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Eindämmung der Schattenwirtschaft

Schwarzarbeit ist besonders in der Landwirtschaft, dem Bau und in der Gastronomie verbreitet. Keystone

In der Schweiz soll die Schwarzarbeit stärker bekämpft werden. Der Nationalrat hat dazu ein neues Gesetz verabschiedet.

In dem Gesetz wurden Bestimmungen für schärfere Kontrollen und härtere Strafen verankert. Die Vorlage geht nun an den Ständerat, die kleine Kammer.

Genaue und verlässliche Zahlen über die Schwarzarbeit in der Schweiz gibt es nicht. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) schätzt, dass jährlich 37 Mrd. Franken an den Steuerbehörden und den Sozialversicherungen vorbeiverdient werden. Das sind fast 10% des Bruttoinlandprodukts.

Zwischen 1990 und 2002 nahm die Schwarzarbeit gemäss Schätzungen um 75% zu. Besonders verbreitet ist diese Form der Schattenwirtschaft in der Baubranche, in der Landwirtschaft und in der Gastronomie.

Die Meinungen über die Gründe, die zur Schwarzarbeit führen, gehen auseinander. Experten bezeichnen den administrativen Aufwand sowie die Sozialleistungs-Abgaben für Arbeitgeber und die Steuerbelastung für Arbeitnehmer als Hauptgründe.

Schärfere Kontrollen, härtere Strafen

Das neue Gesetz sieht unter anderem vor, die Kontrolle und Sanktionierung fehlbarer Betriebe zu verschärfen und den Datenaustausch zwischen Ämtern im Steuer- und Ausländerbereich zu erleichtern.

Zudem sollen Anreize für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) geschaffen werden, vor allem administrative Erleichterungen, um die Verlockungen der Schwarzarbeit zu mindern.

Die Parteien zeigten sich in der Debatte einig über den Handlungsbedarf im Kampf gegen die Schwarzarbeit. In einigen Punkten gingen die Meinungen jedoch deutlich auseinander. In der Schlussabstimmung wurde die Vorlage schliesslich mit 128 gegen 24 der insgesamt 200 Stimmen überraschend deutlich gutgeheissen.

Grossteil der Schwarzarbeiter sind Schweizer

Die politischen und wirtschaftlichen Kräfte in der Schweiz sind sich darüber einig, dass Schwarzarbeit kein Kavaliersdelikt ist und bekämpft werden muss.

Dennoch hatte es mehr als zwei Jahre gedauert, bis der Gesetzesentwurf der Regierung vom Parlament behandelt wurde. Nach langen Diskussionen konnte sich die vorberatende Wirtschaftskommission des Nationalrates (WAK) auf einen Kompromiss einigen, der sowohl dem linken und auch dem rechten politischen Lager entgegenkommt.

“Der grösste Teil der Schwarzarbeiter sind Schweizer. Die Diskussionen drehen sich aber sehr oft um ausländische Schwarzarbeiter”, hielt Nationalrat und Gewerkschaftspräsident Hugo Fasel vor der Debatte im Gespräch mit swissinfo fest.

In der Kommissions-Arbeit hatte die Linke verhindern wollen, dass das Gesetz gegen Schwarzarbeit auch ein Gesetz gegen die “Sans Papiers” – Menschen, die ohne Aufenthaltsbewilligung und damit illegal in der Schweiz wohnen – wird. Mit ihrem Antrag für eine grosszügige Lösung für diese Menschen kam die linksgrüne Ratshälfte in der Debatte allerdings nicht durch.

Keine “Schnüffel-Einheiten”

Gegenüber der ursprünglichen Version des Bundesrates nimmt der Datenschutz nun grösseren Raum ein als in der bundesrätlichen Version.

Die Linke konnte gemäss Fasel in der Kommission durchsetzen, dass Steuer-Behörden und Sozialversicherungs-Ämter “keine Schnüffel-Einheiten gegen die ‘Sans Papiers’ auf die Beine stellen”. Das heisst, Daten sollen nur bei Zahlungsverweigerung an die Ausländer- und Asylbehörden weitergeleitet werden.

Konkret soll das Gesetz die Behörden nicht verpflichten, abzuklären, ob eine Steuererklärung von einer angemeldeten Person stammt oder nicht. “Damit haben wir die Chance, dass diese Leute nicht mehr im Schwarzmarkt, sondern in einem Graumarkt arbeiten werden”, argumentiert Nationalrat Hugo Fasel.

Weniger Aufwand für kleine Firmen

Dem rechten politischen Lager kommen administrative Vereinfachungen entgegen: Die Sozialabzüge von Arbeitnehmenden mit weniger als 9445 Franken Jahreslohn werden über die AHV-Ausgleichskassen und damit über lediglich eine zentrale Stelle abgerechnet.

Das Einkommen wird pauschal und ohne Steuererklärung besteuert. In den Genuss dieser ursprünglich für Kinderbetreuung, Putz- oder Gartenarbeiten vorgesehenen Erleichterungen kommen Unternehmen, welche weniger als 5 Personen beschäftigen.

Grundsätzlich will das Gesetz erreichen, dass sich Schwarzarbeit in der Schweiz nicht mehr lohnt. Dabei setzt es vor allem auf verstärkte Repression, mehr Kontrollen durch die Kantone und eine engere Zusammenarbeit zwischen den Behörden.

Die Bauern sollen verschont bleiben

Gegen fehlbare Arbeitgeber sind im Wiederholungsfall Bussen von bis zu 1 Mio. Franken und Gefängnisstrafen von bis zu 5 Jahren vorgesehen. Baufirmen, welche “schwerwiegend” illegale Arbeitnehmende beschäftigen, sollen bis zu 5 Jahre von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden.

Abgelehnt hat der Nationalrat eine Bestimmung, Landwirten, die Schwarzarbeiter beschäftigen, die Direktzahlungen zu kürzen oder sogar ganz zu streichen.

Bis heute wird Schwarzarbeit in den meisten Kantonen ausschliesslich passiv verfolgt. Die Behörden schreiten lediglich aufgrund von Anzeigen ein.

Lediglich Symptombekämpfung?

Einzelne Kantone haben jedoch schon vor einiger Zeit begonnen, die Schwarzarbeit mittels aktiven Kontrollen zu bekämpfen. So besuchen im Kanton Zürich Kontrolleure unangemeldet Baustellen und nehmen Stichproben vor. Im Jahr 2003 führte ein Drittel der 1000 Kontrollen auf Baustellen zu Beanstandungen.

Dennoch sind sich die Wirtschafts-Experten nicht einig, ob die Repression gegen die Schwarzarbeit das richtige Mittel ist.

Der liberale Sankt Galler Wirtschafts-Professor Franz Jaeger etwa verweist auf die inzwischen auf 26% gestiegene Sozialleistungs-Quote und bezeichnet die Repression als Symptombekämpfung.

“Da wird an der Oberfläche gekratzt und zuwenig auf die Ursachen eingegangen.”

swissinfo, Andreas Keiser

Mit aktiven Kontrollen, Bussen bis zu 1 Mio. Franken und Gefängnis bis zu 5 Jahren will der Bund der Schwarzarbeit einen Riegel schieben.

Dem Baugewerbe droht der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen.

Die Bauern will der Nationalrat von harten Massnahmen verschonen.

Das Gesetz geht nun in den Ständerat.

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