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Digitale ID weckt in der Schweiz Sicherheitsbedenken

Fingerprint under magnifying glass
Ein Fingerabdruck ist ein eindeutiges Mittel, um die Identität einer Person zu überprüfen. Ein solcher Prozess ist in einer zunehmend digitalisierten Welt komplexer geworden. Keystone

Immer mehr Menschen nutzen kommerzielle Angebote oder Behördendienste digital. Das Schweizer Parlament hat deshalb ein Gesetz zur digitalen Identität verabschiedet. Gegner haben Bedenken wegen der Datensicherheit. Es kommt zur Abstimmung.

Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern bietet die Schweiz ihren Einwohnern keine zertifizierte Verifizierungsmethode für eine digitale Identität, auch E-ID genannt. Dieses Tool soll die Nutzung von Online-Diensten mit einem einzigen Login vereinfachen. Eine E-ID ist also kein digitaler Pass.

Im Zentrum der Debatte steht die Frage, welche Rolle der Staat in einer solchen technischen und persönlichen Frage spielen soll.

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Es geht um ein Gesetz, das die Grundsätze für eine E-ID festlegt. Das ist ein System, das den sicheren Zugang zu Online-Diensten und die Durchführung elektronischer Transaktionen gewährleisten soll. Wegen Bedenken hinsichtlich der Datensicherheit wurde das Referendum ergriffen, weshalb es am 7. März 2021 zur nationalen Abstimmung kommt.

Das 2019 vom Parlament verabschiedete Gesetz beschränkt die Rolle der Schweizer Regierung darauf, die notwendigen Daten zur Verfügung zu stellen. Es wären hauptsächlich private Unternehmen (sowie kantonale oder kommunale Behörden), die E-IDs ausstellen und als sogenannte Identitätsanbieter (IdP) agieren würden.

Um Missbräuche zu verhindern, wurde ein unabhängiges Gremium eingerichtet, das diese privaten Unternehmen zertifiziert und beaufsichtigt.

Ein digitaler Ausweis für Privatpersonen erleichtert es den Nutzern, geschäftliche Transaktionen und Kontakte mit den Behörden und Unternehmen über das Internet zu führen. Aber es gibt keine Pflicht für Bürgerinnen und Bürger, eine E-ID zu besitzen. Das Schweizer Gesetz besagt, dass es alternative technische Möglichkeiten zu Telefonanwendungen, USB-Sticks oder Smartcards geben muss, um die digitale Identität von Online-Nutzern zu verifizieren.

Die Gegnerschaft des Gesetzes kritisiert hauptsächlich, dass private ID-Anbieter digitale Identitäten ausstellen dürften, sowie das Risiko, dass solche Daten für andere Zwecke verwendet werden könnten.

Kritiker des neuen Gesetzes argumentieren, dass der Staat – und nicht private Unternehmen – der Gatekeeper von E-IDs sein müsse, um eine sichere Nutzung von Online-Diensten zu garantieren, sei es für kommerzielle oder staatliche Zwecke.

Es sei eine Frage des Vertrauens und der Glaubwürdigkeit des Staates. Vor allem, weil die Dienste für die politische Partizipation genutzt werden könnten, etwa für E-Voting.

Die Gegner warnen auch, dass die Gefahr des Datenmissbrauchs besteht, wenn private Unternehmen das Recht erhalten, E-IDs auszustellen.

Sie verweisen auf Meinungsumfragen, die ergaben, dass eine überwältigende Mehrheit der Befragten es vorzieht, dass die Regierung die E-ID -Daten überwacht und nicht private Anbieter.

Die Befürworter des Gesetzes betonen die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung in einer zunehmend digitalisierten Welt. Sie sagen, das Schweizer Modell, bei dem sich Private und Staat die Verantwortung teilen, habe sich in der Vergangenheit bewährt.

Beispiele aus anderen Ländern hätten gezeigt, dass zentralisierte nationale Systeme nicht geeignet seien, so die Befürworter des E-ID-Gesetzes.

