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Thoba Grenville-Grey – ein neuer Nelson Mandela?

Tritt er dereinst in die Fussstapfen Nelson Mandelas? Thoba Grenville-Grey, 24, hat schon einen gut gefüllten Rucksack. Der könnte ihn durchaus weit bringen. swissinfo.ch

35 junge Menschen aus aller Welt, alle mit wachem Verstand und viel Engagement, reisen nach Zürich. Hier treffen sie auf ebenso viele, ebenso vife Altersgenossinnen und –genossen aus der Schweiz. Zusammen verabschieden sie eine Erklärung zu Gegenwart und Zukunft der Demokratie. Damit reisen sie weiter ans WEF nach Davos. Einer davon ist Thoba Grenville-Grey aus der fragilen Demokratie Südafrika.

Die Rede ist vom 5. Treffen der so genannten Global ShapersExterner Link, das vom 13. bis 15. Januar in Zürich stattfand. Es ist dies ein offizieller Vorgipfel zum 47. Weltwirtschafts-Forum Davos, das vom 17. bis 20. JanuarExterner Link dauert.

Dieser Beitrag ist Teil von #DearDemocracyExterner Link, der Plattform für direkte Demokratie von swissinfo.ch.

Höhepunkt ist die Teilnahme am WEF. In der tief verschneiten Bündner Bergwelt sollen Grenville-Grey & Co. die Global Leaders von heute mit ihren frischen Ideen konfrontieren. Dies die Idee der Initiative des in der Schweiz beheimateten WEF.

Thabo Grenville-Grey wurde 1992 in London geboren. Seine Eltern hatten Südafrika aus politischen Gründen verlassen. Mit vier Jahren, nach dem Fall des Apartheidregimes, kehrte Thoba mit seinen Eltern in die alte Heimat zurück.

Der heute 24-Jährige arbeitet beim Awethu ProjektExterner Link, das in Südafrika Kredite an kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) vergibt. Dadurch würden die Lebensbedingungen tausender Menschen verbessert, heisst es auf der Facebook-Seite des Projekts.

Die Young Global Shapers beim Ausarbeiten der Deklaration von Zürich zur Demokratie. Zweite von links: Laura Zimmermann, Vizepräsidentin von Operation Libero, einer neuen politischen Bewegung für eine offene Schweiz. swissinfo.ch

Awethu als eine Art “Entwicklungsbank” wird unterstützt u. a. von der Clinton Global Initiative, der Echoing Green Foundation, der Regierung Südafrikas sowie von Persönlichkeiten wie Erzbischof Tutu.

Grenville-Grey, hat an der Universität von Pennsylvania/USA den Bachelor in Politik, Wirtschaft und Philosophie gemacht. Jetzt studiert er Internationale Entwicklung an der chinesischen Universität von Hong Kong.

swissinfo.ch: Wo und wie war Ihr erster Kontakt mit Demokratie?

Thabo Grenville-Grey: Meine ersten Erinnerungen an die Demokratie sind die zweiten Wahlen 1999 in Südafrika, als es um die Präsidentschaft von Thabo Mbeki ging. Ich stand damals in der langen Schlange vor dem Wahllokal und sah, wie ein Mitglied der unabhängigen Wahlkommission allen Wählerinnen und Wählern die Daumen mit lila Farbe markierte. Dies als Zeichen, dass sie schon gewählt hatten, ihre Stimme also nicht noch ein zweites Mal abgeben konnten.

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Das Erste aber, was mir damals auffiel, war die überschäumende Freude und die riesige Erleichterung der Menschen, dass sie wählen konnten. Ich fragte meine Mutter, weshalb alle so lange anstehen würden. Sie antwortete: “Weil wir so lange darauf gewartet haben!” Das war meine erste Erfahrung mit Demokratie.

swissinfo.ch: Hat Sie dieses Erlebnis geprägt?

T.G.G.: Es ist vor allem das Leben im politischen Exil, das meine Eltern und unsere ganze Familie geprägt hat. Ich nahm daraus die Erfahrung mit, dass ich mein Leben dafür einsetze, anderen Menschen Chancen zu ermöglichen. Auch wenn ungewiss ist, was sie daraus machen und ob allenfalls etwas zurückkommt.

Es muss nicht einmal primär um politische Vielfalt, Wahlen oder den Kampf gegen globale Armut gehen, sondern darum, dass man die eigenen Privilegien dazu nutzt, Möglichkeiten und Chancen für andere zu schaffen.

swissinfo.ch: Schildern Sie uns den Weg, der Sie als Global Shaper von Johannesburg nach Zürich und dann ans WEF in Davos führte.

