaupt noch möglich? Denn die Zeit drängt aus Schweizer Sicht.

P.G.: Das ist ein wichtiges Thema. Es ist auch eine der Fragen, die mir als besonders beobachtungbedürftig übertragen wurden. Ich habe vor meiner Ausreise eine Reihe von Gesprächen mit den deutschen, damit beauftragten Ministerien und Institutionen geführt. Ich denke, man ist sich auf deutscher Seite bewusst, dass es in unserem gemeinsamen Interesse ist, dass diese sehr, sehr eindrucksvolle Investition, die der Gotthard-Tunnel darstellt, dann auch ihre volle Wirkung entfalten kann.

Insofern wird man auch im Bereich der Oberrhein-Schiene seitens des Landes und des Bundes alles tun, um das zu ermöglichen. Die Bürger-Einsprachen muss man jedoch  ernst nehmen. Das ist Teil unserer gelebten Demokratie. Das kann man auch nicht durch irgendwelche Abkürzungen vermeiden. Auch da wird es darauf ankommen, dass man sich dem Dialog stellt, mit den Beteiligten spricht und auch erläutert, welche Vorteile die Verlagerung des Verkehrs auf die Strasse der Umwelt bringt.

Und ich bin sehr optimistisch, dass es dann gelingen wird, in allen Fällen eine Lösung zu erreichen. Wir werden versuchen, soweit es geht im Plan zu bleiben.

swissinfo.ch: Was war seit Ihrer Anwesenheit das häufigste Problem, mit dem Deutsche in der Schweiz sich bei der Botschaft meldeten?

P.G.: Mir ist, offen gestanden, kein einziger Fall zu Ohren gekommen, in dem Deutsche in der Zeit, die ich jetzt hier bin, so ernste Probleme hatten, dass sie nur noch von der Botschaft Hilfe erwarteten.

Das ist, glaube ich, ein grosses Kompliment für die Schweiz. Hier funktioniert es eben wirklich.

Der neue deutsche Botschafter in Bern ist 1948 in Frankfurt am Main geboren.

Er studierte in Konstanz, an der Grenze zur Schweiz, Verwaltungswissenschaft.

Nach Studien in Syracuse, USA, leitete er für einige Jahre für die Vereinten Nationen (UNO) ein Büro in Nigeria.

Dann begann er seine diplomatische Karriere im Auswärtigen Amt, die ihn in zahlreiche Länder führte.

Gottwald ist ein Experte auf dem Gebiet Abrüstung und Rüstungskontrolle.

Er ist mit einer Schweizerin verheiratet und hat drei Töchter.

Mit keinem anderen Land der Welt unterhält die Schweiz so intensive Beziehungen wie mit der Bundesrepublik Deutschland.

Deutschland ist der wichtigste Handelspartner der Schweiz: Ein Drittel aller Importe in die Schweiz stammt aus Deutschland.

Die Schweiz ist der drittgrösste ausländische Direktinvestor in Deutschland nach den EU-Staaten und den USA.

Deutschland ist das häufigste Reiseziel der Schweizer. Umgekehrt bilden die Deutschen die grösste ausländische Besuchergruppe in der Schweiz.

Seit 2007 ist die Schweiz das wichtigste Auswanderungsland für Deutsche. Mittlerweile leben über 250’000 Deutsche in der Schweiz und bilden damit nach den Italienerinnen und Italienern die grösste ausländische Bevölkerungsgruppe. Auch die Zahl der Schweizer in Deutschland hat in den letzten Jahren stetig zugenommen.

(Quelle: EDA)

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