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Diebstahlsperre für Handys? Nicht in der Schweiz!

Wird ein Handy gestohlen, kann es für jeden weiteren Gebrauch gesperrt werden. Keystone

Europa rüstet auf, um mittels einer Datenbank gestohlene Handys zu blockieren - nicht so die Schweiz.

Die europäischen Anbieter arbeiten derzeit eine Art Diebstahlsperre für Handys aus. In Frankreich, Italien und in Grossbritannien wollen die Telekommunikations-Gesellschaften eine Datenbank schaffen, in der alle gestohlenen Geräte erfasst werden können.

Die Mobiltelefone sollen dank ihres Imei (International Mobile Equipment Identity)-Codes blockiert werden können. Jedes Gerät hat eine Seriennummer. Diese ist im Handbuch zu finden, das zum Gerät gehört. Sie kann auch abgerufen werden, indem man auf dem Handy *#06# eintippt.

Diese Seriennummer ist der Identifikationscode des Handys. Bei Diebstahl hat der Anbieter einen Fernzugriff auf die Software des Geräts und kann es unbrauchbar machen. Damit hat der Besitzer sein Handy zwar nicht wieder, aber wenigstens die Genugtuung, dass kein Gauner es benutzen kann.

700’000 Diebstähle in Grossbritannien…

In Italien wurden 2001 schätzungsweise 100’000 Handys gestohlen, in Frankreich waren es 150’000 und in Grossbritannien gar 710’000. Jenseits des Ärmelkanals haben die Benutzerinnen und Benutzer die Anbieter unter Druck gesetzt, damit diese etwas unternehmen.

Die “schwarze Liste” der gestohlenen Geräte kommt diesen Sommer in Italien erstmals zum Einsatz. In Frankreich ist die gemeinsame Datenbank für spätestens Ende Jahr vorgesehen.

Zur Zeit arbeitet jedes Land allein vor sich hin, die Listen sind nur national anwendbar. Ein in Italien gestohlenes und verstummtes Handy funktioniert jenseits der Grenzen mit einer ausländischen SIM-Karte problemlos. Längerfristig soll eine europäische Datenbank geschaffen werden, um alle gestohlenen Handys auf dem gesamten Kontinent unbrauchbar zu machen.

Die drei Anbieter in der Schweiz befassen sich kaum mit dem Problem. Bei einem Diebstahl blockieren sie nur die SIM-Karte, damit ist die Telefonnummer nicht mehr in Betrieb. Der Dieb kann aber einfach eine andere SIM-Karte einlegen und telefonieren.

… und 45’000 in der Schweiz

Bei Swisscom werden monatlich 2’500 Handys als gestohlen oder verloren gemeldet. Orange verzeichnet 10’000 pro Jahr und Sunrise 4’300. Insgesamt kommen also jährlich nahezu 45’000 Mobiltelefone ihrem rechtmässigen Besitzer abhanden.

Trotzdem will niemand etwas unternehmen. “Eine Datenbank ist zum heutigen Zeitpunkt nicht vorgesehen”, meint Swisscom-Pressesprecher Christian Neuhaus. Er empfiehlt aber den Kundinnen und Kunden, ihren Imei-Code zu notieren, um ihn der Polizei bei Einreichung einer Klage angeben zu können.

“Der Diebstahl eines Handys macht uns keine grossen Sorgen”, bestätigt auch Mathieu Janin von Sunrise. “Das Thema liegt zwar seit ein paar Jahren in der Luft, wir sind offen für das Gespräch, aber der Beschluss muss vom Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) kommen”, fügt Thérèse Wenger von Orange bei.

Das BAKOM gibt den Ball zurück. Roberto Rivola erklärt, es gebe “keine rechtliche Grundlage, um die Anbieter dazu zu verpflichten, eine solche Datenbank einzurichten. Sie müssen selber entscheiden, ob sie das wollen.”

Kurz, in der Schweiz sehen Handydiebe weiterhin goldenen Zeiten entgegen. Man kann sich fragen, warum die Schweizer Firmen nichts unternehmen, um ein Blockiersystem einzuführen.

“Wenn Ihr Mobiltelefon verschwindet, kaufen Sie ein neues, und auch das gestohlene Gerät wird weiter benutzt. Für die Hersteller und die Anbieter ist das doch ein gutes Geschäft”, meint ein Verkäufer maliziös.

swissinfo/Luigino Canal

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