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Ein überraschender und umstrittener Besuch

Jean Ziegler kann als erster UNO-Berichterstatter nach Kuba reisen. Keystone

Zum ersten Mal öffnet Kuba seine Tore für einen UNO-Berichterstatter. Das Regime von Fidel Castro sicherte dem Schweizer Jean Ziegler seine vollständige Zusammenarbeit zu.

Der UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung weilt ab Sonntag für fast zwei Wochen auf der Insel. Ziegler sieht in dem Besuch ein Zeichen der Öffnung Havannas.

Im Juni hatte die kubanische UNO-Botschaft in Genf dem UNO- Hochkommissariat für Menschenrechte einen Brief geschickt und Jean Ziegler zu einem Besuch eingeladen.

Dies geschah eher überraschend, hatte doch die kubanische Regierung einige Tage zuvor im Menschenrechtsrat erreicht, dass der Posten des UNO-Berichterstatters für Menschenrechte auf der Insel abgeschafft wurde. Havanna hatte sich geweigert, die französische Juristin Christine Chanet je zu empfangen.

Zeichen einer Wende?

Jean Ziegler wertet die Einladung als Zeichen für das wachsende Interesse Kubas an einer Zusammenarbeit mit der UNO. Der Wille zur Zusammenarbeit beschränke sich nicht auf seine Person, sondern sei eher ein Zeichen für den Wunsch auf eine aktive Kooperation mit dem UNO-Menschrechtsrat.

“Die Eiszeit ist vorüber, nun beginnt eine Ära der Zusammenarbeit mit der UNO”, glaubt deshalb der Schweizer Soziologe. Die Einladung zeige, dass sich das Regime bewege. Ziegler will den Bericht über seine Kuba-Reise in der kommenden Session des UNO-Menschenrechtsrates vorstellen.

Besuch umstritten

Die Ankündigung der Reise des Schweizer UNO-Vertreters hat heftige Reaktionen ausgelöst. Nichtregierungs-Organisationen werfen dem Genfer vor, mit der Annahme der Einladung das Regime von Castro zu legitimieren.

Die Menschenrechts-Organisation Amnesty International (AI) hingegen begrüsste die Kuba-Reise. Sie sei ein erster Schritt zu einer Aufnahme des Dialoges mit dem UNO-System. “Wir hoffen, dass Kuba weitere Schritte machen und etwa einen UNO-Berichterstatter für die Meinungsfreiheit einladen wird”, sagte Peter Splinter, AI-Vertreter bei der UNO.

Interesse an der Kuba-Reise äusserten auch einige westliche Regierungen. Sogar die USA sollen einen Kontakt zu Jean Ziegler im Vorfeld der Reise gesucht haben.

Warnung vor zu hohen Erwartungen

Bertrand Louis, seit 2004 Botschafter der Schweiz in Havanna, die auch die Interessen der USA in Kuba vertritt, warnt aber vor zu grossen Erwartungen. Im Gegensatz zum Tauwetter zwischen den USA und Nordkorea zeichne sich zwischen Washington und Havanna keine Annäherung ab.

Der Schweizer Diplomat rechnet unter der Regierung von US-Präsident George Bush, die gute Beziehungen zu den Exil-Kubanern pflegt, auch nicht mit einer Änderung.

Nicht mit zwei Ellen

Ziegler legt Wert auf die Tatsache, dass Kuba wie andere Länder kein Recht habe, seinen Bericht zu verändern. Allenfalls könnten Formfehler korrigiert werden.

Über die konkreten Auswirkungen seines Besuches bleibt er vorsichtig. Die Kompetenzen des UNO-Berichterstatters seien begrenzt. Tiefgreifende Veränderungen des kubanischen Regimes seien noch Zukunftsmusik, vor allem auch weil für Washington die Stunde des Dialoges noch nicht gekommen sei.

swissinfo und Blaise Lempen (sda)

Der UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung hat ein fünfjähriges Moratorium für die Produktion von Biotreibstoffen gefordert, auch wenn diese zur Bekämpfung des Klimawandels dienen sollen.

Durch die Verwendung von Pflanzen wie Getreide und Zucker für die Herstellung von Biodiesel würden Grundnahrungsmittel teurer, und mehr Menschen müssten hungern, erklärte Jean Ziegler am Freitag am Sitz der Vereinten Nationen in New York. Die Agrarproduktion müsse dafür eingesetzt werden, den Hunger einzudämmen.

Als Beispiel schilderte Ziegler, dass es 232 Kilogramm Mais bräuchte, um 50 Liter Ethanol zu produzieren. Damit könne ein Kind in Mexiko oder Sambia ein ganzes Jahr ernährt werden.

Jean Ziegler (71) war Professor für Soziologie und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Genf und der Pariser Sorbonne.

Zwischen 1967 und 1983 und zwischen 1987 bis 1999 sass er als Abgeordneter der Sozialdemokratischen Partei (SP) im Nationalrat, der grossen Parlamentskammer.

Seine wiederholten Angriffe auf des schweizerische Bankgeheimnis haben ihm in der Schweiz und im Ausland zu grosser Bekanntheit verholfen. Er gilt auch als scharfer Globalisierungskritiker.

Jean Ziegler ist seit 2000 Sonderberichterstatter der UNO für das Recht auf Nahrung.

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