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Die Freisinnigen wollen auf die Strasse

Die geschwächte FDP Schweiz sucht ihre Rettung in der direkten Demokratie. In der Volksinitiative sehen Vertreter einer neuen Generation ein Mittel, um den Kontakt mit dem Volk wieder zu finden.

Obwohl ungeübt, erwägen sie gar, gleich deren zwei zu lancieren.

Am Freitag lancierten verschiedene FDP-Sektionen aus 13 Kantonen in Zürich die Volksinitiative gegen das Verbandsbeschwerderecht; in Erwägung gezogen wird zudem eine Initiative für eine Harmonisierung und Verbesserung der Volksschule. “Diese beiden Begehren werden der Partei gut tun”, sagt FDP-Vizepräsident Léonard Bender.

Die Partei sei ein wenig abgehoben, sagt Bender. “Es gilt nun, die Ärmel hochzukrempeln und auf die Strasse zu gehen. Dies bringt eine Nähe zur Bevölkerung.” Der Vizepräsident schliesst auch nicht aus, dass seine Partei in Zukunft das Mittel des Referendums in Anspruch nimmt.

Dass der Freisinn “das Monopol der direkten Demokratie” in den letzten Jahren der Schweizerischen Volkspartei (SVP) überlassen hat, findet der Genfer Soziologe Uli Windisch “unglaublich”. Vor allem weil es sich dabei um ein fundamentales Element des politischen Systems in der Schweiz handle.

Aus den Parlamenten an die Front

Auch François Longchamp, Präsident der FDP Genf, empfiehlt den Mitgliedern, die Parlamente zu verlassen und sich an die Front zu begeben. Volksinitiativen haben seiner Meinung nach den Vorteil, dass sie breite öffentliche Diskussionen auslösen.

Longchamp sieht in den Initiativen einen Test. “Wenn die Freisinnigen nicht genügend Unterschriften zusammenbringen für solch wichtige Anliegen wie das Verbandsbeschwerderecht oder die Reform der Volksschule, ist die Partei wirklich am Untergehen”, sagte er.

Positive und negative Erfahrungen

Christian Heydecker, Präsident der FDP Schaffhausen, glaubt, dass die FDP mit der Lancierung von Volksinitiativen nichts zu verlieren hat. “Auch wenn diese an der Urne selten Erfolg haben, zeigen sie, was die Parteien wollen und wofür sie einstehen”, sagt Heydecker. Die SVP und die Sozialdemokratische Partei (SP) hätten damit ihre Erfolge erzielt.

Sowohl positive als auch negative Erfahrungen mit dem Instrument der Volksinitiative gemacht, hat die Berner FDP-Nationalrätin Christa Markwalder. Sie wurde von der Parteileitung beauftragt, einen Vorschlag für den Initiativtext zur Harmonisierung der Volksschule auszuarbeiten.

“Ich bin skeptisch, dass zwei parallel laufende Unterschriftensammlungen Erfolg haben können”, sagt die 29-Jährige. So etwas bedeute immer einen grossen Kraftakt für die Partei.

Grosses Risiko

Die Politologin Regula Stämpfli findet die neue Taktik der FDP naheliegend. “Weil die FDP auf eidgenössischer Ebene eine Minderheitenpartei geworden ist, muss sie jetzt versuchen, ihre Politik auf dem Weg der direkten Demokratie durchzusetzen”, sagt sie. Dies sei nicht nötig gewesen, solange der Freisinn eine staatstragende Rolle gespielt habe.

Gemäss Stämpfli ist das Risiko jedoch beträchtlich. Der FDP sei es bisher nie gelungen, Unterschriften in Rekordzeit zu sammeln. “Falls die FDP schon beim Sammeln scheitert, ist das nicht nur eine Blamage, sondern auch ein schwerer politischer Rückschlag.”

2001 war die letzte Initiative der FDP zum Thema Steuerstopp wegen fehlender Unterschriften gescheitert.

swissinfo und Agenturen

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