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Eine spannende Bundesratswahl

Keystone

Die Wahl von Ueli Maurer zum Bundesrat war alles andere als eine klare Sache: Erst im dritten Wahlgang erhielt der neue Chef des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport die meisten Stimmen - eine mehr als Hansjörg Walter.

“Gewählt ist mit 122 Stimmen: Ueli Maurer.”

Im Jubel nach dieser Verkündung ging fast unter, dass der von Links-Grün zum Sprengkandidaten gemachte Hansjörg Walter, Präsident des Schweizerischen Bauernverbands, satte 121 Stimmen erhalten hatte.

Das Resultat war damit so knapp wie nur irgendwie möglich, denn auch das zur Wahl nötige Mehr lag im dritten Wahlgang bei genau 122 Stimmen.

Maurer selber hatte im Vorfeld der Wahl nicht daran geglaubt, als Vertreter seiner Schweizerischen Volkspartei (SVP) in die Landesregierung einziehen zu können, wie er erklärte. Er zeigte sich erfreut und erleichtert.

Beim ersten Treffen mit dem Gesamtbundesrat machte der 58-Jährige mit den Mitgliedern der Regierung aus, das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) von seinem Vorgänger Samuel Schmid zu übernehmen.

Auch Walter betonte, er sei erleichtert, nicht gewählt geworden zu sein. Er hatte bereits vor dem ersten Wahlgang vor der Bundesversammlung erklärt, dass er eine mögliche Wahl nicht annehmen würde.

Offener erster Wahlgang

Trotzdem war er im ersten Wahlgang mit 109 Stimmen klarer Favorit. Maurer erhielt 67 Stimmen und der vor einem Jahr als Bundesrat nicht wiedergewählte Christoph Blocher, quasi zum Abschied, 54 Stimmen.

Chancenlos war der grüne offizielle Kandidat, der Ständerat Luc Recordon, der unter 10 Stimmen blieb.

Er zog daraufhin seine Kandidatur zurück, ebenso wie Christoph Blocher, der dies durch SVP-Fraktionspräsident Caspar Baader verlauten liess.

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Zauberformel

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Zauberformel schlüsselt die sieben Sitze im Bundesrat (Landesregierung) auf die wichtigsten Parteien in der Schweiz nach ihrer Wählerstärke auf. Sie ist eine Usanz und gründet auf keinem Gesetz. Sie respektiert auch das sprachliche Gleichgewicht. Sie kam erstmals 1959 zum Einsatz: Je zwei Sitze erhielten die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP), die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) und die…

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Knapper zweiter Wahlgang

Im zweiten Wahlgang waren also nur noch Maurer und Walter im Rennen. Dabei streifte Walter mit 121 Stimmen ganz knapp das absolute Mehr von 122 Stimmen.

Maurer kam auf 119 Stimmen, andere Kandidaten nur noch auf 2 Stimmen. Die Kommentatoren begannen sich zu fragen, wie Walter wohl auf eine Wahl reagieren würde, ob bei seinem Ausschlagen der Wahl eine Neuwahl angesetzt werden müsste.

Entscheidender dritter Wahlgang

Diese Fragen wurden nach dem dritten Wahlgang überflüssig, in dem sich Ueli Maurer mit einer Stimme Unterschied erstmals vor Hansjörg Walter schieben konnte und damit gleich gewählt wurde.

In seiner ersten Rede nach der Vereidigung vor der Vereinigten Bundesversammlung bekannte er sich zur Konkordanz. Er zeigte sich erfreut, dass mit ihm die Wählerschaft der SVP wieder in die Landesregierung einziehe, betonte er.

Schliesslich versicherte Maurer, zu wissen, was dieses Amt bedeute und was von ihm erwartet werde. Er habe vom Parlament den Auftrag erhalten, in einem Kollegialsystem mitzuarbeiten und Lösungen für “das wunderschöne Land” Schweiz zu finden.

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Konkordanz

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Unter Konkordanz versteht man die unablässige Suche eines Gleichgewichts oder eines Kompromisses sowohl zwischen Parteien wie auch zwischen den verschiedenen sprachlichen, sozialen und politischen Kulturräumen, welche die Schweiz ausmachen. Einer der offensichtlichsten Aspekte des Konkordanzsystems ist die Aufteilung der sieben Bundesrats-Sitze auf die wichtigsten Parteien nach ihrer proportionalen Wählerstärke, unter Respektierung des sprachlichen Gleichgewichts der…

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Unterschiedliche Reaktionen

Die Reaktionen auf Maurers Wahl fielen mehrheitlich verhalten positiv aus. Seine Partei, die SVP, könne jetzt wieder Verantwortung übernehmen, sagte Parteipräsident Toni Brunner im Schweizer Radio.

Allerdings sei die SVP in der Landesregierung nach wie vor untervertreten. Brunner nutzte die Chance gleich, um zu markieren und forderte postwendend einen zweiten SVP-Bundesrat.

Für Luc Recordon steht Maurer nun in der Pflicht: Ein Bundesrat, der nur mit einer Stimme Unterschied gewählt werde, müsse sich erst beweisen, wolle er wieder gewählt werden.

Christian Levrat, Präsident der Sozialdemokratischen Partei, zeigte sich zufrieden über das “Verschwinden von Blocher aus der Politik”. Man wolle nun mit Maurer zusammenarbeiten, aber dabei genau hinschauen.

Der freisinnige Parteichef Fulvio Pelli betonte, das Parlament wolle die SVP in der Regierung haben. Gleichzeitig wünsche es aber eine weniger harte Haltung.

Christophe Darbellay, Präsident der Christlichdemokraten, wertete das knappe Resultat als Denkzettel, dass Strategien mit Erpressungsversuchen nicht funktionierten.

Abschied von Samuel Schmid

Vor der Wahl war der abtretende Bundesrat Samuel Schmid von Nationalrats-Präsidentin Chiara Simoneschi-Cortesi in Italienisch gewürdigt und vom Parlament mit einer Standing Ovation verabschiedet worden.

In seiner Rede hatte sich Schmid gegen die politische Ausgrenzung gewandt und sich für Respekt und Toleranz ausgesprochen. “Polarisierung und Polemik sind keine Rezepte für ein solches Land.”

swissinfo, Christian Raaflaub

Zu Beginn jeder Legislatur wählt das neue Parlament die sieben Mitglieder der Schweizer Regierung. Dabei werden die Amtsinhaber bestätigt. Zur Neuwahl kommt es in der Regel nur nach einem Rücktritt eines Regierungsmitglieds.

In der Geschichte des Bundesstaats wurde erst viermal ein Magistrat nicht mehr wieder gewählt: 1854, 1872, 2003 und 2007.

Vor einem Jahr schaffte Justizminister Christoph Blocher die Wiederwahl nicht mehr. An seiner Stelle trat das damalige SVP-Parteimitglied Eveline Widmer-Schlumpf in die Regierung.

Kündigt ein Bundesrat seinen Rücktritt an, schlägt seine Partei Nachfolge-Kandidaten vor. Meist auf einem Zweierticket, damit das Parlament eine echte Wahl hat. In der Regel schafft einer der beiden Kandidaten den Sprung in den Bundesrat.

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