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Die Bochuds: “Einfach eine Geschichte”

Gérard Bochud nimmt für seine Arbeit das Beste aus beiden Kulturen. Yann Bochud

Bochuds sind seit 1968 in Quebec. Ursprünglich wollten sie während "vier, fünf Jahren ein wenig das Abenteuer suchen" - und haben statt dessen Wurzeln geschlagen.

Sie sind eine Familie von Machern geworden, deren Erfolgsrezept schweizerische Effizienz und Quebecer Kreativität in sich vereinigt.

“Es ist eine einfache Geschichte: Als wir abreisten, dachten wir, wir kämen wieder zurück. Und wir wollten auch mehrmals heimreisen. Aber jedes Mal bot man mir eine neue, noch interessantere Arbeit an. Und jetzt bin ich immer noch da, und ich weiss nicht, ob ich je heimkehre oder, falls doch, wann und wohin genau.”

So fasst der 57-jährige Gérard Bochud, Programmdirektor und Grafikprofessor an der Universität von Quebec, seine 35 Jahre in Kanada zusammen. Seine Frau Simone ist 1995 bei einem Unfall ums Leben gekommen.

Aber für ihn und seine Söhne geht das Leben weiter. Yann (32) ist Musiker und Sänger, Emmanuel (30) Jongleur. Unter der Woche lebt Gérard in Montreal und an den Wochenenden im Osten Kanadas: “Nur ich und die Bären”, sagt Gérard. Und in den Ferien sei er “natürlich” in der Schweiz …

Der Ruf des Abenteuers

Das frisch verheiratete Paar Gérard Bochud, Grafiker, und Simone Genoud, medizinische Sekretärin, verliess 1968 seine Heimat, das Greyerzerland.

Bochud erinnert sich: “Sechs Monate nach unserer Heirat beschlossen wir, den ruhigen ‘Schweizer Alltag’ hinter uns zu lassen und nach Quebec zu reisen. Für uns war das am einfachsten: Keine Probleme mit der Sprache – auch wenn die Wörter oft nicht den gleichen Sinn haben – dem Visum, usw. Wir reisten für vier oder fünf Jahre hin – und sind nie zurückgekommen!”

Sie suchten das Abenteuer und beschlossen, in Kanada anzufangen. Um die Vorfreude länger geniessen zu können, reisten sie mit dem Schiff. Und so kamen sie mit der allerletzten Überfahrt der “Masdam” in Quebec an. Eine Hinreise auf dem letzten Immigrantenschiff.

Eine Karriere “zu der es ganz von selbst kam”

“Alles ging fast von selbst”, fasst Bochud zusammen. In Montreal findet er schnell Arbeit als Grafiker. Nach einer Periode humanitärer Arbeit in Mittelamerika kehrt er nach Kanada zurück und arbeitet für verschiedene Werbeagenturen.

Dann kommen die Kinder und Gérard arbeitet vier Jahre als Grafikdirektor bei Hydro-Québec. 1976 wird er Publikationsdirektor an den Olympischen Spielen von Montreal.

Mit seiner Frau gründet er anschliessend “G. Bochud design et communication visuelle” und unterrichtet gleichzeitig an der Universität Quebec in Montreal und an der Fakultät für Raumgestaltung der Universität Montreal.

Und was ist das Geheimnis seines Erfolgs? “Hier in Quebec gibt es Platz für Verrücktes, für Herausforderungen. Egal, wie alt Sie sind, man sagt Ihnen: ‘Versuch es einfach.’ Hier habe ich gelernt, schnell zu arbeiten. Aber es gibt keine Normen, keine strengen Vorgaben.”

Das Geheimnis ist wohl, dass ich von zwei Kulturen beeinflusst bin: “In Kanada lobt man meine Präzision. Und wenn man schnelle Arbeit mit Präzision mischt, erhält man bemerkenswerte Resultate, und ein leistungsorientierter Schweizer hat jede Menge Chancen! Bei meinen Söhnen ist es das gleiche. Sie bringen Schweizer Effizienz mit Quebecer Kreativität zusammen.”

