Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Ein einziger Bischof für halb Europa

Heinrich Bolleter, methodistischer Bischof für 14 Länder, mit Sitz in Zürich. swissinfo.ch

Das Sekretariat der Evangelisch-Methodistischen Kirche in Zürich dient nicht nur als Zentrum für die Schweiz, sondern auch als Drehscheibe für Mittel- und Südosteuropa.

Bischof Heinrich Bolleter exportiert Konsensdemokratie auf religiöser Ebene in 19 Sprachen in 14 europäische Nationen.

Der tragische Unfalltod des mazedonischen Präsidenten Boris Trajkovski Ende Februar brachte auch eine der Freikirchen der Schweiz, die Evangelisch-Methodistische Kirche, in die Schlagzeilen: Der für Mazedonien zuständige Bischof, der Schweizer Heinrich Bolleter, war an der Beisetzung in Skopje der einzige offizielle religiöse Vertreter.

Der aktive Laienprediger Trajkovski gehörte als Methodist zu einer Kirche, die im Balkan zwar seit über 100 Jahren präsent, aber dennoch wenig bekannt ist.

Die Vielvölkerrepublik Mazedonien gilt traditionell als ein christlich-orthodox und minderheitlich muslimisch geprägtes Land. “Wegen der Übertragung des Staatsbegräbnisses am Fernsehen war das sicher die erste protestantische Beerdigung, die in Mazedonien überhaupt öffentlich wahrgenommen wurde”, sagt Bischof Bolleter im Gespräch mit swissinfo.

“Wir sind nachher überrannt worden von Anfragen, was für eine Kirche wir denn überhaupt seien”, fährt Bolleter fort und führt den internationalen Werdegang von Trajkovski als Beispiel für gelebten Methodismus an.

“Trajkovski war Jurist, aber die Internationalität und die menschliche Bildung erfuhr er durch unsere Kirche. Er reiste sehr viel innerhalb des methodistischen Jugendrats und wurde in den internationalen kirchlichen Strukturen gross. Er hat das auch immer betont.”

Bischof zwischen Belgien und Bulgarien

Trajkovski galt als ausgleichende Konsens-Figur innerhalb Mazedoniens. Als kleine Freikirche praktizieren die den Anglikanern sehr nahe stehenden Methodisten ständig “Konsenspolitik auf religiöser Ebene”, so Bolleter.

“Mein Hintergrund als Schweizer, der mit Konsenspolitik aufgewachsen ist, hilft mir bei meinen vielen örtlichen ‘Trouble Shootings’ oft weiter”, so Bolleter. Die Diözese des Bischofs reicht von Belgien bis Bulgarien, umfasst jedoch nur rund 36’000 Gläubige. Klein, aber aktiv: Laut einem ihrer Leitsätze sollen die Methodisten “den Glauben leben, der durch die Liebe tätig ist” (Galaterbrief).

Seit 1954, als innerhalb der Methodistischen Kirche die “Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa” gegründet wurde, stehen Schweizer Bischöfe dieser aus 14 Nationen und 19 Sprachregionen bestehenden Diözese vor.

Sieben Mal jährlich finden Konferenzen statt, die bischöflichen Synoden entsprechen. Mit grossem Stolz weist Bolleter auf den Zusammenhalt, den diese Synoden herstellen: “Auch während der grossen Auseinandersetzung der Ethnien in Südosteuropa vor zehn Jahren konnten wir eine gemeinsame Synode aller sogenannt ex-jugoslawischen Gemeinden aufrecht erhalten.”

Alte Traditionen – globales Denken

Der Bischof erklärt das durch den Umstand, dass sich Methodisten überall in ein grösseres Ganzes einer Weltkirche eingebunden fühlen. “Sie liessen sich auch nicht in die Kämpfe miteinbeziehen.”

Ebenso stolz zeigt Bischof Bolleter den Besuchern seines Büros in Zürich ein Edikt des letzten türkischen (osmanischen) Sultans und Paschas, der damals gleichzeitig als Oberhaupt aller Muslime galt. Abdul Hamid erlaubte den Methodisten Ende des 19. Jahrhunderts die Seelsorge im damals osmanischen Bulgarien, nicht aber das Missionieren.

