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Finanzierung der Kohäsions-Milliarde geregelt

Die Kohäsionsmilliarde wandert nicht nach Brüssel, sondern geht an die neuen EU-Länder. Keystone

Die Milliarde, die für die neuen Länder der Europäischen Union bestimmt ist, geht teils zu Lasten der Osthilfe. Ein Teil stammt aber auch aus dem Bundeskasse.

Mit dieser Aufteilung ist die Regierung jedoch auf zahlreiche Kritik gestossen.

Versprochen hat der Bundesrat die Milliarde in der Endphase der zweiten bilateralen Verhandlungen. Doch aus welchen Kassen genau die Schweizer Regierung den Betrag bezahlen will, darüber gab es in der Schweiz langwierige Diskussionen.

Entgegen einem früheren Grundsatzbeschluss hat der Bundesrat am Freitag festgelegt, dass für die Milliarde nicht allein das Wirtschaftsministerium (EVD) und das Aussenministerium (EDA) aufkommen müssen.

Die beiden Departemente müssen nur 60% des Betrages übernehmen, was über die gesamte Beitragsperiode von rund zehn Jahren je 30 Mio. Franken pro Jahr und Departement ausmacht. Die restlichen 40% gehen zu Lasten der allgemeinen Bundeskasse.

Abstriche bei Entwicklungshilfe…

Bei seinem Beschluss hat der Bundesrat auch klar gemacht, dass die Schweizer Hilfe für die Länder des Südens nicht gekürzt wird.

Hingegen wird es beim Kredit für die Osthilfe Abstriche geben. Dies bedeutet, dass unter dem Strich auch die öffentliche Entwicklungshilfe der Schweiz leicht sinken wird.

… im Rahmen von 20 Mio. Franken

Im Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) geht man davon aus, dass das Volumen der gemäss den Kriterien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ausgewiesenen Schweizer Entwicklungshilfe etwa um 20 Mio. Franken pro Jahr zurückgehen wird.

Bundespräsident Moritz Leuenberger räumte ein, dass der Bundesrat dem Auftrag des Parlamentes damit nicht gänzlich nachkommt. Sowohl der National- wie auch der Ständerat (grosse und kleine Kammer) hatten mit der Überweisung einer Motion der neuen Bundesrätin Doris Leuthard klar gemacht, dass sie bei der öffentlichen Entwicklungshilfe der Schweiz gar keine Abstriche tolerieren wollen.

Kritik von fast allen Seiten

Der Finanzierungsbeschluss des Bundesrates erntete links wie rechts Kritik. Die Sozialdemokratische Partei (SP) und die Christlichdemokraten (CVP) bemängelten, dass der Bundesrat mit den Kürzungen bei der Osthilfe den Willen des Parlaments missachte und damit die Kohäsionsvorlage gefährde.

Die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP), welche zusammen mit der Lega und den Schweizer Demokraten das Referendum gegen die Zahlungen ergriffen hat, warf dem Bundesrat vor, frühere Versprechen zu brechen. Nun werde die Milliarde doch nicht alleine im EVD und im EDA kompensiert.

Einzig Freisinn applaudiert

Zufrieden zeigte sich von den vier Bundesratsparteien einzig die Freisinnig-Demokratische Partei der Schweiz (FDP). Für das Gelingen des Kompromisses müssten nun alle Seiten einen Schritt über ihren Schatten machen, sagte Generalsekretär Guido Schommer.

Skeptisch äusserten sich die Hilfsorganisationen, die von einem fragwürdigen Entscheid sprachen. Sie wollen über ihre Unterstützung im Abstimmungskampf erst entscheiden, wenn der Bundesrat klar gemacht hat, was genau mit der bisherigen Osthilfe geschieht.

Mit dem Geld wollen Bundesrat und Parlament einen Beitrag an die Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten zwischen neuen und alten EU-Staaten leisten. Das Geld soll unabhängig von der EU in konkrete Projekte in den Bereichen Sicherheit, Infrastruktur und menschliche Entwicklung fliessen.

swissinfo und Agenturen

Der Kohäsionsfonds ist ein strukturelles Instrument, das seit 1994 den EU-Mitgliedstaaten hilft, ökonomische und soziale Unterschiede auszugleichen und ihre Wirtschaft zu stabilisieren.

Nach der letzten Ausweitung der EU 2004 hatte die Kommission die Schweiz aufgefordert, einen finanziellen Beitrag zu leisten, analog Norwegen, Island und Liechtenstein, der anderen drei Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandels-Assoziation (EFTA).

An einem Treffen zwischen der Schweiz und der EU einigte man sich im Mai 2004 auf einen Beitrag von 1 Milliarde Franken.

Die beiden eidgenössischen Parlamentskammern (Nationalrat und Ständerat) haben ein Gesetz verabschiedet, das die Details des Beitrags regelt.

Die Schweizerische Volkspartei (SVP) und die rechte Lega dei Ticinesi haben das Referendum angekündigt.

Verteilung der Schweizer Kohäsionsgelder (Beträge auf 1 Mio. Fr. gerundet):
489 Mio. Franken sollen nach Polen, 131 Mio. nach Ungarn und 110 Mio. nach Tschechien fliessen.
Litauen erhält 71 Mio., die Slovakei 67 Mio., Lettland 60 Mio., Estland 40 Mio., Slowenien 22 Mio., Zypern 6 Mio. und Malta 3 Mio. Fr.
Zwei Mio. Franken sollen als Restbetrag für spätere hochprioritäre Projekte reserviert bleiben.

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