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Ein Topmanager macht Politik

Markus Rauh: Ein Topmanager, der sich einmischt. Keystone

Markus Rauh, ehemaliger Verwaltungsrats-Präsident des Telecom-Anbieters Swisscom, hat sich in einem Leserbrief gegen die Revision des Asylgesetzes ausgesprochen. Seither steht sein Leben Kopf.

Nun wird Rauh am 1. August die symbolträchtige Rede auf dem Rütli halten, der Gründungswiese der Schweiz. swissinfo hat den engagierten Manager in Zürich zum Gespräch getroffen.

swissinfo: Alles begann mit einem kleinen Leserbrief. Warum haben Sie diesen geschrieben?

Markus Rauh: Ich habe die Gelegenheit wahr genommen, am Ende des Jahres Bilanz zu ziehen. In diesem Rahmen sind mir diese Vorkommnisse, die ich dann im Leserbrief beschrieben habe, über die Leber gekrochen. Ich musste das loswerden.

swissinfo: Sie setzen sich nun an vorderster Front gegen die Revision des Asylgesetzes ein. Warum?

M.R.: Diese Revision ist in ihrer Gesamtheit und in ihren vielen Details inakzeptabel: Sie führt uns zum brutalsten und schärfsten Asylgesetz Europas. Und das kann ich nicht vereinbaren mit meiner persönlichen Werthaltung und mit den Traditionen, welche die Schweiz vor allem im humanitären Bereich hat.

swissinfo: Welche Chancen rechnen Sie sich aus?

M.R.: Hätte ich nicht die Gewissheit, dass wir eine faire Chance haben, diese Abstimmung zu gewinnen, würde ich das nicht machen.

swissinfo: Sie sagten, dieser kleine Leserbrief habe Ihr Leben dramatisch verändert. Inwiefern?

M.R.: Ich werde vor allem von der Presse und von allen möglichen Stellen umworben, um an irgendwelchen Veranstaltungen teilzunehmen. Es ist für mich das erste Mal in meinem Leben, dass ich so etwas mache. Ich habe auch gute Freunde verloren, und ich habe viele neue Freunde dazugekriegt.

swissinfo: Haben auch Parteien um Sie geworben?

M.R.: Nein, zum Glück nicht. Das könnten ja nur die Linken sein, und zu denen zähle ich mich nicht. Und für die staatstragende Mitte bin ich eher zum Feind geworden.

swissinfo: Warum werden Sie am 1. August die Rede auf dem Rütli halten?

M.R.: Ich wurde angefragt, umworben. Ich wurde gebeten, diese Rede zu halten, und ich wollte zuerst nicht. Aber meine Familie, meine Kinder haben mich ermutigt, diese einmalige Aufgabe zu übernehmen. Deshalb habe ich zugesagt.

swissinfo: Werden Sie das Asylgesetz auch thematisieren?

M.R.: Die beiden Sachen haben überhaupt nichts miteinander zu tun. Meine Rede am 1. August auf dem Rütli hat einen völlig anderen Hintergrund als mein Engagement gegen das Asylgesetz.

Ich werde auch nur in einem kurzen, persönlichen Statement auf diese Abstimmung eingehen. Ich habe andere Themen, die ich aufnehmen möchte.

swissinfo: Die Reden wurden in den letzten Jahren immer wieder von Rechtsextremen gestört. Was erwarten Sie?

M.R.: Ich weiss nicht, wie diese Feier rauskommt. Ich hoffe sehr, dass es weder ein Hochsicherheits-Gefängnis werden wird auf dem Rütli, noch dass es grosse Krawalle gibt.

Ich möchte weder in die Geschichte eingehen, in einem Hochsicherheits-Umfeld eine Rede gehalten zu haben, noch in unschönen, von der rechten Szene geprägten Krawallen.

swissinfo: Zu Ihrem früheren Job: Sie haben sich als Verwaltungsrats-Präsident der Swisscom für eine mögliche Fusion mit einem anderen Telecom-Anbieter ausgesprochen. Warum?

