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EU-Razzia in der Pharmabranche

BRÜSSEL/LONDON (awp international) – EU-Ermittler haben Geschäftsräume von europäischen Pharmaherstellern durchsucht. Die Brüsseler Kartellwächter verdächtigen die Unternehmen, alleine oder gemeinsam die Einführung von Generika-Produkten zu verzögern, um Umsatzeinbussen abzuwenden. Namen der betroffenen Unternehmen nannte die EU- Kommission am Freitag nicht. Der schwedische-britische Pharmahersteller AstraZeneca räumte in London ein, dass Ermittlungen liefen. Es werde mit den Behörden zusammengearbeitet.
In diesem Zusammenhang wurden auch zwei deutsche Standorte des Pharmaunternehmens Nycomed mit Sitz in Zürich durchsucht. Grosse deutsche Pharmahersteller wie Bayer oder Merck bestritten dagegen, betroffen zu sein.
Generika sind Nachahmerprodukte, die in der Regel wesentlich preiswerter sind als Originalarzneimittel. Die Durchsuchungen in mehreren Mitgliedstaaten waren schon am Dienstag. Falls die Kommission konkrete Hinweise auf Verstösse gegen die Wettbewerbsregeln hat, kann sie gegen die Unternehmen Verfahren wegen verbotener Absprachen oder Ausnutzens einer marktbeherrschenden Stellung eröffnen. Am Ende solcher Verfahren drohen hohe Bussgelder von bis zu zehn Prozent eines Jahresumsatzes.
AstraZeneca bestätigte, dass es bei den Ermittlungen um esomeprazole und damit um sein Magenmittel Nexium in Europa geht. Für das Unternehmen ist dies ein grosser Umsatzbringer, zuletzt waren es jährlich fünf Milliarden Dollar. Der Patentschutz für Nexium ist in einigen Ländern ausgelaufen und hat Konkurrenten auf den Plan gerufen, die Nachahmerprodukte billiger auf den Markt bringen.
Nycomed bestätigte der dpa EU-Untersuchungen an zwei seiner deutschen Standorte. “Wir kooperieren im vollen Umfang mit den Behörden”, sagte ein Sprecher. Weitere Einzelheiten wollte er wegen des schwebenden Verfahrens nicht nennen. Nach dpa-Informationen handelt es sich um die Standorte Konstanz und Singen (Kreis Konstanz).
AstraZeneca hatten die Kartellwächter schon mal im Visier. Der Pharmariese musste mehr als 50 Millionen Euro EU-Bussgeld bezahlen, weil er von 1993 bis 2000 die Wettbewerbsregeln verletzt hatte. Das Unternehmen habe mit unrichtigen Angaben bei den Aufsichtsbehörden einen längeren Patentschutz für das Magengeschwürmittel Losec erreicht und so billigere Nachahmerprodukte auch in Deutschland blockiert, hiess es damals.
Der grösste deutsche Arzneimittelhersteller Bayer ist nach eigenen Angaben nicht von den aktuellen Ermittlungen betroffen. Auch andere grosse Hersteller wie Schwarz Pharma, Merck, Boehringer Ingelheim und Sanofi-Aventis erklärten, es habe bei ihnen keine Durchsuchungen gegeben./bbi/cb/DP/stk

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