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Die Schweiz nutzt ihre langjährige Erfahrung

Weil die Schweiz sich seit 50 Jahren in Nepal engagiert, geniesst sie viel Vertrauen im Land. Dies ermöglicht ihr, im Friedensprozess auch heikle Punkte wie die Integration der Rebellenarmee anzugehen. Sie setzt dabei zuweilen auf ungewöhnliche Methoden.

“Das Vertrauen, das in den vergangenen Jahrzehnten entstanden ist, bildet die Grundlage für die heutige Tätigkeit”, sagte Martin Dahinden am Mittwoch vor den Medien in Bern.

Der Chef der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) informierte über das 50-Jahr-Jubiläum, die Eröffnung einer Schweizer Botschaft in Kathmandu und die Schwerpunkte der Entwicklungszusammenarbeit mit Nepal.

Die Schweiz war eines der ersten Länder, die sich in Nepal engagierten. Zu Beginn konzentrierte sich die Hilfe auf landwirtschaftliche Projekte wie Käseverarbeitung, später auf Brückenbau und Berufsbildung.

Mit der Verschärfung des Konflikts zwischen den maoistischen Rebellen und dem monarchischen Staat rückte in den vergangenen Jahren die Friedensförderung ins Zentrum. “From cheese to peace”, nennt Martin Stürzinger von der Sektion Friedenspolitik im Aussendepartement (EDA) die Entwicklung.

Informelle und diskrete Vermittlung

Als sich im Frühjahr 2005 nach der Machtergreifung des Königs die Lage zuspitzte, entsandte die Schweiz einen Friedensberater nach Nepal. Im Dezember kam es zu ersten vertraulichen Verhandlungen zwischen einer Allianz der grössten Parteien und den maoistischen Rebellen.

Nach Massendemonstrationen setzte der König im Frühjahr 2006 das von ihm aufgelöste Parlament wieder ein, die maoistischen Rebellen und die Regierung verkündeten einen Waffenstillstand.

In den anschliessenden Friedensgesprächen spielte der Schweizer Friedensberater eine wichtige Rolle. Die Konfliktparteien baten laut dem EDA oft um informelle und diskrete Vermittlung.

Im Frühjahr 2008 schaffte Nepal die Monarchie ab und wählte eine verfassungsgebende Versammlung, wobei die Maoisten fast 40 Prozent der Stimmen erhielten. Im Herbst unterzeichneten alle Parteien ein Friedensabkommen.

Anschauungsunterricht im Jura

Das Engagement der Schweiz war damit aber nicht zu Ende. “Wir drängen uns nicht auf”, betont Stürzinger. “Wir werden angefragt.” Auf grosses Interesse stösst besonders die Beratung zu Staatsreform und Föderalismus.

Zu den Angeboten gehört der Anschauungsunterricht: Vergangenen Herbst besuchten Vertreter der verfassungsgebenden Versammlung in der Schweiz Gemeinde- und Kantonsbehörden. Sie erfuhren zum Beispiel, wie es zur Gründung des Kantons Jura kam.

Die Lage in Nepal ist weiterhin instabil. Der “Knackpunkt” sei die Integration der Rebellenkämpfer in die nepalesische Armee, sagt Stürzinger. Weil der Armeechef entgegen den Abmachungen neue Soldaten rekrutierte statt Rebellenkämpfer aufzunehmen, forderten die Maoisten seine Entlassung. Der Konflikt führte zum Rücktritt des Premierministers.

Lernen von Ex-Rebellen

Im Zuge der Bemühungen um eine Lösung dieses Konflikts wendet die Schweiz auch ungewöhnliche Methoden an: In Zusammenarbeit mit Deutschland lud sie ehemalige Rebellenführer aus Kolumbien und Südafrika nach Nepal ein.

In einem Seminar, an dem Mitglieder der Rebellen- und der Regierungsarmee teilnahmen, berichteten die Gäste von ihren Erfahrungen bei der Integration von Rebellenkämpfern.

Die Schweiz geniesst das Vertrauen der Maoisten schon allein deshalb, weil sie diese – anders als zum Beispiel die USA – nie auf einer Liste terroristischer Organisationen führte. Zudem steht die Schweiz nicht im Verdacht, in der Pufferzone zwischen Indien und China machtpolitische Interessen zu verfolgen.

“Wir sind ein kleiner Player, können aber Wirkung erzielen”, resümiert Deza-Direktor Martin Dahinden. Für Friedensprojekte in Nepal setzt die Schweiz seit 2005 jährlich rund 1,4 Millionen Franken ein, für Entwicklungsprojekte rund 20 Millionen.

Charlotte Walser, swissinfo.ch und InfoSüd

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Deza

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) ist die Agentur für internationale Zusammenarbeit im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Sie ist Teil der Schweizer Behörden (Verwaltung) und zuständig für die Gesamtkoordination der Entwicklungs- und Ostzusammenarbeit mit andern Bundesämtern sowie für die humanitäre Hilfe der Schweiz.

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Die Präsenz der Schweiz in Nepal ist künftig sichtbarer: Der Bundesrat hat entschieden, das Generalkonsulat der Schweiz in Kathmandu in den Rang einer Botschaft zu erheben.

Zum Botschafter ernannt wird Thomas Gass. Die Eröffnung der Botschaft erfolgt am 17. August in Anwesenheit von Martin Dahinden.

Sie stelle eine wichtige Etappe in den Beziehungen zwischen der Schweiz und Nepal dar, sagt der Deza-Direktor.

Dass die Schweiz gerade jetzt eine Botschaft eröffnet, hängt nicht zuletzt mit ihrem Beitritt zum Schengen-Raum zusammen.

Der Beitritt ist mit neuen Bestimmungen zur Visa-Vergabe verbunden.

Würde die Schweiz in Nepal keine Botschaft eröffnen, müssten die rund 1000 Nepalesen, die jährlich ein Visum für die Schweiz beantragen, künftig nach Indien reisen, um ihr Visum zu erhalten.

Helene Budliger Artieda vom EDA verweist auch auf die Bedeutung der Botschaft für Schweizer Touristen in Nepal: Der Tourismus nehme zu, und Touristen seien manchmal auf Unterstützung angewiesen.

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