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Die Krux mit den Gesundheitskosten

Junge Frau berechnet ihre Krankenkassen-Prämie. Keystone

Mit ihrer Initiative für eine Einheitskrankenkasse will die politische Linke die Prämienerhöhung der Krankenversicherung in den Griff bekommen. Das ist weder das erste Projekt noch wird es das letzte dieser Art sein.

Bis heute hat nämlich niemand ein Wundermittel gefunden, um die stetig steigenden Gesundheitskosten zu lindern.

Die Situation ist schon fast vertraut: Jeweils im Herbst kündigt der amtierende Gesundheitsminister an, um wie viel sich die Krankenkassenprämien im folgenden Jahr erhöhen werden.

Seit 1996, als das Krankenversicherungsgesetz in Kraft trat, war die Erhöhung fast konstant und vor allem massiv: Die Versicherten bezahlen heute durchschnittlich 70% mehr als vor 10 Jahren.

Diese Entwicklung wiegt immer schwerer auf den Haushaltsbudgets, vor allem auf den kleinen. Einen Weg zu finden, um die Prämien zu senken oder sie zumindest unter Kontrolle zu halten, ist deshalb in der Schweiz zu einem politischen Thema geworden.

Einkommensabhängige Prämien?

Eine mögliche Variante sieht vor, die Prämien nicht pro Kopf, sondern in Abhängigkeit zum Einkommen der Versicherten zu erheben. Diese Variante wird vor allem von der politischen Linken befürwortet.

Aber das Stimmvolk hat schon mehrere Vorschläge dieser Art abgelehnt. 1994 wurde die Initiative “für eine gesunde Krankenkasse” von 76,6% der Stimmberechtigten verworfen. Der letzte Versuch vom Mai 2003 erfuhr das gleiche Schicksal mit einer Ablehnung von 72,9%.

Sollten die Prämien den finanziellen Möglichkeiten der Versicherten angepasst werden, stellt sich die Frage, wer bei dem System profitieren und wer verlieren würde.

Die Initiative “für eine soziale Einheitskrankenkasse”, die ebenfalls einkommensabhängige Prämien vorschlägt, bringt dieses Problem erneut ans Licht. Die Gegner betonen deshalb, dass sie für die Mittelklasse eine starke Prämienerhöhung zur Folge hätte, was die Initianten verneinen.

Einschränkungen auch nicht beliebter

Eine andere Variante, die Prämien zu senken, wären Einschränkungen der Leistungen oder des Angebots in der Grundversicherung. Diese Variante wird eher von der politischen Rechten befürwortet. Aber auch dafür lässt sich keine Mehrheit finden.

Im Jahr 2000 fegte das Stimmvolk die Initiative “für tiefere Spitalkosten” mit einem Nein-Anteil von 82,1% vom Tisch. Die Initiative wollte die Krankenversicherung einzig für die Deckung der Spitalkosten obligatorisch erklären.

Den gleichen Ausgang erfuhr 2001 die Initiative “für tiefere Arzneimittelpreise”. Diese sah eine systematische Verschreibung von Generika vor, es sei denn, dass der Patient das Originalpräparat selber bezahlen würde. Diese Idee – sie wurde als Einschränkung der freien Medikamentenwahl empfunden – wurde vom Souverän ebenfalls verworfen und zwar mit einem Stimmenanteil von 76,8%.

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Volksinitiative

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Volksinitiative erlaubt den Bürgerinnen und Bürgern, eine Änderung in der Bundesverfassung vorzuschlagen. Damit sie zu Stande kommt, müssen innerhalb von 18 Monaten 100’000 gültige Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht werden. Darauf kommt die Vorlage ins Parlament. Dieses kann eine Initiative direkt annehmen, sie ablehnen oder ihr einen Gegenvorschlag entgegenstellen. Zu einer Volksabstimmung kommt es…

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Sturm der Entrüstung

2005 kündigte der amtierende Gesundheitsminister Pascal Couchepin für das folgende Jahr eine ganze Serie von Massnahmen an, um die Gesundheitskosten zu dämpfen. Dazu gehörte der Ausschluss von fünf komplementärmedizinischen Fachrichtungen aus dem obligatorischen Leistungskatalog der Krankenkassen.

Diese Massnahme löste einen eigentlichen Sturm der Entrüstung aus, was Anlass zu einer weiteren Initiative (“Ja zur Komplementärmedizin”) gab, über die das Stimmvolk demnächst entscheiden wird. Die Chancen stehen gut. Eine Umfrage hat ergeben, dass 79% der Bevölkerung eine Wiedereingliederung dieser Medizin in die Grundversicherung wünschen.

Knacknuss

Die Abstimmungen der letzten Jahre zeigen die widersprüchlichen Wünsche der Schweizerinnen und Schweizer: Einerseits wollen sie nicht mehr Geld für ihr Gesundheitswesen ausgeben, andererseits sind sie auch nicht bereit, einen Leistungsabbau hinzunehmen.

Für die Politik ist es bei dieser Ausgangslage fast ein Ding der Unmöglichkeit, die Gesundheitskosten in den Griff zu bekommen. Umso mehr als eine Kostensteigerung auch infolge der wachsenden Technisierung der Medizin und der immer älter werdenden Gesellschaft unabwendbar erscheint.

Fazit: Das komplexe Problem der steigenden Gesundheitskosten wird am 11. März 2007 so oder so nicht gelöst sein, ob die Initiative nun angenommen oder abgelehnt wird. Es besteht deshalb kein Zweifel, dass sich das Stimmvolk in den nächsten Jahren noch oft zu diesem Thema wird äussern müssen.

swissinfo, Olivier Pauchard
(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler)

2004 hat die Schweiz gemäss Bundesamt für Gesundheit (BAG) 51,67 Mrd. Fr. für das Gesundheitssystem ausgegeben.

Diese Summe entspricht 6929 Franken pro Einwohner oder 11,6% des Brutto-Inlandproduktes (BIP).

Die Gesundheitskosten haben in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. 1995 entsprachen sie lediglich 9,7% des BIP.

Die Initiative “für eine soziale Einheitskrankenkasse”, die am 11. März dem Schweizer Volk zur Abstimmung vorgelegt wird, wurde von der Westschweizer Bewegung “Mouvement populaire des familles” lanciert.

Sie schlägt vor, die gegenwärtig 87 Krankenkassen durch eine Einheitskasse zu ersetzen.

Gemäss Initiativtext würde diese Massnahme zu mehr Transparenz im Gesundheitswesen führen und die Prämienerhöhung eindämmen.

In dem Text wird auch empfohlen, die Prämien nach den finanziellen Kapazitäten der Versicherten auszurichten. Detaillierte Angaben dazu werden aber nicht gemacht.

Die Initiative wird von der Linken unterstützt. Die Rechte und die Regierung sind dagegen.

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