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Eine Welt, die sich ändert, kommt in Davos zu Wort

André Schneider, seit 1998 beim WEF dabei. (WEF/swiss image)

Das Weltwirtschaftsforum (WEF) will an seinem Jahrestreffen, das am Mittwoch beginnt, vor Führungspersönlichkeiten aus aller Welt die aktuellen Veränderungen zur Sprache bringen.

WEF-Generaldirektor André Schneider macht für swissinfo die Eckdaten des 37. Treffens deutlich.

Schneider ist Leiter der WEF-Aktivitäten. Er stiess 1998 zum Team, nach einer Karriere in der Musikbranche und danach in der Informationstechnologie. Seit 2003 ist er Mitglied des Direktionskomitees.

swissinfo: Zum Auftakt des Jahrestreffens 2007 in Davos spricht das Weltwirtschaftsforum von einer “immer schizophreneren Welt”. Was verstehen Sie darunter?

André Schneider: Einerseits haben viele Leute das Gefühl, dass die Dinge nicht gut laufen. Andererseits sind die Wachstumszahlen weltweit die höchsten seit Jahren. Auch in der Schweiz ist die Arbeitslosenrate praktisch auf dem tiefsten Stand.

Anders gesagt, wir haben den Eindruck, dass gewisse Wahrnehmungen nicht immer der Realität entsprechen.

swissinfo: Aber wenn Sie von Schizophrenie sprechen, heisst das nicht, dass es auf der Welt schlimmer wird? Dass das WEF wenig optimistisch ist?

A.S.: Überhaupt nicht. Ich sehe darin eher eine Feststellung: Bestimmte wirtschaftliche Fakten und Daten stimmen nicht immer mit deren Wahrnehmung durch die Menschen überein.

Das sieht man auch an der Reaktion einiger Regierungen, welche plötzlich den Welthandel bremsen wollen, während genau dieser Handel dem Wachstum zugrunde liegt.

swissinfo: Dieses Jahr werden mehrere Führungspersönlichkeiten aus der israelischen und der palästinensischen Politik (darunter der Präsident der Autonomiebehörde) nach Davos kommen. Ist ein Durchbruch in diesem Dossier zu erwarten?

A.S.: Es ist viel zu früh, um irgendetwas zu erwarten. Für uns ist wichtig, dass wir im Rahmen unseres Jahrestreffens eine informelle und offene Plattform bieten können.

Eine Plattform, die nicht nur den Regierungen offen steht, sondern auch der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft, wo ein Gedankenaustausch über künftige Initiativen möglich wird, so dass diese eine Grundlage erhalten.

swissinfo: Haben Sie zu Beginn dieses Treffens trotzdem eine besondere Erwartung?

A.S.: Wir machen weiter im bisherigen Stil. Wir versuchen zu zeigen, wie ausserordentlich wichtig es ist für alle Akteure, sich nicht auf ihren Bereich zu beschränken.

Insbesondere die Vertreter der Wirtschaft müssen sowohl politisch wie gesellschaftlich ihre Rolle spielen. Dieser allgemeine Gedankenaustausch ist nötig, um wirklich nachhaltige Lösungen für die grossen gegenwärtigen Probleme zu finden.

swissinfo: Das diesjährige Treffen hat den Titel “Verschiebung des Machtgleichgewichts”. Was ist darunter zu verstehen?

A.S.: Zum Beispiel die neue Rolle Asiens, Lateinamerikas und Russlands. Auch die Fragen um die Sicherheit der Energieversorgung. Oder die Verbindung der Notwendigkeit eines weltweiten Wachstums, von dem auch die Bevölkerungen der Entwicklungsländer profitieren, mit der Notwendigkeit eines wirklichen Umweltschutzes.

swissinfo: Die Verschiebung des Schwerpunkts in die Pazifikregion und nach Asien ist eine der grossen gegenwärtigen Entwicklungen. Ist Davos, das mitten in Europa liegt, heute noch der richtige Ort, um die Entscheidungsträger der Welt zusammenzubringen?

A.S.: Sicher. Zwar gibt es diese Schwerpunktverschiebung, doch haben wir hier nach wie vor eine sehr wichtige Wirtschaftsmacht.

Asien hat das Niveau der restlichen Welt noch lange nicht erreicht. Und vergessen wir nicht, dass sich neben Asien auch Lateinamerika und Russland stark entwickeln.

Davos und die Schweiz als neutrales Land sind eine einmalige Plattform für all diese Leute, um sich zu treffen und offene und informelle Gespräche zu führen.

swissinfo: Über 220 Gesprächsrunden, Diskussionen und Workshops zu zahlreichen Themen werden in Davos stattfinden. Wie wählen Sie die Themen aus?

A.S.: Das ist ein langwieriger Prozess, an dem sich alle beteiligen. Zuerst analysieren wir die wichtigsten Resultate der Diskussionen des Vorjahres.

Dann reisen unsere Teams durch die ganze Welt, diskutieren mit unseren Mitgliedern, Partnern, Leuten aus Akademie und Politik, um die neuen Fragen zu identifizieren.

Im Einzelnen ist vor allem Kontinuität wichtig. 2005 haben wir damit begonnen, die grossen Herausforderungen zu definieren, die wir anpacken müssen.

2006 haben wir klar gemacht, dass für eine nachhaltige Entwicklung Kreativität und neue Ideen nötig sind. Und dieses Jahr geht es darum, die gegenwärtigen grossen Veränderungen zu berücksichtigen. Und über diese werden wir sprechen.

Interview swissinfo: Pierre-François Besson
(Übertragung aus dem Französischen: Charlotte Egger)

Das Jahrestreffen des WEF findet vom 24. bis 28. Januar in Davos statt.
An diesem 37. Treffen nehmen 2400 Personen aus 90 Ländern teil, die Hälfte kommt aus der Wirtschaft.
Es werden 24 Staats- und Regierungschefs erwartet, 85 Ministerinnen und Minister, Führungspersönlichkeiten mehrerer internationaler Organisationen und über 480 Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft.
Auch vier Mitglieder der Schweizer Regierung sind mit von der Partie.
Unter dem Titel “Verschiebung des Machtgleichgewichts” werden die Entscheidungsträger über Wirtschaft, Geopolitik, Unternehmertum, Technologie und Gesellschaft diskutieren.

Das World Economic Forum ist eine 1971 von Klaus Schwab in Davos gegründete Stiftung, die zunächst Management Symposium hiess.

Sie hat ihren Sitz in Cologny im Kanton Genf und beschäftigt über 290 Mitarbeitende.

Ihr Jahresbudget, das namentlich durch die Beiträge von rund 1000 Mitgliedsfirmen finanziert wird, beträgt über 100 Mio. Franken.

Das WEF sieht sich als wichtigste Plattform für den weltweiten Dialog von Führungspersönlichkeiten aller Bereiche.

Es organisiert eine Reihe von Symposien in der ganzen Welt, fördert Initiativen und Arbeitsgruppen, führt Studien durch und bietet ein Masterprogramm an.

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