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Emissions-Reduktion im Zentrum des Klimagipfels

Beobachter bezweifeln, dass es dem Klimakiller CO2 in Cancún an den Kragen geht. Ex-press

An der Klimakonferenz der Vereinten Nationen, die Ende November im mexikanischen Cancún beginnt, gehöre die Reduktion der Emissionen zuoberst auf die Agenda. Dies fordert der Schweizer Klimaexperte Fortunat Joos im Interview.

Politiker seien immer noch nicht willens, das Problem anzupacken. Derweil steige die Konzentration von klimaschädigendem CO2 (Kohlendioxid) in der Erdatmosphäre weiter an und verbleibe dort für Hunderte von Jahren, sagt Fortunat Joos, Leiter des Oeschger-Zentrums an der Universität Bern, einem der führenden Institute für die Erforschung des Klimawandels.

Laut dem Schweizer bietet der Klimagipfel die Gelegenheit, einen Gang höher zu schalten. Vom 29. November bis 10. Dezember werden die Konferenzteilnehmer über Massnahmen beraten, welche den Treibhauseffekt eindämmen sollen. Im Vordergrund stehen zudem die Finanzierung dieser Massnahmen sowie die Fortführung des Protokolls von Kyoto.

swissinfo.ch: Wo liegen heute die Haupthindernisse für einen wirksamen Kampf gegen die Klimaerwärmung?

Fortunat Joos: Erforderlich ist eine starke Verminderung der Emissionen fossiler Brennstoffe, und das sofort. Dazu scheint es aber am Willen von Politikern und Bevölkerung zu mangeln.

Einige der grössten Parteien lehnen sämtliche Initiativen in dieser Richtung ab oder negieren überhaupt die Existenz des Klimaproblems. Lobby-Organisationen scheinen sehr erfolgreich darin zu sein, die öffentliche Meinung zu verwirren.

Dazu kommt eine menschliche Komponente, denn es ist sehr schwer, die Gewohnheiten zu ändern.

swissinfo.ch: Ist der Klimawandel seitens der Wissenschaften genügend erforscht?

F.J.: Es gibt grundlegende Fakten, die seit Jahrzehnten, wenn nicht gar seit Jahrhunderten bekannt sind. Aber die Klimasysteme der Erde sind äusserst komplex.

Wir müssen immer noch sehr viel lernen über Zusammenhänge und Wechselwirkungen innerhalb des globalen Systems. Etwa die Auswirkungen der Klimaerwärmung auf den Säuregehalt der Ozeane.

Die Menschen sind sehr daran interessiert, wie sich der Klimawandel auf ihre direkte Umgebung auswirkt, in der sie leben. Weil wir immer noch Probleme haben, genaue Antworten zu liefern, besteht hier noch ein grosser Forschungsbedarf.

swissinfo.ch: Die Schweiz betreibt ein nationales Programm zur Erforschung des Klimawandels und verfügt über zwei neu aufgebaute Forschungszentren. Ist sie damit gut aufgestellt, um im Bereich der interdisziplinären Forschung eine führende Rolle zu spielen?

F.J.: Die Erforschung des Klimawandel ist eine traditionelle Stärke der Schweiz. Wir beteiligen uns an internationalen Projekten, sowohl was Planung wie auch die Durchführung betrifft.

Was die Qualität der Forschungsarbeit in der Schweiz betrifft, verfügen wir über einen sehr hohen Level.

Aber wir müssen vorsichtig sein. Das nationale Forschungsprogramm läuft 2013 aus, und es gibt leider keine Pläne für eine Fortsetzung. Das ist beunruhigend:

Wir haben zwei Klimaforschungs-Schwergewichte, eines in Zürich und eines in Bern. Ihre Arbeiten müssen koordiniert werden, um die Klimaforschung voranzubringen.

swissinfo.ch: Glauben Sie an den Erfolg der UNO-Klimaprogramme?

F.J.: Selbstverständlich. Es gibt Hinweise für Schritte in die richtige Richtung. Auch wächst das Bewusstsein, dass die Lösung der Klimaprobleme auch eine Chance sein kann.

swissinfo.ch: Haben wir noch viel Zeit dazu?

F.J.: Wir müssen sehr rasch handeln, denn das Klimasystem verfügt über eine sehr grosse innere Trägheit.

Von jedem Kilogramm CO2, das wir heute ausstossen, sind in Tausend Jahren noch 200 Gramm vorhanden. Eine Umkehr tut not, und das sehr rasch.

swissinfo.ch: Im Zentrum der Diskussionen in Cancún stehen eine gemeinsame, langfristige Vision, die Reduktion von Treibhausgasen, Anpassungen an den Wandel, die Finanzierung von Massnahmen sowie die Zukunft nach Kyoto. Ist dies das richtige Paket?

F.J.: Auf internationaler Ebene am Dringendsten ist die Durchsetzung von Massnahmen, um den Ausstoss von CO2 und weiteren Treibhausgasen zu reduzieren. Dazu bedarf es verbindlicher Ziele.

Selbstverständlich braucht es die gemeinsame Vision, um die Reduktionsziele auf globaler Ebene zu erreichen.

Es braucht auch die finanziellen Mittel, damit weniger entwickelte Länder einerseits Massnahmen ergreifen und sich andererseits an die Folgen des Klimawandels anpassen können.

Ich hoffe, dass die Reduktionsziele rechtzeitig in den Vordergrund rücken. Trotzdem bin ich skeptisch, dass Cancún konkrete Ergebnisse zeitigt.

Verschiedene Teilnehmer wollen bis zur letzten Minute warten, bis sie ein neues Abkommen unterzeichnen. Das Protokoll von Kyoto ist noch bis 2012 in Kraft.

Beobachter gehen davon aus, dass der Gipfel von Cancún keinen Durchbruch im Kampf gegen die Klimaerwärmung bringen wird.

Das Kyoto-Protokoll als wichtigstes Instrument der UNO zur Eindämmung von Treibhausgasen läuft Ende 2012 aus.

Letztes Jahr scheiterte der Gipfel von Kopenhagen über die Reduktionsziele reicher Länder nach Kyoto.

Immerhin einigten sich die Vertreter über 120 Länder auf die Begrenzung des Anstiegs der globalen Durchschnittstemperatur auf unter zwei Grad.

Betreffend Massnahmen gab es hingegen keine Einigung.

Der schleppende Fortgang der UNO-Bemühungen nähren Spekulationen, dass sich die Teilnehmer des aktuellen G20-Gipfels in Südkorea auf Klimaziele einigten.

Gleiches gilt auch für das Major Economies Forum (MEF) zu Energie und Klima.

Die UNO und kleine Länder, die am stärksten unter den Folgen des Klimawandels leiden, stehen dieser von den USA angeführten Zusammenschluss starker Wirtschaftsmächte entgegen.

Joos ist Präsident des Oeschger-Centers, dem Institut der Universität Bern zur Erforschung des Klimawandels.

Er ist Professor am Institut für Klima- und Umweltphysik der Uni Bern und ist am Nationalen Forschungsprogramm über den Klimawandel beteiligt.

Joos war auch Vizepräsident einer Arbeitsgruppe des Weltklimarats, der zwischenstaatlichen Sachverständigengruppe über den Klimawandel (IPCC).

(Übertragung aus dem Englischen: Renat Künzi)

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