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Ein vielsagendes Zeichen der Zeit

Keystone

Das "Markenzeichen" Wilhelm Tell ziert in der Schweiz fast alles, vom Bier bis zur Butter. Und viele Restaurants, Apotheken, Garagen und Fernsehstationen ziehen nach.

Aber die schamlose Nutzung Tells und seiner Armbrust ist mehr als nur Marketing – die Sage verkörpert all die Qualitäten, welche die Schweiz anscheinend schweizerisch machen.

Es gibt rund 50 Schweizer Restaurants mit dem Namen des Schützen aus dem 13. Jahrhundert. Dazu gehört auch eines mit einem eindeutig unschweizerischen Touch.

Aber nur wenige von ihnen – und noch weniger der vielen anderen Einrichtungen mit Tell im Namen – haben etwas zu tun mit der Sage. Viele liegen nicht einmal im Gebiet, wo Tell lebte, unweit von Luzern, in der Innerschweiz.

Doch bevor wir irgendjemanden beschuldigen, zu Unrecht vom “Markenzeichen” Tell zu profitieren, müssen wir festhalten, dass Tell für jene Werte steht, die man in der Schweiz als typisch für das Land und damit für seine Waren und Dienstleistungen ansieht.

Präzision und Verlässlichkeit



Diese Qualitäten sind laut Rudolf Horber von der Organisation Swiss Label “Präzision, Verlässlichkeit, Flexibilität, Anpassungsfähigkeit, Innovation und Dienstbereitschaft”.

Swiss Label gibt zugelassenen Firmen die Berechtigung, das Markenzeichen mit der Armbrust auf ihren Waren anzubringen, das anzeigt, dass es sich um in der Schweiz hergestellte Waren handelt oder zumindest um solche, die hier erfunden wurden.

Natürlich gehört das Schweizer Armeemesser dazu, aber ebenso die Babynahrung des Schweizer Multis Nestlé.

Die Armbrust ist ein typisch schweizerisches Symbol, wie Horber ausführt, das weltweit als Zeichen von Qualität gilt.

Hohe Preise

So wurde es bei Schweizer Firmen zu einem begehrten Label, denn damit lässt sich der im Vergleich zur ausländischen Konkurrenz höhere Preis rechtfertigen, den sie meist für ihre Waren verlangen.

“Die Armbrust wird sowohl im Inland als auch im Ausland immer noch stark mit Wilhelm Tell assoziiert. Sie steht für Werte, welche unser Land seit Jahrhunderten repräsentieren.”

Luzern sprang erst vor kurzem auf diesen Zug auf. Es ist die grösste Stadt der Innerschweiz, der Region also, in der die schweizerische Eidgenossenschaft und die Tellgeschichte entstanden sind.

Bei der Einfahrt nach Luzern Autofahrer werden Autofahrer vom Gesicht Tells auf einem Schild begrüsst und finden sich in einer Stadt wieder, die sich ein wenig absurd als “Swiss Made” bezeichnet, als ob sie nichts anderes wäre als eine Art Taschenmesser.

“Die regionale Geschichte, der historisch belegte politische Ursprung der Schweiz bestimmen unser Marketing”, erklärt Mario Lütolf, Chef des Luzerner Tourismusbüros.

“Es ist uns deshalb wichtig, auf die Traditionen hinzuweisen: Luzern/Lucerne – Swiss Made, ohne ein eigentliches ‘Wilhelm Tell-Marketing’ zu betreiben.”

Tell-Bombay

Aber nicht alle finden Tell gut fürs Geschäft. “Es ist einfach ein geläufiger Name für ein Restaurant, wie Rössli, Sternen oder Krone”, so Heinz Schär, Inhaber des Gasthofs Tell im Dorf Bützberg nördlich von Bern.

Als er das Lokal vor sechs Jahren übernahm, wagte er nicht, den Namen auf dem Schild, das seit über 200 Jahren über den Eingang hängt, zu ändern, obwohl er in seinem Restaurant neben schweizerischer auch indische Küche anbietet.

Deshalb beschloss Schär, etwas zu wiederholen, das er schon einmal getan hatte: Er fügte einfach “Bombay” hinzu, um die traditionellen asiatischen Gerichte anzupreisen, die sein indischer Koch zubereitet.

“Bevor wir den Tell übernahmen, hatten wir ein Lokal mit dem Namen ‘Brauerei’, und ich taufte es um in ’Brauerei Bombay’”, erzählt Schär, der in Indien gelebt hat und sich mehr für indische Kultur als für Schweizer Folklore interessiert.

Bilder mit indischen Landschaften zieren die Tischsets im “Tell-Bombay”, und aus der Küche weht ein Duft von Curry.

Aus Respekt vor der Sage wurden in einer Ecknische zwei Statuen des Schweizer Nationalhelden aufgestellt.

“Man kann kein Tell-Restaurant haben ohne einen Tell”, meint Schär sachlich.

swissinfo, Dale Bechtel
(Übertragen aus dem Englischen: Charlotte Egger)

Am meisten Geschäfte mit Tell im Namen sind in den Innerschweizer Kantonen Luzern, Schwyz, Uri und Nidwalden zu finden, dem Geburtsort der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Tell-Sage.

Firmen in der ganzen Schweiz nutzen aber den Namen Tell für die Vermarktung ihrer Produkte und Dienstleistungen.

Tells Armbrust wird seit den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts als Gütezeichen für in der Schweiz hergestellte Waren genutzt.

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