Yann zwischen Quebec und dem Greyerzerland

Der ältere Sohn, Yann Bochud, ist Gitarrist. 1998 reist er, im Alter von 27 Jahren, in die Schweiz “zurück”, zu seiner Familie in Bulle. Dort bleibt er vier Jahre und bildet sich zum Autor und Komponist weiter.

Im März 2001 gibt er den ersten Teil des Konzerts von Charlebois im Theater Beausobre, und moderiert eine tägliche Sendung für Radio Fribourg. “Hier habe ich eine Welt des ‘Superfun’ entdeckt, Chansons, Freunde, das Leben in den Kneipen. Europa ist so vielfältig. Kanada dagegen ist mit den USA verhängt, es ist zu angelsächsisch.”

Aber in der Schweiz “gibt es keine Showbusiness-Maschine.” Yann kehrt also nach Montreal zurück. Und zieht da mit seinem Bruder Emmanuel, dem Jongleur, ein Strassen- und Festivaltheater auf.

Fehlt ihm die Schweiz? “Ja, ich habe immer den Eindruck, dass ich etwas hinter mir gelassen habe. Aber das kann mir auch im Greyerzerland passieren. Eigentlich bin ich bikulturell. Etwas mehr Quebecer als Schweizer, aber von beidem das Beste.”

Die sichere… und langweilige Schweiz

Bochud senior scheint die Heimat dagegen nicht sehr zu fehlen. “Die Schweiz gibt ein Gefühl der Sicherheit, die Dinge sind immer am gleichen Ort. Wenn ich dort bin, finde ich das toll. Ich finde wie früher meine Cremeschnitten, auf dem gleichen Tablar in meiner Lieblingsconfiserie in Bulle, den gleichen Tome de vache von der gleichen Alp.

Wenn ich aber zu lange bleibe, geht mir das auf die Nerven. Dann kehre ich dahin zurück, wo die nächste Bäckerei 15 km entfernt ist. Die ist erst neu und näher, vorher musste ich 100 km weit fahren, um Brot zu kaufen.“

Gleichzeitig hat Gérard Bochud das Gefühl, “Kanada gesehen zu haben.” 2004 wird er endgültig heimkehren. Wirklich? “Ich weiss nicht, ob ich in der Romandie leben will, die ist so klein, aber vielleicht irgendwo in Europa.”

Wie viele Schweizerinnen und Schweizer im Ausland nimmt er nicht an Abstimmungen teil (“ich gehöre nicht wirklich dazu”), aber er liest regelmässig Zeitung und kommt immer wieder zurück.

Trotzdem, die Bande sind fest: “Wenn es eines Tages Probleme gibt, komme ich zurück, ich steige als Erster auf die Barrikaden, wenn es nötig ist. Und ich bin sicher, dass ich nicht der Einzige bin!”

swissinfo, Isabelle Eichenberger
(Übertragung aus dem Französischen: Charlotte Egger)

Gérard Bochud kommt 1945 in Bulle auf die Welt.

1968 macht er sein Diplom als Grafiker, heiratet Simone Genoud, und sie wandern per Schiff nach Kanada aus.

Das Paar lässt sich in Montreal nieder, wo Gérard verschiedene Stellen als Grafiker hat.

1973 wird Yann geboren, 1971 Emmanuel.

Von 1972 bis 1976 ist er Grafikdirektor bei Hydro-Québec, danach Punblikations-Direktor an den Olympischen Spielen von Montreal.

1982 wird er Professor für grafisches Design an der Universität Quebec in Montreal.

1995 stirbt Simone.

1996 gründet er den Fonds Simone Genoud-Bochud, der Ausbildungsstipendien gewährt.

1997 gründet er die Éditions Picador, ein Verlagshaus für Design-Nachschlagewerke.

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