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Ein Luftschloss wird zu einem Turm in Afghanistan

Ein Turm, gebaut in der lokalen Tradition, aber mit modernem technischen Know-how. brnic-graf-rossbauer.com

Drei Architektur-Studenten der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich bereiten sich darauf vor, in Afghanistan ein Begegnungs-Zentrum zu bauen.

Ihr Projekt “Polynational” hat den Nachwuchs-Wettbewerb zum Jubiläum “150 Jahre ETH” gewonnen.

Sie sind zwischen 24 und 26 Jahre alt und ihr Interesse ist in diesen Tagen ganz auf Afghanistan gerichtet. Dorthin werden die drei Architektur-Studenten am 15. September reisen und vor Ort den Bau ihres Projektes vorbereiten.

Ivica Brnic, Florian Graf und Wolfgang Rossbauer haben mit “Polynational” den Nachwuchswettbewerb der ETH Zürich gewonnen. Die Preissumme – eine halbe Million Franken – wollen die drei in ein viergeschossiges Turmhaus in Afghanistan investieren.

Die ETH soll so ihr Wissen nachhaltig weitergeben und gleichzeitig von den lokalen Gegebenheiten sowie Bautraditionen lernen.

Nachhaltige Architektur, statt ein Luftschloss

Das grosse Anliegen der drei ist es, dort den wirklichen Bedürfnissen zu entsprechen. Denn, so unterstreicht Florian Graf, das Projekt soll kein architektorisches “L’art pour l’art”-Spiel sein.

Alles begann mit einem Ideenwettbewerb zum Thema “Luftschloss” der ETH zu ihrem 150-jährigen Bestehen im kommenden Jahr. Die Studierenden waren aufgerufen, sich Gedanken über die Zukunft des Bauwesens zu machen.

Das Projektteam von “Polynational” war der Ansicht, dass die ETH sich an ihrem Geburtstag nicht einfach selbst feiern, sondern Engagement zeigen sollte. Deshalb schlug es anstelle eines vorübergehenden Pavillons auf der Polyterrasse ein Bauwerk in Afghanistan vor.

“Der Vorschlag bestand ursprünglich darin, für eine halbe Million einen temporären Pavillon auf der Polyterrasse zu errichten”, sagt Florian Graf gegenüber swissinfo. “Doch wir dachten, das Geld wäre anderswo besser eingesetzt.”

Prinzip Thermoskanne

Nun planen sie in der afghanischen Stadt Bamiyan den Bau eines Begegnungs-Zentrums an der dortigen Universität. Dabei handelt es sich um einen vierstöckigen Turm, gebaut nach afghanischer Tradition, aber mit modernem technischem Know-how.

Das neue, 500 Quadratmeter grosse Gebäude umfasst Arbeitsplätze, eine Bibliothek, einen Computerraum, Cafeteria, Kleinwohnungen und eine Dachterrasse.

Es ist nach dem Prinzip einer Thermoskanne gebaut: Aussen wird eine sich nach oben verjüngende Hülle aus massiven Lehmziegeln gemauert, in die eine Kernkonstruktion aus Stahlbeton gebaut wird. Der Zwischenraum dient der Klimaregulation.

Die ETH-Studenten wollen mit dem Gebäude eine politik- und religionsneutrale Plattform bieten, die den Wissensaustausch zwischen afghanischen und schweizerischen Studierenden ermöglichen soll.

Der Bau kann in Zürich mitverfolgt werden

“Polynational” beinhaltet aber auch einen Zürcher Teil. Auf der Polyterrasse wird während des Jubiläums ein Baugespann errichtet, das die Dimensionen des in Afghanistan entstehenden Baus absteckt.

Im Liftfoyer zur Polyterrasse hin wird ein stoffbespannter Kubus aufgehängt. Dieser wird mit Webcam-Impressionen bespielt, die Einblick in den Stand des Bauprozesses in Afghanistan bieten.

Baubeginn im Frühling, Fertigstellung zum ETH-Fest im Herbst

Läuft alles nach Plan, kann im Frühjahr 2005 mit dem Bau begonnen werden. Der Turm dürfte dann Mitte November, zum 150-jährigen Fest der ETH, fertig gestellt sein.

Das Trio kümmert sich um alle Planungsdetails. Doch die Aufsicht über die Bauarbeiten in Afghanistan übernimmt eine Person mit Kenntnissen der lokalen Gegebenheiten.

“Wir wollen, dass die Bewohner am Projekt aktiv mithelfen. Der Wiederaufbau des Landes ist momentan in der Händen von Ingenieuren, die sich kaum um die Architektur kümmern”, sagt Graf.

swissinfo, Pierre-François Besson
(Adaptiert aus dem Französischen von Alexander Künzle)

2005 feiert die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ) ihr 150-jähriges Bestehen. Vorgesehen sind eine ganze Reihe von Anlässen.

Die ETHZ beschäftigt 18’000 Personen aus 80 Ländern, darunter 350 Professoren in 15 Departementen.

Nicht weniger als 21 Nobelpreise sind mit dieser Hochschule verknüpft.

Bamiyan ist eine Stadt in Afghanistan mit 65’000 Einwohnern.
Im April wurde dort eine neue Universität eingeweiht.
Die Stadt liegt auf 2550 Metern über Meer.
Das Klima ist jenem im Engadin ähnlich.

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