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Drei Jahre Sozialhilfestopp im Asylwesen

Eine abgewiesene Familie wird von Polizisten ins Flugzeug begleitet. Keystone Archive

Drei Jahre nach Einführung des Sozialhilfestopps im Asylwesen ziehen die Behörden eine positive Bilanz: Mehr abgewiesene Asylbewerber hätten das Land verlassen und es wurden weniger Asylgesuche gestellt.

Hilfsorganisationen sehen dies kritischer: Caritas beispielsweise sagt, man wisse nicht, wo jene Asylbewerber endeten, die keine Nothilfe beantragen.

Im dritten, am Donnerstag veröffentlichten Monitorbericht des Bundesamts für Migration (BFM) wird der Sozialhilfestopp für Asylsuchende mit einem rechtskräftigen Nichteintretens-Entscheid (NEE) als Erfolg verbucht: Nur ein Drittel habe um Nothilfe nachgesucht.

Damit sei das Ziel, dass Personen mit einem NEE die Schweiz verlassen und weniger unbegründete Asylgesuche eingereicht werden, erreicht.

Sei April 2004 erhalten Asylsuchende, auf deren Asylgesuch nicht eingetreten wurde, keine Sozialhilfe mehr. Ihnen wird nur noch eine von der Verfassung garantierte minimale Nothilfe gewährt.

Die durchschnittliche Dauer des Nothilfebezugs beträgt 143 Tage. Diese Dauer ist rund dreieinhalb Mal kürzer als die Aufenthaltsdauer bei Personen mit einem negativen Asylentscheid, welche Sozialhilfe (und nicht Nothilfe) erhalten.

Kein Anstieg der Kriminalität

Befürchtungen, wonach Personen, auf deren Asylgesuch nicht eingetreten wurde, vermehrt kriminell würden, untertauchten oder wegen mangelnden Papieren gar nicht ausreisen könnten, hätten sich dagegen nicht bestätigt, so der BFM-Bericht.

Auch dass die öffentliche Sicherheit beeinträchtigt worden wäre, sei nicht festgestellt worden. Verletzliche Menschen wie unbegleitete Minderjährige hätten in den Kantonen die nötige Behandlung und Betreuung erhalten.

Im dritten Jahr des Sozialhilfestopps wurden 1606 Nichteintretens-Entscheide rechtskräftig, 28% weniger als im Vorjahr. Vom ersten zum zweiten Jahr hatte sich die Zahl halbiert.

Insgesamt waren es seit Inkrafttreten der Regelung knapp 8300 rechtskräftige Nichteintretens-Entscheide.

2,5 Mio. Fr. Defizit für die Kantone

Im dritten Berichtsjahr beliefen sich die Kosten für Nothilfeleistungen in den Kantonen auf 5,5 Mio. Franken. Diesen standen Bundesabgeltungen von 3 Millionen gegenüber.

Zwar nahm die Zahl der Nothilfebezüger gegenüber dem Vorjahr um 18% ab, doch ging laut dem Bericht auch die Zahl rechtskräftiger NEE und damit die Bundesentschädigung um 28% zurück.

Dieser ungünstigen Situation für die Kantone werde mit der Weiterführung des Asylkompromisses Rechnung getragen, hiess es weiter.

Thema in Ruhe lassen

Wenn das BFM eine so positive Bilanz ziehe und die Kriminalität trotz Sozialhilfestopp zurückgegangen sei, müsse das Asyl- und Sozialwesen im Wahlkampf “in Ruhe gelassen werden”, fordert die Sozialdemokratin Kathrin Hilber, Präsidentin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und -direktoren (SODK).

Die Kantone hätten vorerst akzeptiert, dass der Bund die Kosten für die Nothilfe auf die Kantone verlagert hat. Sollte sich aber das Defizit vergrössern, muss laut Hilber auf diesen Entscheid zurückgekommen werden.

Der Schweiz nicht angemessen

Der Sozialhilfestopp habe sicherlich Personen mit NEE zu einem früheren Verlassen der Schweiz bewogen, sagte Barbara Walther, Leiterin Soziale Aufgaben und Migration beim Hilfswerk Caritas. Doch es sei nicht angemessen, dass die Schweiz hilfsbedürftigen Menschen nur das absolute Minimum an Hilfe gewähre.

Zudem würden die Weisungen des Bundes in den Kantonen sehr unterschiedlich angewendet. In gewissen Kantonen seien die Erschwernisse gross, überhaupt Nothilfe zu erhalten. Das sei “problematisch”.

Walther stimmt zwar den Folgerungen des BFM aus den Kriminalitäts-Statistiken zu, ist aber nicht der Meinung, dass zwei Drittel der Abgewiesenen nun wirklich das Land verlassen hätten.

“Wenn sie nicht registriert sind, wissen wir auch nicht, ob sie sich noch in der Schweiz aufhalten oder nicht. Einige sind sicher geblieben. Die leben wohl bei Freunden oder informell in Asylzentren. Andere wiederum dürften das Land verlassen haben.”

swissinfo und Agenturen

Die Zahl der Asylbewerber erreichte 1999 mit 48’000 einen Höchststand, wobei 30’100 Personen aus Serbien (damals Rest-Jugoslawien, Kosovo-Krieg) stammten.
2004, als die Sozialhilfegelder nicht mehr ausbezahlt wurden, fiel die Zahl auf 14’250 (von 21’000 im Vorjahr).
2006 waren es 10’500 Personen.
2007 waren es bisher vor allem Eritreer, die Gesuche eingereicht haben.

Seit einigen Jahren ist die Repatriierung mit finanziellen Anreizen zum wichtigen Element der Migrationspolitik der Schweiz geworden.

Gemäss Behörden ist diese Massnahme kostengünstiger als ein längerer Aufenthalt in der Schweiz oder eine Zwangs-Rückschaffung.

Im September 2006 haben 68% der Schweizer Stimmberechtigten einer Verschärfung des Asylrechts zugestimmt. Dieses wurde seit 1984 zum 9. Mal geändert.

Danach können Ausländer, die ausgeschafft werden sollen, für längere Zeit inhaftiert werden.

Ebenso können die Sozialhilfegelder an abgewiesene Asylsuchende gestrichen und Personen von der Asylprozedur ausgeschlossen werden, falls sie keine gültigen Identitätspapiere auf sich haben.

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