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EU-Kommission erwägt Staatsanwaltschaft gegen Betrug

BRÜSSEL (awp international) – Die EU-Kommission will härter gegen Betrug bei EU-Mitteln vorgehen. Dafür erwägt sie den Aufbau einer europäischen Staatsanwaltschaft. Nach einem Vorschlag der Kommission sollen die 27 Staaten die Strafen für Betrugsdelikte angleichen.
Staatsanwälte und Gerichte sollen Betrug und Korruption im Zusammenhang mit Mitteln aus dem EU-Haushalt besser verfolgen und zusammenarbeiten. Für den Fall, dass die Staaten nicht kooperieren, droht Brüssel mit einer eigenen, europäischen Staatsanwaltschaft, um den Tätern auf die Schliche zu kommen.
“Straftaten gegen den EU-Haushalt sind Straftaten gegen den europäischen Steuerzahler”, sagte EU-Justizkommissarin Viviane Reding am Donnerstag in Brüssel. “In Zeiten knapper Haushalte zählt jeder Cent.”
Eine solche Ermittlungsbehörde wäre ein Novum in der EU. Der Vertrag von Lissabon sieht in Artikel 86 eine solche Staatsanwaltschaft aber ausdrücklich vor. Dem Vorschlag müssen die 27 EU-Staaten und das Europaparlament zustimmen.
Nach Angaben der EU-Behörde gingen dem EU-Haushalt durch Betrügereien allein im Jahre 2009 rund 280 Millionen Euro verloren. Kriminelle erschlichen sich Geld aus EU-Fonds, umgingen den Zoll oder betrogen bei der Abrechnung der Mehrwertsteuer. Gut jeder zweite Fall bleibe ungestraft, kritisierte die Kommission. Häufig stellten nationale Strafverfolgungsbehörden die von der EU-Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf angestossenen Verfahren ein.
Als Basis für eine europäische Staatsanwaltschaft könnte die Justizbehörde Eurojust dienen, die bislang auf europäische Ebene grenzüberschreitende Strafverfahren koordiniert, aber nicht selbst ermitteln darf. Auch Olaf müsse gestärkt werden, so die Kommission. Was in einem Staat als Unterschlagung gelte, sei woanders nur eine Bagatelle – darum müssten die Staaten die Definitionen von Straftaten wie Veruntreuung oder Amtsmissbrauch angleichen. Auch das Strafmass müsse gleich sein.
Der Bund der Steuerzahler begrüsste den Vorstoss aus Brüssel. Allerdings müssten Parallelstrukturen und zu viel Bürokratie vermieden werden. “Mehr Personal und mehr Regeln bedeuten nicht automatisch mehr Kontrolle und mehr Wirksamkeit”, erklärte der Präsident des europäischen Steuerzahlerbundes (TAE), Rolf von Hohenhau, in einer Mitteilung./mt/DP/fn

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