Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Ohne Supernova in der Nähe wäre die Erde ein Ozeanplanet

Trockener Planet (links) und Ozeanplanet (rechts)
Links ein Planet, der unserer Erde gleicht und durch Aluminium 26 erhitzt wurde. Rechts der gleiche Planet ohne diese Hitzequelle. Er wäre komplett von einem Ozean überzogen, der mehrere hundert, wenn nicht mehrere tausend Kilometer tief wäre. ©Thibaut Roger

Hat eine kosmische Katastrophe dazu beigetragen, unseren Planeten bewohnbar zu machen? Junge Schweizer, deutsche und amerikanische Forschende haben ein solches Szenario ausgearbeitet. Es geht dabei um Aluminium 26, eine Urgaswolke, den Wasserhaushalt einer im Entstehen begriffenen Welt und eine Supernova.

Um was geht es?

“Gesteinsplanet vor Gebrauch bitte trocknen”: Dies ist der vereinfachte Titel der PublikationExterner Link, die im Februar 2019 im Fachblatt Nature AstronomyExterner Link publiziert wurde. In Fachsprache heisst die Abhandlung “Eine Wasserhaushalts-Dichotomie von felsigen Protoplaneten durch 26Al-Erhitzung”.

Autoren sind Tim Lichtenberg, damals Doktorand an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) und heute Postdoktorand in Oxford sowie ein Professor und fünf weitere Kollegen aus Bern, Zürich, Bayreuth (Deutschland) und Ann Arbor (Michigan, USA).

Verfügt die Erde über viel Wasser? Vom Weltall aus gesehen, gibt es darauf nur eine Antwort. Weshalb wohl haben die Ozeane, die mehr als zwei Drittel der Erdoberfläche bedecken, ihr den Namen “Blauer Planet” beschert?

Doch der Schein trügt, wie die folgende Illustration zeigt: Wenn man alles Wasser der Erde – Meere, Seen, Flüsse, Gletscher, Polkappen und Grundwasser – in einen einzigen Tropfen zusammenschütten würde, wäre dieser lediglich so gross, dass er etwas mehr als Frankreich oder einen US-Bundesstaat wie Texas bedecken würde.

Alles Wasser der Erde in einem Tropfen (Grössenvergleich)
Unsere Erde ist eigentlich ein brauner Planet, der sich in Blau verkleidet. Das gesamte Wasser der Erde misst knapp 1,4 Milliarden Kubikkilometer, nur 0,023% der gesamten Erdmasse. Und von diesem riesigen Wassertropf sich lediglich 2,5% Trinkwasser. © Howard Perlman, USGS, Jack Cook, Woods Hole Oceanographic Institution, Adam Nieman

Es ist daher verständlich, dass die Astrophysiker unseren Planeten als “trocken” beschreiben. Und zum Glück für uns ist er das…

26Al vs. H2O

Warum aber ist die Erde relativ trocken? Um dies zu verstehen, müssen wir die Zeit um rund 4,6 Milliarden Jahre zurückdrehen. Damals ist unser Sonnensystem noch eine riesige und kalte Gas- und Staubwolke, die sich langsam zu verdichten und um sich selber zu drehen beginnt.

Durch die Gravitationskraft sammelt sich der Grossteil der Masse im Zentrum der Galaxie, wo sie zur Sonne wird, während sich die Rückstände an der Peripherie zu Planeten, Asteroiden und Kometen verdichten.

In dieser Urgaswolke hat es viel Wasser, das in Form von Eiskristallen vorhanden ist. H2O, eines der einfachsten Moleküle, ist auch eines der am häufigsten vorkommenden im Universum.

Es gibt dort aber auch Aluminium 26, ein Aluminium-IsotopExterner Link, das die Chemiker als 26AlExterner Link bezeichnen. Dieses ist radioaktiv, weshalb es langsam zerfällt und dabei viel Hitze abgibt. Angesichts dieser Hitze und der sich langsam entflammenden Sonne hat das H2O nur eine geringe Chance.

Einige Millionen Jahre später, als sich die Planeten formen, haben die vier Gesteinsplaneten Merkur, Venus, Erde und Mars ihre ursprünglichen Wasservorkommen fast vollständig verdampft.

Doch das Wasser ist nicht vollständig aus dem Sonnensystem verschwunden: Weiter entfernt von der Sonne, wo ihre Strahlung weniger heiss ist, und mit dem fortschreitenden Zerfall von 26Al, gibt es auf den Riesenplaneten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun sowie auf den Kometen und Asteroiden noch viel Wasser.

Indem diese unablässig Wasser abgeben, kommt die noch karge Erde zu etwas mehr Flüssigem. Gerade zu so viel, dass unser Planet heute aus der Entfernung in Blau leuchtet und die Landmassen daraus hervorschauen.

Wie entstand unser Sonnensystem?

Externer Inhalt

Jahrelange Berechnungen

Das alles ist bekannt und gut dokumentiert. “Heute ist das 26Al fast vollständig zerfallen. Aber auf Meteoriten finden wir noch seine Zerfallsprodukte”, sagt der Schweizer Astronom und Astrophysiker Tim Lichtenberg.

