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Die Schweiz – das reichste Land der Erde?

Die Schweiz ist reich, für manche sogar "zu reich". Plakat an der später abgebrochenen alternativen Wohnsiedlung Wohlgroth beim Bahnhof Zürich. Keystone

Immer wieder wird die Eidgenossenschaft als reichstes Land der Welt bezeichnet. Doch die Klassifikation ist komplex. Denn je nach angewandten Kriterien verändert sich die Rangliste der reichsten Länder.

Tatsächlich gibt es eine Statistik der Weltbank, wonach die Schweiz das reichste Land der Erde ist, mit einem theoretischen Vermögen von 648’000 Dollar pro Kopf (umgerechnet zirka 700’000 Franken).

Die Weltbank publizierte die Studie 2006 unter dem Namen “Where is the wealth of nations?” (Wo ist der Reichtum der Nationen?).

Das war lange vor der im Jahr 2008 beginnenden Finanzkrise, die bis heute eine tiefe Spur in der Weltwirtschaft hinterlässt.

Ein Update der Studie ist noch nicht erschienen, wie eine Sprecherin der Weltbank-Aussenstelle in Berlin bescheinigt.

Gleichwohl ist die Studie noch aktuell, denn sie versuchte erstmals, den Reichtum von Ländern nicht allein am Kapital zu messen, sondern auch nicht-materielle Kriterien einzubeziehen und in Geldwert umzurechnen.

Immaterielle Werte

Konkret: Werte wie Fischbestände, Wälder, Bodenschätze und Energievorkommen wurden in die Berechnungen aufgenommen. Über Indizes wurden auch immaterielle Güter wie Bildung, Regierungsführung und Behördenqualität berücksichtigt.

Während bei den Ärmsten ein Drittel bis zur Hälfte des Reichtums aus Naturressourcen besteht, liegt dieser Anteil in der Schweiz und Deutschland nur bei einem Prozent. In den reichen Ländern liegt mehr als 80 Prozent des Reichtums in so genanntem immateriellen Kapital wie Bildung und funktionierendem Rechtssystem (intangible capital).

Das Ergebnis ist denn auch theoretisch. Nicht jeder Schweizer oder jede Schweizerin verfügt tatsächlich über ein Vermögen von über einer halben Million Franken. Es handelt sich vielmehr um ein hochgerechnetes Vermögen und um Durchschnittswerte.

Einkommen pro Kopf

In den Wirtschaftswissenschaften gibt es viele andere Erhebungen, um Wohlstand und Reichtum zu bemessen. In den meisten Fällen geht man vom erwirtschafteten Bruttoinlandprodukt (BIP) eines Landes aus und setzt dieses ins Verhältnis zur Zahl der Einwohner.

Der internationale Währungsfonds (International Monetary Fund) kommt in seiner Liste in Bezug auf das BIP pro Kopf nach Ländern (Stand April 2009) zu folgendem Ranking: Luxemburg, Norwegen, Katar, Schweiz. Kaufkraftbereinigt fällt die Schweiz dann auf den 8. Rang zurück, während Katar sich auf den ersten Platz schiebt.

Im World-Factbook der amerikanischen Central Intelligence Agency (CIA) rangiert Liechtenstein mit 122’100 Dollar Bruttoinlandprodukt pro Kopf an erster Stelle, gefolgt von Katar, Luxemburg und Bermuda. Die Schweiz figuriert in diesem Ranking erst an 18. Stelle (41’660 USD).

Schweiz in den Toppositionen

Ein kanadisches Forschungsinstitut, welches die Website aneki.com (The source for world ranking) betreibt, kommt in Bezug auf die reichsten Staaten der Welt zum Schluss, dass die USA an erster Stelle stehen, weil ihr Bruttoinlandprodukt mit 14’500 Milliarden USD das grösste der Welt ist (vor China und Japan).

Beim BIP pro Kopf verändert sich die Situation. Da führt Norwegen (43’400 US) das Ranking vor der Schweiz (40’680) und den USA (37’870) an.

Die Statistiken zeigen, dass es keine einheitliche Sichtweise gibt. Aber egal, welches Ranking man nimmt. Die Schweiz steht zwar nicht unbedingt an erster Stelle, aber gleichwohl in den Toppositionen in Bezug auf die “Reichsten Nationen der Erde”.

Gerhard Lob, swissinfo.ch

Das BIP ist die Summe der Marktwerte aller Güter und Dienstleistungen, die während eines bestimmten Zeitraumes (meist 1 Jahr) in einem Land produziert werden und damit die wichtigste Kennzahl der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung.

Je höher das BIP, desto höher also die Wertschöpfung in einem Land.

Das BIP pro Kopf, also das gesamte BIP geteilt durch die Zahl der Einwohner eines Landes, verwendet man als Messgrösse für den Wohlstand eines Landes.

Kaufkraftparität (KKP) ist ein Begriff der makroökonomischen Analyse. Die KKP zwischen zwei geografischen Räumen liegt dann vor, wenn Waren und Dienstleistungen eines Warenkorbes für gleich hohe Geldbeträge erworben werden können.

Neue Kaufkraftschätzungen haben das tatsächliche Ausmass von Reichtum und Armut offen gelegt und ein neues Bild der Weltwirtschaft gezeichnet, wie Branko Milanovic, leitender Volkswirtschaftler in der Forschungsabteilung der Weltbank, aufgezeigt hat.

Entwicklungsländern geht es gemäss diesen neuen Zahlen schlechter und die weltweite Ungleichheit ist grösser als bisher angenommen.

Reichste Länder der Erde (gemäss Weltbank-Studie, theoretisches Vermögen pro Kopf):
Schweiz: 648’241 USD Dänemark: 575’138
Schweden: 513’424
USA: 512’612
Deutschland: 496’447

Ärmste Länder:
Äthiopien: 1965
Nigeria: 2748
Burundi: 2859
Kongo 3516
Nepal: 3802

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