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Finanzstürme bringen auch Wirtschaft ins Wanken

Reuters

Der Winter in der Schweiz hält zur Zeit nicht nur die Landschaft fest im Griff: Die Minustemperaturen haben sich von den Führungsetagen der Banken auch in jene der Realwirtschaft eingeschlichen. Und das nach einem börsenmässig niederschlagsreichen Jahr.

Nach einigen Jahren Wirtschaftswachstum sagen Ökonomen für 2009 eine Rezession voraus. Im Finanzbereich war es übers ganze Jahr hinweg zu hohen Verlusten gekommen. Und der Franken notierte gegen Jahresende wieder stärker.

Diese Frankenverteuerung bremst die für die Wirtschaft lebenswichtigen Exporte und schränkt die Beschäftigung und den für den Konjunkturverlauf wichtigen Privatkonsum ein.

Das Jahr 2008 hat gezeigt, wie schnell die im Finanzbereich begonne Krise auf die gesamte Realwirtschaft übergesprungen ist – und zwar global, und im Gegensatz zu früheren Rezessionen weltweit synchron.

Es stellte sich ab Mitte Jahr gar nicht mehr die Frage, ob nun eine Rezession im Anmarsch sei. Offen bleibt heute nur noch, wie stark sie ausfallen wird und wie lange sie dauern wird.

Am Anfang standen die Subprime-Verluste

Das Malaise begann Ende 2007, als die grössten Banken der Schweiz, UBS und Credit Suisse, ihr konservatives Anlage-Image ablegten und verlauten liessen, dass sie den globalen Trends gefolgt und ins riskante Subprime-Geschäft eingestiegen seien.

Die Folgen sind bekannt: Bis Dezember 2008 war die UBS gezwungen, über 50 Mrd. Franken abzuschreiben, die CS weit über 10 Milliarden. Und beide Institutionen strichen Tausende von Arbeitsplätzen.

Im Herbst gar sah sich die Schweizerische Nationalbank (SNB) gezwungen, für die UBS ein 60-Mrd.-Franken-Hilfspaket bereit zu stellen. Die CS verhalf sich noch selbst zu frischen Eigenmitteln: In Qatar konnte sie 10 Mrd. Franken aufnehmen.

Vorübergehend steigende Inflation

Da als Folge der Finanzkrise die für das Weiterfunktionieren der Wirtschaft nötigen Kreditmärkte auszutrocknen drohten, pumpte auch die Schweizerische Nationalbank Milliarden ins Banken-System und in die Volkswirtschaft.

In Kombination mit einer Reihe von Zinssenkungs-Runden sollten damit die Kosten im Geldmarkt, dem Markt der Banken untereinander, gesenkt werden – 225 Basispunkte (2,25 Prozentpunkte) innert drei Monaten. Im Dezember notierte der 3-Monats-Libor (Geldmarkt-Zinssatz) zwischen 0 und 1%. Dies entspricht dem tiefsten Wert seit dem Jahr 2000.

Ende Jahr fragte man sich bereits, wie die Zentralbanken verfahren werden, wenn ihre Leitzinsen Null Prozent erreichen.

Bis Mitte Jahr waren die Rohstoff- und Energiepreise derart abrupt in die Höhe gesprungen, dass sich dies in einer stark anziehenden importierten Teuerung niederschlug. Dies führte zu lange nicht mehr gekannten Inflationsängsten. Ein Umstand, der die Banker ebenfalls nicht dazu motivierte, wieder vermehrt Kredite zu sprechen.

Im Juni erreichte denn auch die Inflationsrate ein 18-Jahres-Höchst von 3,1%. Doch mit der Krise kam auch die Abkühlung: Im zweiten Halbjahr entspannte sich die Situation an der Teuerungsfront sehr schnell.

Nestlé, Swatch, Novartis mit Verzögerung

Diese Massnahmen der Zentralbanken dienten nicht bloss dazu, das Banken-System zu unterstützen. Sie sollten auch der realen Wirtschaft zu Gute kommen, denn der Absturz der Finanzmärkte begann sich schnell in die einzelnen Wirtschaftsbranchen zu übertragen.