“Unsere ursprüngliche Idee war, dass sich der Wasserreichtum der Gesteinsbrocken in einem entstehenden Sonnensystem, das mit Aluminium 26 angereichert wird, verändert. Weil aus diesen Gesteinsbrocken schliesslich Planeten entstehen, verändert sich auch der Wasserreichtum dieser Planeten.”

“PlanetS”

Die Arbeit von Lichtenberg und seiner Kollegen fand im Rahmen des Nationalfonds-Projekts “PlanetS”Externer Link statt. Seit 1995 und der Entdeckung des ersten Exoplaneten durch zwei Schweizer Forscher wurden viele Fortschritte beim Verständnis der Entstehung von Planetensystemen gemacht.

Das Projekt brachte bereits über 200 wissenschaftliche Publikationen hervor, und es wird für die Auswertung der Daten des Schweizer Weltraumteleskops Cheops verantwortlich sein, das im Herbst dieses Jahres nach mehreren Verzögerungen gestartet werden soll.

Während Jahren simulierten der junge Doktorand und seine Kollegen die Entstehung von tausenden Planeten aus verschiedenen Materialen. Sie kamen zum Schluss, dass durchschnittliche Planeten (zwei- bis viermal so gross wie die Erde) ohne die Zufuhr von 26Al grösstenteils OzeanplanetenExterner Link geworden wären. Solche Welten ohne sichtbare Landmassen scheinen in der Galaxie reichlich vorhanden zu sein: Rund ein Drittel der bisher identifizierten 4000 Exoplaneten sind Ozeanplaneten.

Geschenk eines Riesenplaneten

Aber woher kommt 26Al, jenes radioaktive Metall, das Planeten austrocknet? “Man weiss, dass es in den riesigen Sternen viel davon hat. Es könnte daher aus der Explosion einer Supernova in der Nähe unseres Sonnensystems stammen. Diese Idee wird in der Astronomie-Community noch diskutiert. Eine weitere Erklärung könnte sein, dass das Aluminium durch Winde eines Riesensterns vor dessen Explosion verteilt wurde, wenn der Druck derart stark wird, dass er platzt”, sagt Lichtenberg.

Sicher scheint, dass die Erde ganz anders wäre ohne die Nähe (15 bis 30 Lichtjahre) eines Riesensterns, der gestorben oder explodiert ist – in einer gewaltigen Katastrophe jenseits unserer Vorstellungskraft.

“Die Erde könnte aus bis zu 30% aus Wasser bestehen. Ihr Radius wäre durch das Wasser um 15% grösser, und die Oberfläche wäre ein einziger Ozean, der mehrere tausend Kilometer tief ist. Unter diesem Druck würden die tiefsten Schichten aus Eis bestehen”, sagt Christoph Mordasini, Professor am Center for Space and HabitabilityExterner Link der Universität Bern und Ko-Autor der Studie.

Unter solchen Bedingungen gäbe es keine Chance, dass ein Leben entsteht, wie wir es kennen. Schon allein deshalb, weil das Eis in den Tiefen des Ozeans vulkanische Gase blockieren würde. Diese haben massgeblich zur Sauerstoffversorgung unserer Atmosphäre und zur Stabilisierung unseres Klimas beigetragen.

Explosion einer Supernova

Externer Inhalt

Wissenschaftliche Vorsicht

Laut Lichtenberg und seinen Kollegen sollte Aluminium 26 deshalb eine wichtige Rolle bei der Entstehung von bewohnbaren Planeten spielen. Doch liefern die Forscher damit nicht ein weiteres Argument für jene, die der Meinung sind, es brauche derart viele Bedingungen für die Entstehung von Leben, dass dieses nur äusserst selten im Universum vorkommen könne? “Tatsächlich ist das ein Argument in die Richtung, die ein gleiches Szenario wie bei uns auf einer anderen Erde eher unwahrscheinlich erscheinen lässt”, gibt Mordasini zu.

Lichtenberg hingegen will sich nicht festlegen: “Klar, man realisiert immer mehr, dass Planeten wie die Erde sehr selten sein müssen. Aber Leben? Das hängt von unserer Sichtweise ab…” Ist der Postdoktorand optimistisch oder eher pessimistisch hinsichtlich der Möglichkeit, eines Tages irgendeine Art von ausserirdischem Leben zu entdecken? “Es wäre gefährlich, darauf zu antworten. Alles, was ich sagen kann, ist: Die Frage ist es wert, gestellt zu werden”, weicht er als guter Wissenschaftler aus.

Das Berner Modell

Für ihre Berechnungen nutzten die Forschenden um Tim Lichtenberg das “Berner Modell” zur Bildung von Planetensystemen. Dieses wurde an der Universität Bern entwickelt und ist heute von Forschern auf der ganzen Welt weitgehend akzeptiert.

Dieses Modell nutzt das Maximum an bekannten Parametern, um vorherzusagen, wie ein Stern und seine Planeten aussehen werden, basierend auf den Eigenschaften der Wolke, aus der sie gebildet werden.

Daraus kann man im Wesentlichen zwei Dinge lernen:

– Die Vielfalt der Ausgangsbedingungen erklärt die Vielfalt der bisher bekannten Planetensysteme.

– Je mehr Staub in einer Urwolke ist, desto grösser wird die Masse der Planeten sein.

(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft