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ECONOMICS/IMF: China und Indien ziehen Weltwirtschaft schneller aus dem Tal

HONGKONG/WASHINGTON (awp international) – Es geht schneller bergauf mit der Weltwirtschaft als bislang angenommen – dank der Zugpferde China und Indien. Zu diesem Schluss kommt der Internationale Währungsfonds (IWF). Er hob seine Prognose am Donnerstag um 0,4 Punkte auf 4,6 Prozent an. Ein erneuter Konjunktursturz sei unwahrscheinlich, sagte Chefökonom Olivier Blanchard in Hongkong.
Für die Eurozone besserten sich die Aussichten allerdings nicht: der IWF blieb bei 1,0 Prozent in diesem Jahr und korrigierte die Prognose für nächstes Jahr sogar um 0,2 Punkte nach unten, auf 1,3 Prozent. Unsicherheiten in Teilen der Eurozone könnten die Finanzstabilität und den Wachstumsausblick trüben, warnte Blanchard. Für Deutschland erwartet der IWF jetzt 1,4 Prozent – 0,2 Punkte mehr als im April, im nächsten Jahr aber geringfügig weniger als im April: 1,6 Prozent. Weltweit rechnet der IWF unverändert mit 4,3 Prozent Wachstum im nächsten Jahr.
Die Ökonomen hoben ihre Weltwachstum-Prognose für dieses Jahr schon zum zweiten Mal an, von 3,9 Prozent im Januar. “Wenn man die Statistik der vergangenen drei Monate betrachtet, sind die Werte besser als erwartet”, sagte Blanchard. “Aber es gibt Wolken am Konjunkturhimmel: Die finanzpolitischen Spannungen in Europa, die (Frage nach der) Solvenz der Banken wirft Unsicherheiten auf, die Risikobereitschaft wird geringer, Kredite sind schwieriger zu haben – deshalb ist die Korrektur moderat.”
Angetrieben wird das globale Wachstum vor allem von aufstrebenden asiatischen Wirtschaftsmächten wie China (plus 10,5 Prozent) und Indien (plus 9,4), aber auch vom weiterhin boomenden Brasilien (plus 7,1). Bei den reichen Ländern dürften Kanada mit 3,6 Prozent und die USA mit 3,3 Prozent am stärksten zulegen.
Ob das globale Wachstum so kräftig bleibt wie jetzt erwartet, hänge vor allem von den europäischen Staaten ab, meint der IWF. Die hohe Staatsverschuldung in vielen Industrieländern drückt in der Euro-Zone auf die Stimmung. Die Regierungen müssten das Vertrauen in die Stabilität ihrer Volkswirtschaften verbessern, fordert der IWF. Noch habe die Krise nicht auf aufstrebende Nationen und Entwicklungsländer übergegriffen – und alles deute weiter darauf hin, dass die Weltwirtschaft sich nachhaltig von ihrer schwersten Rezession seit sechs Jahrzehnten erhole.
Die gigantischen Schuldenberge müssten dringend abgebaut werden, doch dürfe das Problem nicht überhastet und zu drastisch angegangen werden, schrieb der IWF. Vielmehr sei eine “wachstumsfreundliche” Planung nötig. “Die meisten Industrieländer müssen nicht vor 2011 mit dem Sparen beginnen, denn frühere Massnahmen könnte die frische Erholung zunichte machen”, heisst es in dem Bericht. Jedoch sollten auch keine teuren Konjunkturpakete mehr geschnürt werden. Rasant wachsende Volkswirtschaften sollten sofort anfangen, ihre Haushalte zu konsolidieren.
Risiken für das Wachstum gingen auch von den geplanten Finanzmarktreformen in zahlreichen Staaten aus, da ihre Wirkung auf die Kreditvergabe von Banken ungewiss sei. Auch eine erneute Immobilienkrise in den USA würde den Aufschwung gefährden./mcm oe/DP/jha

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