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Die düstere Zukunft der Altersversicherung

In der Schweiz gibt es immer mehr Menschen im Rentenalter. Keystone

Wegen der Überalterung der Bevölkerung ist die Zukunft der Alters- und Hinterlassenen-Versicherung sehr unsicher. Bald genügt die Zahl der Beitragszahlenden nicht mehr, um alle Pensionen zu decken.

Für das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) braucht die Schweiz eine tiefgreifende Reform des Rentensystems.

Die Einnahmen der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) werden zu einem grossen Teil von den Versicherten und ihren Arbeitgebern geleistet. Weil sie 70% der Einnahmen beisteuern, hängt die Versicherung stark von der wirtschaftlichen Situation ab.

Weitere 20% steuert die öffentliche Hand bei. Den grössten Teil davon trägt mit 15% die Eidgenossenschaft, hauptsächlich finanziert durch Alkoholsteuern (221 Mio. Fr.) und Tabaksteuern (2051 Mio. Fr.).

Schliesslich gleicht die Mehrwertsteuer mit 6% die demografische Veränderung der Bevölkerung aus. Der Rest stammt aus Steuern auf Spielen und aus Kapitalzinsen.

2,4 Milliarden Franken Saldo

Die Finanzierung der AHV basiert auf einem System der Aufteilung: Die Kosten eines Jahres müssen von den Einnahmen des gleichen Jahres getragen werden. Ein Kompensationsfonds federt die jährlichen Veränderungen der Ausgaben ab. Er gleicht damit Jahre aus, in denen weniger eingenommen als ausgegeben wird.

2005 betrugen die Einnahmen 33,7 Mrd. Fr., während 31,3 Mrd. an die Versicherten ausbezahlt wurden. Es resultierte ein positives Ergebnis von 2,4 Mrd. Fr., was die Reserven der Versicherung auf 29,4 Mrd. ansteigen liess. Das entspricht in etwa den Auszahlungen eines Jahres.

Das Problem ist nun aber, dass dieser Ausgleichsfonds auch an die Invalidenversicherung (IV) und die Erwerbsersatzordnung (EO) angehängt ist. Nun ist die IV sei Jahren tief in den roten Zahlen, während die EO ihre Reserven wegen der Mutterschafts-Versicherung wegschmelzen sieht.

Bevölkerung wird immer älter

Zu diesem Buchhaltungsproblem gesellt sich die Frage der Überalterung der Schweizer Bevölkerung. Die Lebenserwartung steigt, während immer weniger Kinder geboren werden.

Die demografische Situation hat einen grossen Einfluss auf die Reserven der AHV. Sie bedroht das Gleichgewicht zwischen Arbeitnehmenden und Pensionierten, das Solidaritätsprinzip, dank dem die AHV überhaupt funktioniert. Während 1950 sechs Aktive einen Rentner finanzierten, sind es heute noch vier und 2040 wohl nur noch deren zwei.

Zwischen 2015 und 2020 hat die AHV laut den Bundesbehörden ihre Reserven aufgebraucht. In einem Interview erwartete BSV-Direktor Yves Rossier, dass bereits in fünf Jahren nur noch sieben von zehn Renten bezahlt werden könnten und dass die Alarmgrenze bereits bei 2012 liege.

Verschiedene Vorschläge

Wegen dieser angespannten Situation kommt die Politik öfters mit Lösungsvorschlägen zur Finanzierung des Sozialwerks. So hatte Innenminister Pascal Couchepin bereits vor Jahren vorgeschlagen, das Rentenalter zu erhöhen (derzeit bei 65 Jahren).

Dieser Vorschlag hatte grosse Proteste provoziert. Es wird sogar vermutet, dass sein Vorpreschen einen Einfluss auf das eher schlechte Abschneiden seiner Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) bei den letzten Eidgenössischen Wahlen gehabt hat.

Unter den anderen Vorschlägen findet sich eine Rentenkürzung – eine Idee der politischen Rechten – oder eine erneute Erhöhung der Mehrwertsteuer.

Der aktuellste Lösungsvorschlag kommt nun vom linken Komitee sichere AHV (KOSA) in Form einer Volksinitiative, über die das Stimmvolk am 24. September befinden wird. Dabei soll ein Teil der Gewinne der Schweizerischen Nationalbank (SNB) an die AHV fliessen.

Tiefgreifende Reform

Doch auch bei einer Annahme wird die KOSA-Initiative das Problem allein nicht lösen können. Ein Zuschuss von Seiten der SNB kann nur eine Ergänzung sein zum Grundproblem, dass zu wenig Beitragszahlende zu viele Pensionierte tragen müssen.

Daher braucht das gesamte System eine tiefgreifende Reform. Diese Debatte wird wohl erst 2008 in Angriff genommen, denn keine Partei will sich im Vorfeld der nächsten Eidgenössischen Wahlen 2007 an der Altersvorsorge die Finger verbrennen.

swissinfo, Emily Bay
(Übertragen aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

Das Schweizer System der Altersvorsorge basiert auf drei Säulen.

Die erste ist die staatliche Vorsorge: Jede in der Schweiz wohnhafte Person muss Beiträge in die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) einzahlen, eine Grundversicherung, die den Existenzbedarf garantiert für Rentnerinnen und Rentner ab 65 Jahren, Waisen, Witwen und Mittellose.

Die zweite Säule ist die berufliche Vorsorge: Sie ist eine obligatorische, private Versicherung, an die Arbeitnehmende und Arbeitgeber zu gleichen Teilen Beiträge zahlen, die später in Form einer Rente oder von Kapital zurückbezahlt werden.

Die dritte Säule ist die private Vorsorge. Sie ist freiwillig und kann bis zu einem gewissen Betrag von den Steuern abgezogen werden.

Im Januar 2006 bezogen 1’701’000 Personen eine Altersrente und 104’000 eine Witwen- oder Witwerrente.
Die durchschnittliche Rente beträgt 1860 Fr. monatlich für Einzelpersonen und 3098 Fr. für Paare.

Die AHV hängt stark von der demografischen Situation ab.

Die über 65-Jährigen machten 2004 bereits 15,8% der Bevölkerung aus und nehmen stetig zu.

Bis 2050 soll diese Altersgruppe gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) um 60 bis 120% zunehmen.

Heute finanzieren vier Arbeitnehmende einen Pensionierten. In 30 Jahren sollen es nur noch 2,5 sein.

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