M.R.: Ich glaube, die Swisscom wird langfristig eine Anlehnung brauchen, wie sie das im Moment schon im Mobilbereich hat. Das kann im Zusammengehen mit andern passieren. Und diese können eben nicht in der Schweiz sein, sondern müssen zwangsläufig im Ausland sein.

Deshalb müssen wir irgendwelche Möglichkeiten finden, um mit Unternehmungen mit ähnlichen Business-Modellen im Ausland zusammen zu gehen. Was das dann für das Besitztum und das Sagen im Unternehmen heisst, muss ausgehandelt werden.

swissinfo: Wie werten Sie die Rolle des Bundesrats in der Diskussion um Privatisierung und Expansion vom letzten Herbst?

M.R.: Da habe ich eine klare Meinung, möchte sie aber an dieser Stelle nicht äussern. Der Bericht der nationalrätlichen Geschäftsprüfungs-Kommission zu diesen Vorfällen spricht das, was ich im Prinzip auch unterstütze, mit klaren und vernichtenden Worten aus.

swissinfo: Das Parlament war sich über die Swisscom-Privatisierung nicht einig. Wie sehen Sie deren Zukunft?

M.R.: Ich gehe davon aus, dass im Moment eine Patt-Situation besteht. Dass die Initiative des Bundesrats bachab geschickt wurde. Und dass man sich nun nicht darüber klar ist, wer die Initiative für weitere Entwicklungen ergreifen soll.

Ich muss aus dieser Patt-Situation schliessen, dass es sicher einige Zeit brauchen wird, bis ein neuer Ansatz kommt. Vielleicht nicht mehr in dieser Legislatur. Für die Swisscom ist diese Unsicherheit während einer so langen Phase sicher nicht positiv.

swissinfo: Welches sind Ihre persönlichen Zukunftspläne? Ziehen Sie sich nun zurück?

M.R.: Von einem Rückzug kann keine Rede sein. Ich habe sicher einen grossen Wechsel vor, indem ich mich vermehrt – wie ich das in der Vergangenheit schon ziemlich intensiv getan habe – kulturellen und sozialen Aufgaben widmen werde.

Ich werde überrannt mit Anfragen von Stiftungen, deren Präsidium ich übernehmen sollte, habe auch schon an gewissen Orten zugesagt. Auch werde ich im professionellen Umfeld, nicht aber bei öffentlich kotierten Gesellschaften, eine Rolle spielen.

swissinfo: Und privat?

M.R.: Ich habe immer viel Zeit für Privates gehabt, bin aktiver Bergsteiger und aktiver Gärtner. Ich werde das auch in Zukunft bleiben.

swissinfo-Interview: Christian Raaflaub

Der 67-jährige St. Galler Maschineningenieur Markus Rauh war von 1997 bis Mai 2006 Verwaltungsrats-Präsident der Swisscom. Davor war er bei Unaxis und Leica.

Am 7. Januar 2006 wurde im St. Galler Tagblatt ein kurzer Leserbrief von Rauh unter dem Titel “Beschämende Jahresbilanz” publiziert. Er schlug ein wie eine Bombe.

Seither engagiert sich Rauh in einem bürgerlichen Komitee gegen das revidierte Asylgesetz, das am 26. September 2006 zusammen mit dem neuen Ausländergesetz zur Abstimmung kommt.

Nach Ansicht des Komitees mit über 100 Persönlichkeiten hilft das Asylgesetz nicht gegen den Missbrauch und droht, elementare Menschenrechte zu verletzen.

Ich schäme mich, in einem Land zu wohnen, wo fünfzehn bewaffnete Polizisten mitten in der Nacht eine Mutter und ihre Kinder aus dem Bett holen, abführen und ausschaffen (…).

Ich schäme mich, in einem reichen Land mit einer humanitären Tradition zu leben, in dem es möglich ist, Abgewiesene, die nicht ausreisen können, als Unmenschen zu behandeln, ihnen keine Hilfe zu geben (…).

Und ich schäme mich vor allem über mich selbst, dass ich diese Zustände einfach hinnehme und nichts dagegen unternommen habe und mich schliesslich mit einem zahmen und hilflosen Leserbrief begnüge.

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