T.G.G.: Es ist aufregend und ein grosses Privileg, hier zu sein. Viele sehen das bereits als Erfolg. Aber ich sehe das anders. Der Erfolg hängt davon ab, was ich in Davos erreichen kann. Ich möchte dort jungen Menschen eine Stimme geben und mich dafür einsetzen, dass Benachteiligte mehr Chancen und Möglichkeiten erhalten.

Zürcher Erklärung der Global Shapers Community

Die Deklaration zum Zustand und Zukunft der DemokratieExterner Link richtet sich an die Weltführer, die am WEF 2017 teilnehmen.

Auszug aus dem Kapitel Verpflichtungen und Aufrufe zum Handeln:

Verbesserte Transparenz für politische Kampagnen, Lobbying oder die Verwicklung der Zivilgesellschaft.

Verbesserte Qualität von Erziehung und Bildung, um bessere demokratische Entscheide zu ermöglichen.

Notwendigkeit einer direkten Verbindung zwischen Regierung und Bürgerinnen und Bürgern.

Am WEF in Davos repräsentiere ich die jungen Menschen Südafrikas, insbesondere jene ohne Jobs, und generell die Jungend Afrikas. Ich kann aus informierter Warte die globalen Entscheidungsträger ansprechen und ihnen sagen, worauf sie fokussieren sollten.

swissinfo.ch: Sie haben mit den anderen Global Shapers eine Erklärung für eine demokratischere Welt erarbeitet, die Sie nun ans WEF in Davos mitnehmen. Was passiert dort genau?

T.G.G.: Es ist unser grosses Ziel, damit die globalen Entscheidungsträger zu erreichen. Ich treffe in Davos den Präsidenten Südafrikas und seine Berater. Dabei möchte ich ihn darauf hinweisen, dass wir digitale Technologie nutzen sollten, statt vor ihr Angst zu haben. Digitale Technologie kann bei den Menschen etwas bewirken. Sie ist insbesondere nützlich, sowohl die Regierung als auch die Bürger über die Möglichkeiten zu informieren, die sie haben.

swissinfo.ch: Sie haben zweimal Nelson Mandela persönlich getroffen, eine der grössten Persönlichkeiten nicht nur Afrikas, sondern weltweit. Welchen Eindruck hatte der erste Präsident des neuen, demokratischen Südafrikas auf Sie gemacht?

Global Shapers

Das Netzwerk ist eine Initiative des World Economic Forum (WEF). Dieses wählt jedes Jahr künftige Führungspersönlichkeiten aus allen Kontinenten aus und ermöglicht ihnen die Reise in die Schweiz.

Hier treffen sich die Global Shapers zu einer Tagung, die unmittelbar vor dem WEF stattfindet.

Höhepunkt ist jeweils die Teilnahme der künftigen Führungskräfte am WEF in Davos.

Thema des diesjährigen 5. Treffens der Global Shapers in Zürich war “Zustand und Zukunft der Demokratie”.

Daran nahmen 35 junge künftige Führungspersonen aus dem Ausland und 37 aus der Schweiz teil, so genannte Swiss Shapers.

T.G.G.: Ich war noch sehr klein, aber ich konnte sein Charisma und seinen Geist förmlich spüren. Ok, das sagen viele Menschen, wenn sie von ihren guten Führern sprechen. Aber ich kann dies Mandela wirklich attestieren.

Leider war ich damals noch zu jung, um mit ihm über substanzielle Themen zu sprechen. Aber ich kann bezeugen, dass er gegenüber Kindern eine enorme Herzlichkeit an den Tag legte. Allen Menschen brachte er eine grosse Wärme entgegen.

swissinfo.ch: Wie präsent ist Mandelas Geist im Südafrika von heute?

T.G.G.: Das ist ein komplexes Thema. Ich würde es so sagen: Das, wofür er einstand, hat das Potenzial, dass es umgesetzt wird. Aber ich muss auch sagen, dass wir das Potenzial noch nicht zur Gänze ausschöpfen. Wir haben viele Probleme, die sich verschärfen, und Diskussionen, die noch nicht zu Ende geführt sind. Wollen wir das Erbe Mandelas hochhalten, müssen wir diese Diskussionen führen. Kurz: Wir sind noch nicht am Ziel, aber wir haben noch etwas Zeit umzusetzen, wofür er einstand.

swissinfo.ch: Was ist die grösste Herausforderung für die Demokratie Südafrikas von heute?

T.G.G.: Das Engagement und Verpflichtung. Beides ist zu schwach. Wir haben ein grossartiges politisches System und eine ausgewogene Verfassung. Wir haben weltweit Trends gesetzt, etwa mit der Arbeit der Wahrheits- und Versöhnungskommission. Das grösste Problem aber ist, dass sich die Stakeholder, die über den grössten Einfluss verfügen, nicht genügend für unser politisches System und unsere Verfassung einsetzen.

Tweets zum Zürcher Treffen der Global Shapers:

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