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Die Schweiz muss die Ausschaffungshaft verkürzen

Keystone

Das EU-Parlament hat die EU-Rückführungs-Richtlinie angenommen. Das hat Folgen für die Schweiz. Als zukünftiges Mitglied von Schengen und Dublin muss sie nun die Ausschaffungshaft von 24 auf 18 Monate verkürzen.

Das EU-Parlament in Strassburg stimmte am Mittwoch der Rückführungs-Richtlinie mit einer klaren Mehrheit von 369 Ja gegen 197 Nein zu. Die EU-Staaten hatten die Vorlage bereits zuvor gebilligt.

Als zukünftiges Mitglied von Schengen und Dublin hat die Schweiz nach der Publikation der Richtlinie zwei Jahre Zeit, um die eigene Ausländergesetzgebung entsprechend anzupassen.

Politisch brisant

Konkret muss die Schweiz die maximale Länge der verschiedenen Formen der Ausschaffungshaft von heute insgesamt zwei Jahren auf anderthalb Jahre verkürzen.

Weniger bedeutsam dürfte die zweite Änderung sein, die laut dem Sprecher des Bundesamtes für Migration, Jonas Montani, nötig ist: Wegweisungen von Ausländern müssen künftig immer mit einer schriftlichen Verfügung erfolgen.

Die Frage der Ausschaffungshaft allerdings ist politisch brisant: Das Schweizer Volk hatte am 24. September 2006 mit 68% Ja-Stimmen einer Verlängerung der maximalen Haftdauer von 12 auf 24 Monate zugestimmt. Nun muss diese Verschärfung, die als politische Erbschaft des abgewählten Justizministers Christoph Blocher gilt, zumindest halbwegs wieder zurückgenommen und auf 18 Monate begrenzt werden.

Die nötige Gesetzesänderung wird dem fakultativen Referendum unterstehen. Ob die Schweizerische Volkspartei (SVP) es dereinst ergreifen werde, könne er zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, erklärte SVP-Nationalrat Hans Fehr. “Persönlich bin ich der Meinung, dass man das Referendum aus Respekt vor dem sehr deutlichen Volksentscheid von 2006 ergreifen sollte”, meinte er.

Ohne Umsetzung der Richtlinie kein Schengen/Dublin

Absehbar ist allerdings, dass ein allfälliger Abstimmungskampf für die SVP nicht einfach zu gewinnen wäre. Denn der Urnengang würde nach dem für Herbst 2008 geplanten Beitritt der Schweiz zu Schengen stattfinden. Falls aber die Schweiz die Rückführungs-Richtlinie nicht umsetzen sollte, würde ihr gleich wieder der Rauswurf aus Schengen und Dublin drohen.

Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf jedenfalls hatte sich am Rande ihres Besuchs in Brüssel Ende Mai gelassen geäussert. Auf die Frage, ob ihr die Rückführungs-Richtlinie Kopfschmerzen bereite, antwortete sie: “Aus heutiger Optik, nein.”

Die Kantone würden seit Anfang 2008 die Anwendung der Zwangsmassnahmen statistisch auswerten, fügte sie an. Dies werde es erlauben zu beurteilen, ob die maximale Haftdauer von 24 Monaten in der Praxis tatsächlich ausgenutzt werde.

Lange Haftzeit ist die Ausnahme

Genau kann man dies bisher nicht wissen, weil die verlängerte Haftdauer erst seit Anfang 2007 in Kraft ist. Die verfügbaren Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS) zeigen jedoch, dass die Ausschaffungshaft zumindest vor der Verschärfung im Durchschnitt nicht lange dauerte.

Für 2006 schätzte das BFS die mittlere Dauer auf nur gerade 22 Tage. Falls sich dies seither nicht dramatisch geändert haben sollte, dürften sehr lange Haftzeiten eine seltene Ausnahme sein.

swissinfo, Simon Thönen, Brüssel

Das revidierte Asylgesetz, das im September 2006 vom Schweizer Stimmvolk angenommen wurde, setzt die Sozialhilfe an abgewiesene Asylbewerber aus und verdoppelt die potentielle Inhaftierungszeit für Menschen, die auf ihre Zwangsausweisung warten, auf zwei Jahre.

Die Aufnahme wegen humanitären Gründen wird ausgeschlossen. Erleichtert wird der Familiennachzug und die Arbeitserlaubnis im Fall einer provisorischen Aufenthaltserlaubnis.

Illegal eingereiste Einwanderer und abgelehnte Asylbewerber müssen sieben bis 30 Tage Zeit für eine freiwillige Ausreise erhalten.

In Abschiebehaft dürfen sie nur dann genommen werden, wenn Fluchtgefahr besteht.

Die Haftdauer soll im Regelfall nicht mehr als sechs Monate betragen.

Eine Verlängerung um weitere zwölf Monate ist aber möglich, wenn sich “die Rückführung wegen mangelnder Kooperation” des Flüchtlings oder wegen Problemen bei der Feststellung seiner Nationalität verzögert.

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