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Die Schweiz sagt dreimal deutlich Nein

Wer den Schweizer Pass bekommt, entscheidet sich auch künftig nicht an der Urne. Keystone

Die drei eidgenössischen Vorlagen sind an der Urne klar gescheitert. Das Stimmvolk sagt Nein zu Einbürgerungen an der Urne, Nein zu einem "Maulkorb" für die Behörden und auch zu einem neuen Gesundheitsartikel.

Grosse Verliererin ist die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP), die drei Mal die Ja-Parole ausgegeben hat.

Die Einbürgerungs-Initiative wurde mit fast 63,8% Nein-Stimmen abgelehnt. Ja sagte nur der Kanton Schwyz.

Die Einbürgerungs-Initiative verlangte, dass Einbürgerungen wieder in geheimer Abstimmung durch das Stimmvolk an der Urne entschieden werden können.

Diese Praxis war ausgesetzt worden, nachdem sie das Bundesgericht im Jahr 2003 als verfassungswidrig erklärt hatte.

In ersten Reaktionen zeigten sich die Gegner der Einbürgerungs-Initiative erleichtert über das Nein. Allgemein herrschte die Überzeugung, dass sich das grosse Engagement ausbezahlt hat.

Wenig Fleisch am Knochen

Man sei mit kleinen Budgets, aber viel Arbeit zum Erfolg gekommen, sagte der Präsident der Grünen, Ueli Leuenberger. Leuenberger fordert nun eine Vereinfachung der Einbürgerungsverfahren. “Wir haben eines der schwierigsten Verfahren in Europa. Die unterschiedlichen Kriterien werden oft nicht verstanden.”

Der sozialdemokratische Schwyzer Nationalrat Andy Tschümperlin ist überzeugt, dass sich beispielsweise in der Innerschweiz viele Leute an der SVP-Kampagne und insbesondere an der Plakataktion gestört haben. Zudem steht Tschümperlin fest: “Argumente haben in diesem Abstimmungskampf gezählt.”

Dem stimmt auch der freisinnige Berner Nationalrat Christian Wasserfallen zu: “Wir konnten aufzeigen, dass wenig Fleisch am Knochen war bei der Initiative.” Dies habe die Schweizer Bevölkerung gemerkt.

SVP kündet neuen Vorstoss an

Die unterlegene SVP zeigte sich nicht erstaunt über das klare Nein. “Wir hatten eine breite Front gegen uns und mussten damit rechnen”, sagte SVP-Vizepräsident Adrian Amstutz.

Kritik an der Abstimmungs-Kampagne wollen weder Amstutz noch der Zürcher SVP-Nationalrat Hans Fehr gelten lassen. “Wir würden nochmals mit den gleichen Argumenten ins Feld ziehen”, sagte Fehr. Es sei wichtig, dass die Gemeinden über Einbürgerungsgesuche entscheiden könnten.

Die Hürden für Einbürgerungen seien höher zu legen. Die SVP werde einen Vorstoss einreichen, dass nur noch Personen mit einer Niederlassungs-Bewilligung C Einbürgerungsgesuche stellen könnten. “Dies und anderes wird die SVP durchsetzen”, sagte Fehr.

Nein zum “Maulkorb”

Der vom Parlament gezimmerte Gesundheitsartikel wurde mit 71% der Stimmen in allen Kantonen verworfen.

Am wuchtigsten wurde die so genannte “Maulkorb-Initiative” abgelehnt: 75% der Stimmbürgerinnen und -bürger sagten dazu Nein. Die Initiative wollte, dass der Bundesrat vor einer Abstimmung nur noch sehr eingeschränkt hätte informieren dürfen.

“Schwarzer Tag”

Das deutliche Nein verdriesst die Initianten. Für die Gegner ist es ein Zeichen des Vertrauens der Bevölkerung in die Behörden.

“Das ist ein schwarzer Tag für die direkte Demokratie”, sagte Markus Erb vom Verein “Bürger für Bürger”, der die Initiative eingereicht hatte. Das Nein sei “ein Beweis dafür, dass die Bürger gegen die Übermacht von Regierung und Verwaltung keine Chance mehr haben”.

Froh über das deutliche Votum ist die freisinnige Nationalrätin Christine Egerszegi vom überparteilichen Abstimmungskomitee gegen die Maulkorbinitiative. Verantwortungsvolle Behörden könnten die Information nicht einfach Interessengruppen überlassen, sagte sie.

“Schludriges” Dossier

Der Krankenkassenverband Santesuisse bezeichnete das Nein zum Gesundheitsartikel als verpasste Chance. Das Stimmvolk ziehe offenbar konkrete Gesetzesreformen mit klar ersichtlichen Konsequenzen allgemein gehaltenen Verfassungsgrundsätzen vor, teilte der Verband mit.

Die Sozialdemokratische Partei deutet die Ablehnung des Verfassungsartikels als Sanktionierung eines völlig “schludrigen” Dossiers des Parlaments. Das Volk habe Nein zur Macht der Krankenkassen gesagt, sagte SP-Vizepräsident Stéphane Rossini.

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