Einige Sektoren jedoch zeigten auch Ende 2008 noch gute Resultate. Der Nahrungsmittel-Gigant Nestlé beispielsweise konnte im Oktober rekordhohe Verkäufe von 81,4 Mrd. Franken ausweisen.

Die Swatch-Uhrengruppe begann das Kalenderjahr mit Rekord-Resultaten. Fürs zweite Halbjahr konnte sie sogar nochmals die Umsätze erhöhen, wenn auch die Gewinne bereits etwas nachgaben.

Im Pharmasektor erreichte Novartis sehr gesunde Resultate, und Roche tätigte weiterhin Zukäufe. Die Luxusgüter-Industrie und der Tourismus geben sich heute noch, wenn auch sehr vorsichtig, so doch immer noch optimistisch für das kommende Jahr.

Kursstürze in den Bau- und Zuliefersektoren

Doch im Bereich des Bausektors, der Fahrzeugzulieferer, der Metall- und Chemieindustrie sowie der Elektronik verlief die Entwicklung immer harziger, wozu der erstarkte Franken noch das Seine beitrug. Er erreichte Höhen von 1.43 Franken pro Euro und zog später auch gegenüber dem Dollar an, da sich – mit Verspätung zwar – der erwartete Save-Haven-Effekt der Schweizer Währung einstellte.

Dies spürten die Kapitalmärkte: Die Börse musste Federn lassen, da in Panik geratene Anleger ihre Aktien zu jedem Preis los sein wollten und das Geld nicht schnell genug unter die Matraze stecken konnten.

Der Swiss Market Index (SMI), der die führenden Schweizer Titel zusammenfasst, verlor 2008 mehr als einen Drittel seines Werts. Er fiel von rund 9000 Punkten auf unter 5000 Punkte im November 2008.

300 Milliarden aufgelöst

Dieser freie Fall entspricht etwa der Auflösung von rund 300 Mrd. Franken Aktien-Vermögen.

Finanzwerte litten am meisten, verlor doch die UBS-Aktie bis zu 80% ihres Wertes, den sie im Höchst von 2007 erreicht hatte. Und Credit Suisse-Papiere büssten rund die Hälfte ihres Höchstwerts ein.

Dieser Winter könnte für die Schweiz lang und frostig werden. Und niemand weiss, wann sich wieder Tauwetter einstellen wird.

swissinfo, Matthew Allen in Zürich
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)

Mitte Dezember hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) seine (vorläufig) letzten Prognosen für den Konjunkturverlauf abgegeben.

Für 2009 wird mit einem Rückgang des BIP um 0,8% gerechnet.

Noch im September war man von einem Plus von 1,3% ausgegangen.

Damit stehe die Schweiz vor einer veritablen Rezession.

Das Seco betont, dass die Abfolge der Rezession zeitlich gestaffelt verläuft. Der Privatkonsum bleibe vorläufig noch eine Stütze, während sich die Exporte und die Ausrüstungsinvestitionen schon im Abschwung befinden. Die Wirtschaft der Schweiz hängt zu 50% von Exporten ab.

Der Arbeitsmarkt werde von der Rezession aber erst 2010 richtig erfasst. Die Arbeitslosigkeit soll bis dann (von 2008 2,6%) auf 4,3% steigen.

Die CS veröffentlicht zusammen mit dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) monatliche Konjunkturumfragen.

Damit wird der Wirtschaftsverlauf der Schweiz auch aus europäischer Sicht eingeschätzt.

Im Dezember schätzen die Experten die gesamtwirtschaftliche Situation der Schweiz grundsätzlich negativ ein. Für das nächste halbe Jahr glauben drei Viertel von ihnen, dass sich die Dynamik weiterhin verschlechtert – aber weniger stark.

Sowohl die Gewinnsituation der Unternehmen als auch die Renditen auf Umsätze dürften sich vermindern.

Bezüglich dem SMI geben sie sich optimistischer: Mehr als die Hälfte rechnet 2009 mit wieder steigenden Aktienkursen.

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