Sie argumentieren, dass private Unternehmen für die Rolle des Anbieters besser geeignet seien. Sie seien innovativer und flexibler als der Staat, der in seiner klassischen Rolle die Regeln vorgebe und die Aktivitäten überwache.

Die Schweiz könne es sich nicht mehr leisten, eine gesetzliche Regelung zu verzögern. Eine Ablehnung des Gesetzes würde die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen gegenüber multinationalen Konzernen ernsthaft untergraben.

Ein Bündnis zivilgesellschaftlicher Gruppen, das vor allem von linken Parteien und Gewerkschaften unterstützt wird, hat das Referendum ergriffen.

Rund 65’000 Unterschriften wurden innerhalb dreier Monate gesammelt und im Januar 2020 bei den Behörden eingereicht. Mindestens 50’000 Unterschriften sind erforderlich, um ein Referendum über ein Gesetz zu erzwingen.

Das Recht, ein Veto gegen einen Parlamentsbeschluss einzulegen, ist Teil des schweizerischen Systems der direkten Demokratie.

Das Referendumskomitee setzt sich aus Bürgerrechtsgruppen und Demokratie-Aktivistinnen und -Aktivisten zusammen. Die Sozialdemokraten (SP) und die Grünen sowie die Grünliberalen unterstützen das Referendum.

Acht der 26 Kantone lehnen das Gesetz ab und unterstützen daher das Referendum.

Im Einklang mit einer Mehrheit des Parlaments haben sich jedoch die wichtigsten Parteien der politischen Rechten und der Mitte für das Gesetz ausgesprochen.

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Sowohl die Regierung als auch die wichtigsten Wirtschaftsverbände – der Dachverband der Schweizer Wirtschaft Economiesuisse und der Schweizerische KMU-Verband – unterstützen das Gesetz.

Bei der Etablierung eines zertifizierten nationalen E-ID-Systems ist die Schweiz hinter andere europäische Länder zurückgefallen, die überwiegend öffentlich-private Lösungen anbieten.

Ein früherer Versuch, eine öffentlich-private e-Identity-Lösung aufzubauen, bekannt als SuisseID, scheiterte vor mehr als zehn Jahren. Ein verbessertes Projekt wurde 2017 gestartet.

Europa sei ein Vorreiter auf diesem Gebiet, sagt Robert KrimmerExterner Link, Experte für E-Governance an der Universität Tartu in Estland.

Anderswo auf der Welt, vor allem in den Vereinigten Staaten, haben sich private Anbieter gegenüber einem staatlichen E-ID-Angebot durchgesetzt.

Im Jahr 2016 hat die Europäische Union Regelungen über die Nutzung und Anerkennung nationaler E-IDs verabschiedet.

Estland ist ein Vorreiter der Digitalisierung in diesem Bereich. Einige sehen Estlands Ansatz als mögliches Modell, aber die Schweizer Regierung argumentiert, dass die Situation in dem baltischen Staat zu unterschiedlich sei, um sie auf die Schweiz zu übertragen.

Adrienne FichterExterner Link, eine Schweizer Politikwissenschaftlerin und Digitalisierungsexpertin, hat 2019 eine Liste der europäischen Länder erstellt, die auf überwiegend öffentliche E-ID-Anbieter (8), ausschliesslich private Anbieter (zwei) oder sowohl öffentliche als auch private Anbieter (13) setzen.

Die digitale ID ist ein Grundstein für weitere Anwendungen, wie beispielsweise die e-Signatur oder das e-Voting. Doch die Erstellung einer E-ID führt nicht zwangsläufig und automatisch zu solchen Implementierungen.

Eine E-ID gibt jemandem nicht das Recht, etwas zu tun (wie beispielsweise zu reisen oder ein Auto zu fahren), sondern ist lediglich ein Mittel zur eindeutigen Identifizierung, vergleichbar mit einem Computer-Login.

Sibilla Bondolfi

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