Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Eiskalte Dusche für Schweizer Nati

Geharnischte Kommentare in der Schweizer Presse. swissinfo.ch

Zehn Wochen vor der Euro 08 hat die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft mit dem 0:4 gegen Deutschland in Basel die vierte Niederlage in Serie erlitten. Die Kommentare in der Schweizer Presse sind bitter bis böse.

“Und ihr wollt Europa-Meister werden?”, titelt der “Blick”. Und das Boulevard-Blatt doppelt nach: “Die Blamage! – Wirr, konfus, chancenlos.”

Die “Basler Zeitung” bringt es auf einen kurzen Nenner: “Schweizer abgewatscht.” Ebenso klar die Gratiszeitung “20 Minuten” mit ihrer Schlagzeile: “Deutsche versetzen uns Euro-Dämpfer.”

Die Schlagzeile im Zürcher “Tages-Anzeiger” lautet: “Eine bittere Lektion.” Noch weiter geht die NZZ, die “Neue Zürcher Zeitung”, wo es gross heisst: “Demaskierung im EM-Stadion.”

Missglückte Hauptprobe

“Das ging in die Hosen”, schreibt der “Blick”. Köbi Kuhns Experiment sei daneben gegangen. Die Nati habe sich nicht weiterentwickelt, kommentiert das Blatt. Man müsse von den Deutschen lernen, und das heisse “siegen lernen”.

Für die NZZ hat die Nati “einen Tiefpunkt erreicht”. Kuhn sei nicht gescheiter geworden, habe mit seiner System-Umstellung Schiffbruch erlitten und mit ansehen müssen, wie ihm und seinen Spielern in ihrem EM-Stadion die Hauptprobe vollends missglückte.

“Da passte wenig zusammen”, so die NZZ weiter. “Die Abwehr? Vier Gegentore. Das Mittelfeld? Kein Zusammenhalt. Der Sturm? Keine Durchsetzungskraft. Das System? Gescheitert.”

Eine bittere Lektion

Was ein schöner Abend hätte werden können, sei für die Schweizer Fussballer zu einer Lektion geworden, schreibt die “Basler Zeitung”. Es sei dieselbe Prozedur wie bei jedem Deutschland-Spiel: “Es bleibt dabei – die Schweizer Nationalmannschaft wartet weiterhin seit 1956 auf den ersten Sieg gegen Deutschland”, so die BaZ.

Der Berner “Bund” stellt lakonisch fest: “Deutschland war zu stark” und erinnert daran, dass das 0:4 Debakel der Schweizer Nati in Basel die vierte Niederlage in Serie sei.

Und die Westschweizer Zeitung “Le Temps” doppelt nach: “Et à la fin, c’est l’Allemagne qui gagne…” – “Und am Ende gewinnt immer Deutschland.” Das Blatt fragt sich: “Panik im rot-weissen Haus?” Eigentlich sei es bereits zu spät, sich aufzuregen. Aber: “Was dann? Hoffen.”

Harte Realität

Die “Berner Zeitung” spricht von “überforderten Schweizern”. Es sei keine neue Erkenntnis, aber sie dürfte auch an der EM Gültigkeit haben: “Auf diesem Niveau muss bei den Schweizern praktisch alles passen, um einen Weg zum Erfolg zu finden. In Basel aber stimmte mit Fortdauer der Begegnung rein gar nichts mehr”, so die BZ.

Für die “Neue Luzerner Zeitung” erlitt die Schweizer Nati eine “harte Landung in der Realität”. Und weiter schreibt das Blatt: “Nach der Pause zerfielen die Schweizer in ihre Einzelteile.”

“Angst und Bange”

Das ist der Titel des Kommentars im “Tages-Anzeiger”. Das Blatt erinnert an die kürzlich gemachte Aussage von Alex Frei, nur der Tag X zähle. Alle Zweifel seien unberechtigt, die kritischen Fragen fehl am Platz, der EM-Fahrplan stimme.

“Die Gegenwart sollte aber zumindest Hoffnung für die Zukunft machen, Vertrauen geben. Sie macht es nicht, im Gegenteil. Sie bringt grosse Zweifel, sie stellt nur Fragen – und gar alles in Frage, macht all die schwülstigen Worte von den grossen Zielen an der EM zu einem Hohn”, kommentiert der Tagi. Und schliesst pessimistisch: “Aber allen, die gestern die Schweizer sahen, muss es bange werden um diesen 7. Juni und die EM. In nur 72 Tagen.”

Nichts ist klar

“Die Schweizer haben vor allem in der Abwehr grosse Schwächen gehabt und zu viele Duelle verloren”, sagte Umberto Barberis nach dem Spiel gegenüber swissinfo. Barberis kam in den 70er- und 80er-Jahren insgesamt 54 Mal in der Nati zum Einsatz.

“Wenn man auf diesem Niveau dem Gegner Geschenke macht, geht alles sehr schnell.” Zu viele Spieler hätten unter ihrer Bestform gespielt, und das habe der starke Gegner nicht verziehen.

Die Schweiz sei derzeit auch taktisch nicht auf der Höhe. Die unglücklichen Versuche von Schweizer Coach Köbi Kuhn zeigten, dass in seinem Kopf noch nichts klar sei, meinte der Ex-Nationalspieler.

Verschobene Party

Trotzdem sollte man im Schweizer Team jetzt nicht Hoffnungslosigkeit aufkommen lassen, denn es verbleibe noch genügend Zeit, um die Lücken zu stopfen. “Eine solche Niederlage kann sogar helfen, die Kirche wieder ins Dorf zu stellen”, sagte Barberis.

Ein Fünkchen Hoffnung versprüht auch die NZZ: “Die Party ist verschoben. Auf den Juni, wenn es wärmer ist und die Mannschaft auf der vielbeschworenen Welle der Euphorie reitet. Vielleicht.”

swissinfo, Jean-Michel Berthoud

Die Euro 2008 findet vom 7. bis 29. Juni in der Schweiz und in Österreich statt. Es ist die 13. Ausgabe der Fussball-Europmeisterschaft.

Die Schweiz konnte bisher an acht Fussball-Welmeisterschaften teilnehmen, aber die Euro 08 ist erst die dritte Europameisterschaft, an der die Schweizer Nati vertreten ist.

Diesmal ist die Schweiz als Gastgeberland der EM automatisch qualifiziert, ebenso Österreich.

In den letzten Testspielen vor der Euro gewann die Schweiz gegen Holland (2:1) und Kolumbien (3:1). Sie verlor gegen England (1:2), Japan (3:4), USA (0:1) und Nigeria (1:2).

In 50 Spielen hat die Schweiz gegen Deutschland 36 Mal verloren, 8 Siege und 6 Unentschieden erzielt.

1956 hat die Schweiz gegen Deutschland zum letzten Mal gesiegt.

Die letzten Partien gegen Deutschland verlor die Schweizer Nati – bereits unter der Leitung von Köbi Kuhn – im Jahr 2004 in Basel (0:2) und letztes Jahr in Düsseldorf (1:3).

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft