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Europa im Würgegriff des schwachen Dollars

Der schwache Dollar macht Europa Sorgen. Schaufenster einer Frankfurter Bank am 19. Mai 2003. Keystone

Anfang Woche fiel der Dollar gegenüber dem Schweizer Franken auf ein 7-Jahres-Tief. Ähnlich erging es dem Euro: In den letzten zwei Jahren verlor der Greenback gegenüber dem Euro 40%.

Schlechte Nachrichten für die nicht-amerikanische Exportindustrie.

Die Äusserungen des amerikanischen Schatz-Sekretärs Jack Snow am vergangenen Wochenende zur US-Währung liessen mancherorts die Alarmglocken läuten.

Snow bezeichnete nämlich die bisherige Abwertung des Dollars als bescheiden. Ausserdem würde damit die heimische Exportindustrie angekurbelt werden.

Diese Aussagen bestätigte die Vermutung der internationalen Finanzgemeinde, dass man sich jenseits des Teichs nicht allzu sehr gegen einen schwachen Dollar sträubt – im Gegenteil.

Hiobsbotschaft für nicht-amerikanische Exportindustrie

So erstaunt es nicht weiter, dass der Greenback Anfang Woche gegenüber dem Schweizer Franken auf ein 7-Jahres-Tief absackte und unter 1,30 Franken notierte. Ähnlich erging es auch dem Euro.

Dies kommt einer Hiobsbotschaft für die nicht-amerikanische Exportindustrie gleich, auch für die schweizerische. Über 10% der schweizerischen Ausfuhren mit einem Wert von über 14 Mrd. Franken gingen 2002 nach Übersee. Damit sind die USA nach Deutschland das zweitwichtigste Exportland der Schweiz.

Laut Claude Zehnder, Analyst bei der Zürcher Kantonalbank, trifft es aber auch alle Investoren, die Wertpapiere in amerikanischer Währung besitzen.

Risiko wird nach Europa exportiert

“Durch einen schwächeren Dollar wird ein Rezessions- und Deflationsrisiko nach Europa exportiert”, erklärt Thomas Haerter, Chefstratege bei der Bank Leu, gegenüber swissinfo.

Auch die Schweiz würde damit an Wettbewerbsfähigkeit einbüssen – abgesehen von den Minder-Einnahmen. “Verliererin ist die verarbeitende Produktion, darunter auch die Chemie-Branche”, so das Fazit von Haerter. Auch die Schweizer Tourismusbranche leidet unter dem schwachen Dollar.

Laut der amerikanischen Investment Bank Goldman, Sachs & Co führt jede Abwertung des Dolllars um 10% durchschnittlich zu 4% weniger Einnahmen in der Exportindustrie.

Schreckgespenst Deflation

Seit geraumer Zeit wird über eine mögliche Deflationsgefahr in den USA spekuliert. Bei einer solchen gehen die Preise über einen längeren Zeitraum permanent zurück. Dies passiert, wenn das Angebot an Waren und Dienstleistungen grösser ist als die Nachfrage.

Das Überangebot drückt die Preise. Für die Unternehmen bedeutet dies einen Einnahmenausfall, der Sparmassnahmen wie Stellenabbau nach sich zieht.

“Ich halte es für übertrieben, von einer Deflationsgefahr zu sprechen”, sagt Analyst Zehnder gegenüber swissinfo. Ein schwacher Dollar würde eine Verteuerung der Importe bedeuten. Dies würde einer Deflation entgegenwirken.

Am schlimmsten ist die Unsicherheit

Eine grosse Unsicherheit herrscht über den Zustand der US-Wirtschaft. Bisher hatte das Konsumentenverhalten ein Absacken in die Rezession verhindert.

Die neuesten Wirtschafts-Kennzahlen lassen jedoch nichts gutes hoffen. Im April sanken sowohl die Preise als auch die Anzahl Neubauten, und die Kapazitäts-Auslastung der Unternehmen fiel mit 74,4% auf ein 20-Jahres-Tief.

Viele Experten gehen davon aus, dass sich der Dollar noch weiter abschwächen wird. So prognostiziert etwa die amerikanische Bank J.P. Morgan für Mai 2004 einen Wechselkurs bei 1,23 Franken.

Bei der ZKB ist man anderer Meinung. “Wir denken, dass der Tiefpunkt in den USA erreicht ist. Ausserdem hat die Dollarschwäche auch mit der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank zu tun”, so Analyst Zehnder. Er sei überzeugt, dass die EZB in Bälde die Zinsen senken werde. Das würde sich dann natürlich auch auf den Wechselkurs auswirken. Man darf also gespannt sein.

swissinfo, Elvira Wiegers

Seit 2001 hat sich der Dollar gegenüber dem Euro um 40% abgeschwächt.

Auch gegenüber dem Schweizer Franken verlor er Anfang Woche an Wert und sank gar auf ein 7-Jahres-Tief.

Ein schwacher Dollar schadet der europäischen Exportindustrie.

10% aller CH-Exporte mit einem Wert von über 14 Mrd. Franken gingen 2002 in die USA.

Die USA sind nach Deutschland das zweitwichtigste Exportland für die Schweiz.

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