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Enge Räume, weitreichender Einfluss

Ein Garten mitten in Herzen von Rom: Während der Pause ist alles in Bewegung. swissinfo.ch

Enge Räumlichkeiten, tiefe Entlöhnung und ständiger Kampf um Finanzquellen: Dennoch geht es an der Schweizerschule im Rom oft heiter und fröhlich zu.

Es ist der 20. Juni. Fulvio, der Pförtner, hat die Tore geschlossen. Ferien. Bis ans Sommerende keine schreienden Kinder mehr im Hof der Via Malpighi 14. Und die Schule wird wieder zur 100-jährigen Villa im toskanischen Stil, zwischen Palmen im Römer Porta Pia-Quartier.

Doch die Ruhe trügt. Hinter den Kulissen geht die Arbeit weiter. Vom 2. bis zum 4. Juli treffen sich die Verantwortlichen der Schweizerschulen in Bern. Dann wird über Didaktik debattiert, und – vor allem – über die Finanzierung.

Für Paul Müller ein vertrautes Thema. Der Direktor der Schweizer Schule in Rom sagt zu swissinfo: “Finanziell gesehen funktioniert die Schule.” Doch in der Schule in Rom, wo die Lebenskosten kaum günstiger sind als in der Schweiz, liege man mit der Höhe der Lehrersaläre im kritischen Bereich.

Die Lehrkräfte an seiner Schule verdienten bis zu einem Drittel weniger als in der Schweiz. Doch arbeite er nicht 30 Prozent weniger, sondern 30 Prozent mehr.

Das sieht man auch zur Mittagszeit: Einige Lehrer helfen in der Mensa aus. Sie verteilen Teller mit Pasta an die Horde hungriger Kinder. Der Raum ist farbenfroh, doch er ist halbwegs in den Keller gebaut, mit wenig Tageslicht.

Hier irgendwo hinter den Mauern soll sich ein Zugang zu den Katakomben befinden, den ehemalige Schüler auch benutzt hätten. Ja, man sagt sogar, es habe sich um einen geheimen Zugang gehandelt, von dem aus die benachbarte Villa Torlonia, ehemalige Residenz von Mussolini, zu erreichen wäre.

Doch diese Geheimgänge sind schon seit geraumer Zeit geschlossen. Und was den Untergrund der Schule betrifft, hat Paul Müller ganz anderes in petto. “Wir haben ein ständiges Raumdefizit. Auch stellten wir Gesuche nach Raumvergrösserungen. Wir hätten dann ein Labor, und mehr Platz für Küche und Mensa.”

Besser als die anderen Schulen im Quartier

Doch die engen Schulräume lassen sich nicht vergrössern. “In einer alten Villa können wir kaum je die Standards von schweizerischen Schulgebäuden erreichen”, gibt Müller zu. “Da können wir nicht mithalten. Aber im Vergleich mit den anderen Schulen im Quartier schon. Unsere Schulinfrastruktur liegt über dem Durchschnitt, und unser Informatik-Raum funktioniert.”

Die Kinder scheint die Enge nicht sonderlich zu stören. “Mir gefällt es hier”, sagt ein Mädchen in der Pause. Alle Klassenkameradinnen stimmen zu. “Darauf bin ich besonders stolz”, sagt Müller. “Es herrscht eine offene und heitere Atmosphäre hier. Diese bleibt, auch wenn es traurige Momente gibt oder Streit aufkommt.”

Die Kinder sind glücklich, in einer Privatschule zu sein, und geben sich überraschend normal: Viele neutrale T-Shirts, wenig Marken-Kleidung. “Das ist ein Teil unserer Geschichte”, erklärt Müller. “Wir waren nie eine Schule für Reiche und Aristokraten, sondern spiegeln die Schweizer Wirklichkeit.”

Auch für den italienischen Mittelschul-Abschluss gedacht

Die Schule wird nicht nur von Schweizer Kindern besucht. Auch Italiener oder Diplomaten, die die mehrsprachige Erziehung schätzen, schicken ihre Kinder dorthin. “Unterrichtssprache ist hauptsächlich Deutsch”, so Müller.

“Doch im Unterschied zu anderen internationalen Schulen geben wir uns Mühe, unsere schweizerischen Lehrziele mit den wichtigsten Zielen des italienischen Schulsystems in Übereinstimmung zu bringen.”

Die Schweizerschule sei die einzige, die ihre Schüler auch für den italienischen Mittelschulabschluss vorbereitet. Das erlaube es den Absolventen, ihre Studien sowohl in der Schweiz als auch in Italien zu absolvieren.

Deutsch und Italienisch lernen die Kinder der Schweizerschule schon im Kindergarten. Englisch und Französisch kommen später in der Schule dazu. “Viele Eltern entscheiden sich für uns”, so Müller, “weil Vielsprachigkeit heute ein Vorteil ist.”

Dem italienischen Schulsystem entfliehen

Es gebe auch Eltern, die froh seien, dem italienischen Schulsystem zu entkommen, oder “glücklich sind über die Blockzeiten inklusive den Mahlzeiten.”

Denjenigen in der Schweiz, die den Umstand kritisieren, dass der Bund Schulen im Ausland mitfinanziert, möchte Müller entgegen halten, dass dies ein äusserst effektives Imageelement der Schweiz im Ausland darstelle.

Viele nichtschweizerische Eltern von Kindern, die die Schule besuchen, besuchen in den Ferien oft auch die Schweiz selbst. “Das alles geht wirklich über die üblichen Imageträger Schokolade, Kühe und Uhren hinaus”, so der Direktor.

Es gehe auch um die schweizerische Art, Wissen zu vermitteln, Konflikte zu lösen, demokratisch die Eltern der Schulkinder miteinzubeziehen. “Bedenkt man, wieviele Leute in den vergangenen 60 Jahren mit der Schweizer Schule in Kontakt gekommen sind, so wäre es abwegig zu behaupten, wir hätten keinen wirklichen Einfluss hinterlassen.”

Wir verbreiten seit Jahrzehnten Schweizer Denkweisen, Inhalte und Methoden. Dazu kommt der Umstand, so Müller, dass ein hoher Anteil der Absolventen später internationale Karrieren einschlägt. “Dies erhöht den Imageeffekt unserer Schulen noch zusätzlich.”

swissinfo, Doris Lucini, Rom
(Übertragung aus dem Italienischen: Alexander Künzle)

• Zweisprachige Schule Rom
• Stufen: Kindergarten, Primarstufe (2 Parallelklassen), Sekundarstufe (2 Parallelklassen) und Wirtschafts-Mittelschule (1 Klasse).
• Die Schule arbeitet gemäss den Lehrplänen des Patronatkantons St. Gallen.
• Sie vergibt Schweizer Schuldiplome, bereitet aber auch auf italienische Abschlüsse vor.
• Zwischen dem Kindergarten und der Primarschule ist eine so genannte Basisstufe eingeführt worden. Diese hilft, je nach Kind den geeigneten Einschulungstermin zu finden (4- bis 8-jährig).
• 2007 arbeiteten in der Schule in Rom 47 Lehrkräfte. Eingeschrieben waren 478 Schülerinnen und Schüler.
• Die Jahresgebühr beträgt zwischen 3500 und 4000 Euro für Schweizer Bürger und 5000 bis 6000 Euro für Nicht-Schweizer. Grund der Preisdifferenz: Die Schule erhält für Schweizer Bürger Bundesbeiträge.

Zur Zeit existieren 17 anerkannte Schweizerschulen. Insgesamt bilden sie rund 6700 Schülerinnen und Schüler aus.

Für 2008 hat das Parlament gegen die Ansicht des Bundesrates einen Kredit von 20 Mio. Franken gesprochen (2007: 16,7 Mio. Fr.)

In den vergangenen Jahren mussten die Schulen Einsparungen über sich ergehen lassen. Zwischen 2004 und 2007 minus 12%. Dies führte zu Lohnkürzungen bei der Lehrerschaft, zu höheren Schulgebühren und zu einem Aufschub von nötigen Investitionen.

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