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Ex-Monopolist verteidigt Pfründe

Die alternativen Anbieter fordern besseren Zugang zu den Telefonzentralen der Swisscom. Keystone

Die Liberalisierung des Telekom-Marktes vor fünf Jahren hat der Schweiz tiefere Gesprächskosten gebracht. Der Ex-Monopolist Swisscom will die letzte Meile immer noch für sich behalten.

Gerade dort sieht die private Konkurrenz ihre grössten Wachstumschancen.

Als im Januar 1998 auch die Schweiz mit der Liberalisierung der Telekommunikation Ernst machte, waren die Erwartungen gross. Dank Wettbewerb zwischen mehreren Anbieter sollten die Preise kräftig unter Druck geraten.

Fünf Jahre später ist die Bilanz jedoch gemischt. Während die Preise wie erwartet ins Rutschen kamen, blieb die Zahl der Konkurrenten bescheiden. Ein paar kleine Anbieter von Telekom-Dienstleistungen besetzen Nischen im Schweizer Milliarden-Markt, der beim Festnetz von zwei und im Mobilfunk von drei Unternehmen dominiert wird.

Im Schatten des blauen Riesen

Nur Sunrise ist es – dank der Fusion mit der Mobilfunk-Gesellschaft diAx Anfang 2001 – gelungen, sich als eine vollwertige Alternative zum einstigen Monopolisten Swisscom zu etablieren.

Heute zählt Sunrise, die zu 79% der dänischen TDC gehört, 842’000 Festnetz- und 531’000 Internet-Kunden.

Mit über einer Million Mobilfunk-Kunden besetzt das Unternehmen im Mobilfunk-Geschäft mittlerweile den zweiten Platz, knapp vor dem ausschliesslichen Mobilfunk-Anbieter Orange mit 988’000 Abonnenten. Beide Unternehmen sind indes immer noch weit hinter der Swisscom mit 3,5 Mio. Natel-Kunden.

Doch anders als die Swisscom, die dank ihrer Vorteile aus den alten Monopol-Zeiten über eine bestens gefüllte “Kriegskasse” verfügt, steckt Sunrise immer noch in den roten Zahlen. Orange arbeitet erst seit 2001 in der Gewinnzone.

Marktvolumen von rund 13 Mrd. Franken

Im geöffneten Schweizer Telekom-Markt geht es um viel Geld. Besonders zu Beginn der Liberalisierung ist das Marktvolumen stetig gewachsen. Im Jahr 2001 wurden 12,6 Mrd. Franken mit Telekom-Diensten umgesetzt.

Davon entfielen 6,8 Mrd. Franken auf das Festnetz und den Internetzugang. Schweizerinnen und Schweizer wendeten 2001 pro Kopf 2228 Franken für Telekom-Dienste auf.

Der grösste Teil des Kuchens geht auch beim Festnetz nach wie vor an die Swisscom. Ihr Marktanteil betrug 2001 bei internationalen Gesprächen 47%, im nationalen Fernverkehr 64% und im Ortsverkehr 80%.

Gesättigter Markt

Doch seit einem Jahr stagnieren die Geschäftszahlen der Branche. Selbst der bisherige Wachstumsmarkt der Mobiltelephonie nähert sich der Sättigungsgrenze. 75% der Schweizer Bevölkerung besitzen bereits ein Handy.

Die Mobilfunk-Anbieter versuchen die Kundschaft mit Gratis-Handys zu ködern, während die Gesprächstarife auf relativ hohem Niveau stabil bleiben. Neue Dienste wie das Versenden von Bildern und Tönen via MMS sind aufgrund der geringen Verbreitung entsprechender Geräte sowie technischer Probleme bei weitem noch nicht profitabel.

Zudem eröffnete die Wettbewerbs-Kommission (Weko) im Oktober eine Untersuchung gegen die Schweizer Mobilfunk-Anbieter. Sie vermutet Absprachen bei den Gebühren für das Durchleiten auf ein anderes Mobilnetz.

Hindernis letzte Meile

Anders als im Mobilfunk sind die Gesprächstarife im Festnetz tatsächlich stark gesunken: Bei den internationalen Gesprächen bis zu 70%, bei den nationalen zwischen 30 und 50%.

Doch mit einer weiteren Senkung ist nicht zu rechnen, weil die Swisscom die letzte Meile, die Anschlussleitung zwischen den Endkunden und der Ortszentrale, besitzt. Damit kann der (Ex-)Monopolist seinen Konkurrenten den Preis für die Durchleitung diktieren.

Vom Quasi-Monopol auf die letzte Meile ist nicht nur der Sprach- und Datenverkehr betroffen, sondern auch die Breitband-Kommunikation. In der Schweiz sei die Verbreitung von ADSL auf Grund des mangelnden Wettbewerbs im Rückstand, beklagt die Swisscom-Konkurrenz.

Harte Bandagen

Der Kampf um die letzte Meile wird mit harten Bandagen ausgetragen, denn von den neuen Breitband-Diensten erhoffen sich Anbieter wie Sunrise dringend benötigte Einkünfte im gesättigten Telekom-Markt.

Bis zu einem dreistelligen Millionenbetrag würde Sunrise investieren, je nachdem, wie schnell die Swisscom die letzte Meile und den Zugang zur Verteilzentrale freigibt.

Die Schweizer Regierung möchte nun den Liberalisierungs-Prozess vorantreiben und die letzte Meile per Verordnung schon im kommenden Frühling entbündeln. Dies soll den alternativen Anbietern einen besseren Zugang zu den Swisscom-Ortszentralen bringen.

Doch hat die Swisscom, die eine Entbündelung als eine “faktische Enteignung” betrachtet, bereits den Gang ans Bundesgericht angekündigt. Die Liberalisierung der letzten Meile dürfe nur auf dem Gesetzesweg und nicht auf der politisch geschützten Verordnungsstufe erfolgen, argumentiert das Unternehmen.

Damit dürfte sich die Entbündelung so oder so weiter verzögern. Denn auch beim Weg über die Revision des Fernmelde-Gesetzes ist laut dem Bundesamt für Kommunikation BAKOM nicht vor 2004 mit einer Entbündelung zu rechnen.

Gleich lange Spiesse

Sollte das Quasi-Monopol auf die letzte Meile fallen, hätten die Swisscom und ihre Konkurrenten erstmals gleich lange Spiesse.

Denn während die Swisscom dank Gratis-Infrastruktur in den ersten vier Geschäftsjahren seit der Liberalisierung (1998 bis 2001) Gewinne von gut 12 Mrd. Franken erwirtschaften konnte, haben die alternativen Telekom-Anbieter in der Schweiz vor allem investiert.

Doch wie viel Wettbewerb mit einer Entbündelung tatsächlich entstehen würde, bleibt abzuwarten. Ein Duopol, bestehend aus dem Ex-Monopolisten Swisscom und der heutigen Nummer 2, Sunrise, dürfte beim Festnetz mehr als wahrscheinlich sein.

swissinfo, Hansjörg Bolliger

Telekom-Marktvolumen:
12,6 Mrd. Fr. (2001)

Festnetz:
Swisscom: 47-80% Marktanteil
Sunrise: 842’000 Kunden

Mobilfunk:
Swisscom: 3,5 Mio. Kunden
Sunrise: 1’089’000
Orange: 988’000

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