Zürich nimmt in dieser kleinen, aber breiten Weltkirche die Funktion einer Drehscheibe für Projekte zwischen Übersee und dem Westen sowie dem (Süd-)Osten Europas ein. In der Schweiz als so genannte Freikirche registriert, finanzieren sich die Methodisten selbst, sind aktiv und nicht überaltert.

Eigenfinanzierung und Kirchenruinen

Die methodistischen Gemeinden in Südosteuropa entwickelten sich schneller als ihre eigenen Finanzierungsquellen, sagt Bolleter.

Deshalb seien die Kirchen dort, wie zu Zeiten des Kommunismus, noch auf die Solidarität der Gemeinden im Westen angewiesen. Ortsgemeinde-Partnerschaften werden von Zürich aus angebahnt, und zwar weltweit.

Als Beispiel führt Bolleter die Kirchenruine in Novi Vrbas an, einer Stadt in Serbien, in der die schon seit Jahrzehnten ansässigen protestantischen Donau-Deutschen eine Riesenkirche gebaut hatten. Doch nach der Vertreibung dieser Bevölkerungsgruppe nach dem zweiten Weltkrieg stand sie leer.

Nun werde sie instandgestellt, mit Hilfe von Geldern der Vertriebenen-Organisationen aus Deutschland und Übersee. Die Stadtverwaltung sei glücklich, das alte historische Gebäude im Zentrum zu erhalten. Und ein Roma-Methodistenpfarrer, also ein Zigeuner, mache beste multikulturelle Arbeit, so Bolleter.

Superintendantin für Serbien

Serbiens kirchliches Establishment wurde jüngst von den Methodisten ziemlich gefordert, als Bischof Bolleter eine Frau zur Superintendantin für Serbien und Montenegro berief. “An die Einsetzung kam nur ein Vertreter der Reformierten in der Vojvodina”, erzählt Bolleter schmunzelnd. “Alle anderen Kirchen blieben stillschweigend fern.” Nur der Staat Serbien selber habe gratuliert.

Zwischen der religiösen Indifferenz Westeuropas und den neu sich formierenden Staatskirchen (Süd-)Osteuropas ist die Konsensfähigkeit der Schweizer Methodisten gefragt. “Die Gleichgültigkeit hierzulande hilft uns nicht sehr, in Südosteuropas religiöser Landschaft ein Profil zu entwickeln”, bedauert Bolleter.

Im Südosten Europas war die Kirche lange unterdrückt und reagiert heute entsprechend aktiv. “Bis fast zum ersten Weltkrieg dominierten die muslimischen Osmanen, und schon bald darauf kamen die Kommunisten. Die Kirchen, und zwar alle, konnten sich so erst seit der Wende wieder füllen”, sagt der Bischof.

swissinfo, Alexander Künzle

Methodistische Gemeinde in der Schweiz: 8000 bekennende Mitglieder, 13’000 Kirchenangehörige, rund 100 aktive Pastoren und Gemeindemitarbeiter

Erste Gemeinde in Lausanne um 1840

“Zentralkonferenz” (Diözese) Mittel- und Südosteuropa: rund 36’000 Kirchenangehörige, davon 6000 in Mazedonien, 3000 in Bulgarien, 1000 in Serbien-Montenegro

Die Methodistische Kirche wurde 1784 in den USA, kurz nach der Unabhängigkeitskriege von England, gegründet.

Die Methodisten sind ökumenisch aktiv und grenzen sich gegenüber anderen Kirchen nicht ab.

In der Schweiz finanzieren sie sich als Freikirche (im Gegensatz zu den Landeskirchen) selbst.

Der “Zentralkonferenz von Mittel- und Südosteuropa” (Diözese), zu der auch die Schweiz gehört, steht zum dritten Mal seit 1954 ein Schweizer Bischof vor.

Heinrich Bolleters Diözese umfasst 14 Nationen und 19 Sprachen.

Zürich dient als Drehscheibe für Projekte, welche die methodistischen Gemeinden aus aller Welt mit jenen in Osteuropa verbinden, zum Beispiel für die Kirchenrenovation in Novi Vrbas, Serbien.

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