Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Euro-Exodus aus Deutschland in die Schweiz

Deutscher Zöllner beim Zählen von Schwarzgeld, das bei einer Kontrolle entdeckt wurde (Übergang Bietingen-Thayngen) Keystone

2003 hat der deutsche Zoll mit zwei Mrd. Euro einen Rekord an Schwarzgeld aufgespürt, das Deutsche in die Schweiz transferieren wollten.

Anfang 2004 trat in Deutschland die Steueramnestie in Kraft. Und schon wird über deren Wirksamkeit gestritten.

“Wer es sich in Deutschland leisten kann, transferiert sein Geld in die Schweiz”, sagte der Leiter des Hauptzollamtes Singen, Werner Eberhardt, gegenüber der deutschen Nachrichtenagentur dpa. Singen ist mit seinen 283 Grenzkilometern für rund vier Fünftel der Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz zuständig.

Knapp 2 Mrd. Euro (3 Mrd. Franken) spürte das Zollamt 2003 auf. Geld, das Deutsche in die Schweiz schmuggeln wollten: Ein Rekord.

“Enorm hohe Steuerbelastung”

Wirklich überrascht ist Peter Bernholz, emeritierter Wirtschaftsprofessor an der Uni Basel und selber Deutscher, nicht über das Ausmass. “Angesichts der unsinnigen Abgabepolitik kann man nicht der Schweiz den Vorwurf machen, daran schuldig zu sein”, sagt er gegenüber swissinfo.

Bernholz qualifiziert die deutsche Steuerbelastung im Vergleich als “enorm hoch”. Ausserdem seien auch “die Aussichten in Deutschland nicht sonderlich erhellend”.

Die Partei des Bundeskanzlers, die SPD, spreche davon, die Erbschaftssteuer zu erhöhen und die Vermögenssteuer wieder neu einführen zu wollen. Schliesslich sei auch die Zeitspanne, innerhalb der man Kapitalgewinne deklarieren müsse, verlängert worden.

Steueramnestie: Hoffnung oder Flop?

Die deutsche Regierung will dem illegalen Kapitalabfluss den Riegel schieben: Seit Anfang Januar läuft eine Steueramnestie.

Im Vorfeld hatte der deutsche Finanzminister Hans Eichel den erhofften Rückfluss aus Ländern wie der Schweiz insgesamt auf 20 Mrd. Euro veranschlagt.

Auch Eberhardt vom Zollamt hofft auf die Amnestie. Ihre Wirkung für diejenigen, die Schwarzgeld zurückbringen, sei noch offen, sagte er kürzlich vor den Medien.

Sie könne sich vor allem dann als nützlich erweisen, wenn Familien, die schwarzes oder in der Schweiz platziertes Geld geerbt hätten, darüber stritten, wie dies nun zu deklarieren sei. Reuige Steuersünder oder Erben von Steuersündern können nach dieser Regelung auf Strafverschonung hoffen.

Die Deutsche Steuergewerkschaft hingegen sprach Ende Februar in deutschen Medien in Zusammenhang mit der Steueramnestie bereits von einem Flop (“Neue Osnabrücker Zeitung”).

Während die Steuergewerkschaft lieber mehr Ermittlungsdruck aufgesetzt und möglichst auch das Bankgeheimnis aufgehoben hätte, wollte Finanzminister Hans Eichel auf Lockangebote zur Steuerehrlichkeit setzen.

Skeptisch ist auch Bernholz: “Die deutsche Steueramnestie motiviert im Gegensatz zur italienischen beispielsweise nur wenig, Vermögen dennoch zu deklarieren.”

Melden Steuersünder solche Gelder bis Ende 2004 an, müssen sie 25% Nachsteuern bezahlen. Bernholz schätzt diesen “Strafsatz als viel zu hoch” ein.

Zinsbesteuerung als Ausweg?

Im Gegensatz zur italienischen Steueramnestie dürfen bei der deutschen die Bürger, welche ihre Schweizer Konten bei ihrem Steueramt deklarieren, diese weiterhin in der Schweizer Bank belassen. Die deutsche Amnestie muss also nicht zu Verlusten auf dem Finanzplatz Schweiz führen.

Sollte die im bilateralen Dossier Schweiz-EU beschlossene Quellensteuer in Kraft treten, hätte die deutsche Regierung fiskalisch dennoch etwas von dem Geld.

So überrascht es denn auch nicht, dass es gemäss EU-Quellen Deutschland sei, das Druck macht, dass das Thema Zinsbesteuerung am 9. März bei den Finanzministern der Europäischen Union wieder Thema ist.

Erwartet wird eine weiterhin harte Haltung: Die Schweiz soll ihren Widerstand aufgeben und das Zinssteuer-Abkommen unterzeichnen. Die Schweiz hingegen setzt auf eine Verknüpfung mit den anderen Verhandlungsbereichen, sie will die Bilateralen II (inklusive der Polizei- und Justizkooperation) als Paket abschliessen.

swissinfo, Alexander Künzle

Viele Deutsche versuchen seit Jahren, ihre Vermögen schwarz in die Schweiz zu transferieren.

Dem deutschen Fiskus entgehen dadurch grosse Steuereinnahmen.

Seit Anfang 2004 läuft in Deutschland eine Steueramnestie. Über deren Wirksamkeit wird bereits jetzt in Deutschland debattiert.

Die Deutsche Steuergewerkschaft sieht den Grund des Abflusses vor allem im Schweizer Bankgeheimnis.

Die Schweiz schlägt mit ihrem Zinssteuer-Abkommen eine Quellenbesteuerung vor, verknüpft diese jedoch an das Gesamtpaket der Bilateralen II.

Seit 1998 kontrolliert der deutsche Zoll die Grenze zur Schweiz auch auf Abfluss von Schwarzgeld (Geldwäscherei-Kontrolle).
2003 war diesbezüglich ein Rekordjahr: Es wurden laut dem Hauptzollamt Singen 2 Mrd. Euro aufgespürt.
Seit 1998 wurden insgesamt 7,5 Mrd. Franken aufgespürt.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft