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Ein “Recycling-Virtuose” im Kunstmuseum

"Footstompin", eine Collage von Christian Marclay. Kunstmuseum Thun

Das Kunstmuseum Thun zeigt die erste umfassende Retrospektive des Schweizer Künstlers und Experimentalmusikers Christian Marclay.

Der schweizerisch-amerikanische Doppelbürger hat als einer der Ersten den Plattenspieler als Instrument entdeckt.

Der 49-jährige Christian Marclay gehört international zu den wichtigen Künstlern, die Musik und zeitgenössische Kunst verknüpfen.

Bekannt wurde er unter anderem mit collagenartig aneinander genähten Plattencovern, monströs verformten Musikinstrumenten und raumgreifenden Videoarbeiten.

Das Kunstmuseum Thun zeigt nun rund 60 Arbeiten aus der Zeit von 1980 bis heute, von Collagen über Skulpturen bis hin zu Installationen und Videos.

Im Zentrum stehe stets der Versuch, die Kluft zwischen dem, was wir hören, und dem, was wir sehen, zu überbrücken, sagen die Ausstellungsmacher.

Kunst aus verkratzten Schallplatten

In den frühen 80er Jahren begann Marclay, damals noch Musiker und DJ, verkratzte, zerbrochene und deformierte Schallplatten in seine Vorführungen zu integrieren.

Unter dem Titel “Recycled Records” entstanden zwischen 1980 und 1985 radikale Collagen aus zusammengeflickten Vinylscheiben, die noch auf dem Plattenteller gespielt werden konnten.

Nicht umsonst nannte ihn die “Basler Zeitung” in einem Porträt den “Recycling-Virtuosen”. Einige dieser Platten-Collagen – seine ersten Kunstwerke – sind im Museum in Thun zu sehen.

Skulpturen aus Lautsprecher und Telefonhörern

In den letzten 20 Jahren hat Marclay mit den unterschiedlichsten Medien experimentiert – darunter Alltagsgegenstände wie Lautsprecher, Telefonhörer oder Magnetbänder – und daraus eine Vielzahl von Skulpturen geschaffen.

Zu den sinnträchtigsten Arbeiten gehört die Skulptur “The Beatles” (1989), für die Marclay aus Tonbändern mit Beatles-Aufnahmen ein kuscheliges Kissen gehäkelt hat. Diese gehäkelte Tonband ist im Kunstmuseum ebenfalls ausgestellt.

Jüngere Skulpturen haben die Gestalt von ausgefallenen Musikinstrumenten, von denen mehrere Beispiele in der Ausstellung zu sehen sind. In ihrer Form verändert und auf groteske Art entstellt, sind diese Instrumente technisch unspielbar.

Schnipsel aus Hollywood-Filmen

Ein zentrales Werk der Ausstellung ist das von den Kritikern gefeierte Video “Quartet 2002”.

Die grossformatige, parallel auf vier Bildschirme übertragene DVD-Projektion verbindet Ausschnitte aus Hunderten alter Hollywood-Filme, in denen Schauspieler oder Musiker einfache Geräusche erzeugen oder ein Instrument spielen.

Das Ergebnis ist sowohl eine bewegte Bildcollage als auch eine Musikkomposition, die an John Cage, Hip-Hop-Riffs oder ‘Appropriation Art’ erinnert.

Die Ausstellung, die in Thun bis am 5. September 2004 zu sehen ist, wurde vom UCLA Hammer Museum in Los Angeles organisiert und bisher in Los Angeles, New York und Seattle gezeigt. Das Kunstmuseum Thun ist die erste Station in Europa; Avignon und London werden folgen.

swissinfo

Der 1955 in den USA geborene Schweizer Künstler und Musiker Christian Marclay lebt und arbeitet in New York.

In seinen Installationen verwendet er Versatzstücke, Schallplatten, CDs als Objekte, um so eine stille Welt der Musik entstehen zu lassen.

Er war zudem einer der ersten experimentellen DJs.

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