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EU-Milliarden an Griechenland nötig, aber gefährlich

Nicht Premier George Papandreou, sondern die jungen Griechen zahlen den Hauptpreis der Krise. Reuters

Am Sonntagabend gaben die Europäische Union (EU) und der Internationale Währungsfonds 110 Mrd. Euro für Griechenland frei. Dies wecke Hoffnungen weiterer tief verschuldeter EU-Länder auf Rettung aus Brüssel, warnt die Schweizer Presse.

“Die Union haftet nicht für Verbindlichkeiten der Zentralregierungen (…)”, ruft die Neue Zürcher Zeitung eine Brüsseler Regel in Erinnerung. Die versprochene Hilfe sei ein Verstoss gegen den Vertrag über die Arbeitsweise der EU.

“Nun ist die Gefahr eines ‘moral hazard’ in der Euro-Zone gewachsen”, schreibt die NZZ in Anspielung auf das ebenfalls in Schulden versinkende Portugal.

Die NZZ vermisst, dass Umschuldung oder Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone von Brüssel nicht ernsthaft geprüft worden seien.

Massnahmen ungenügend

Auch die Genfer Zeitung Le Temps hätte es lieber gesehen, wenn Brüssel zu anderen Mitteln gegriffen hätte. “Eine Umschuldung, selbstverständlich verbunden mit strengen Auflagen, hätte es Griechenland erlaubt, weiter den Weg des Wachstums zu gehen.”

Zweifellos ermögliche die Rezeptur des Währungsfonds, dass das Land den Kopf über Wasser halten könne. Aber die Massnahmen reichten nicht aus, um Griechenland aus der Schuldenfalle zu führen.

“Wie soll es Athen schaffen, aus der Rezession zu finden, wenn die einzige Waffe aus einem drastischen Sparplan besteht?”, fragt La Regione.

Laut der Tessiner Zeitung könne aber Europa nicht alleiniger Lebensretter für Staaten sein, die ebenfalls mit dem Schulden-Bazillus infiziert seien.

Junge Griechen zahlen Preis

“Der Kater nach der Party”, diagnostiziert das St. Galler Tagblatt und streicht anschliessend heraus, wer den grössten Preis für das eigene rigorose 30-Mrd.-Sparprogramm Athens in den nächsten Jahren zu bezahlen haben wird.

“Am meisten leiden werden aber mithin die Jungen. Sie bezahlen nun die Zeche der jahrzehntelangen Party, die ihre Eltern sorglos auf Pump gefeiert haben.”

Zentral sei nun, dass die griechische Regierung das Sparprogramm kompromisslos umsetze und auch in der Politik aufräume, um der Korruption Herr zu werden.

Euro-Zone mit Zukunft?

Laut Der Bund aus Bern und dem Zürcher Tages-Anzeiger war die Finanzhilfe an Griechenland ohne Alternative. “Ein Staatsbankrott ‘made in Greece’ (…) hätte Schockwellen von zumindest ähnlichem Zerstörungspotenzial im Weltfinanzsystem ausgelöst wie der Zusammenbruch von Lehman Brothers im September 2008.”

Mit der Finanzhilfe kauften sich die Akteure einen Aufschub von ein bis zwei Jahren. Die gelte es zu nutzen, um das Fortbestehen der Euro-Zone zu sichern.

Griechische Milliarden auf Schweizer Banken

Unter dem Titel “Geld-Regen über Athen” macht der Blick die Verbindung zum Schweizer Bankgeheimnis. Die Griechen würden ihre hinterzogenen Steuermilliarden gern auf Schweizer Konten bunkern.

Dabei bringt die Boulevardzeitung die Summe von 25 Mrd. Euro ins Spiel.

Renat Künzi, swissinfo.ch

7. Dezember 2009. Die Rating-Agentur Standard & Poor’s stuft Griechenland zurück. Ausschlaggebend ist eine Budetkrise.

6. Januar 2010. Ein Mitglied der Europäischen Zentralbank (EBZ) beklagt sich, dass nicht alle EU-Länder bereit sind, “für die Rettung Griechenlands zum Portemonnaie zu greifen”. Jetzt reagiert die Börse mit Kursverlusten.

Mitte Januar. Die Wirtschaftsminister der Euro-Zone erklären, die EU werde nicht akzeptieren, dass Griechenland den IWF um Hilfe bittet. Athen kündigt drastische Sparmassnahmen, nachdem es verdächtigt wurde, die Zahlen seines Budgetdefizits gefälscht zu haben. Die Banken trauen Griechenland nicht und erhöhen den Leitzins auf über 6%. Auch Portugal kommt in den Strudel der Märkte.

28. Januar. Der Euro erreicht gegenüber dem Dollar den tiefsten Stand seit sechs Monaten. Spekulanten sind der Ansicht, dass die griechische Situation auch auf Spanien zutrifft. Die “Financial Times” beziffert die Spekulation gegen den Euro auf 8 Mrd. Dollar.

Mitte Februar. Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel verlangt, dass alle EU-Länder ihren Haushalt nach denselben Richtlinien aufstellen.

Anfang März. Merkel erklärt einem europäischen Rettungsplan eine Absage. Athen legt auf Druck von Brüssel ein weiteres Sparpaket vor. Die EBZ betont, dass die Euro-Zone gesund sei.

2. Mai. 2010: Griechenlands Regierung legt ein 30-Mrd.-Sparprogramm bis 2013 vor.

Die EU und der IMF lösen den Mechanismus zur Zahlung von 110 Mrd. Euro aus.

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