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Flüchtlingsamt schreibt Flüchtlingsbuch

Brecht und Silone. Fotos aus den Flüchtlingsakten des BFF. swissinfo.ch

Das Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) gibt ein Buch heraus. Es enthält zehn Beiträge über Flüchtlingsschicksale, beschrieben von Mitarbeitenden des Amtes.

Die historische Publikation soll auch die Rolle des heutigen BFF beleuchten.

1917 wurde die Eidgenössische Fremdenpolizei gegründet. Seither haben sich rund 440’000 Dossier mit Asylgesuchen angesammelt. Jedes Jahr kommen zwischen 20’000 und 25’000 neue dazu.

Jedes Dossiers enthält ein ganz persönliches Schicksal. Denn aus irgend einem Grund seien die Menschen ja in die Schweiz gekommen, sagt Thomas Lory, Historiker und Mitarbeiter im BFF, gegenüber swissinfo.

Lory hat den Artikel über Bertold Brecht im Buch “Prominente Flüchtlinge im Schweizer Exil” verfasst.

Gegen die Verunsicherung

Die BFF-Mitartbeitenden haben die 10 Beiträge über prominente Flüchtlinge vor allem in der Freizeit verfasst. Die Idee zum Buch entstand während der Diskussionen rund um die nachrichtenlosen Vermögen.

Damals sei die Verunsicherung in der Schweiz gegenüber der Flüchtlingspolitik gross gewesen, sagte BFF-Direktor Jean-Daniel Gerber bei der Buchvernissage. “Doch das war eigentlich immer so.”

So biete die Schrift des BFF eine historische Komponente, die wichtig sei für das heutige Handeln und die mithelfe, Zusammenhänge zu erkennen. “Vor allem: Sie hilft, Fehler von damals nicht zu wiederholen.”

Die Autoren liefern in den Beiträgen über die bekannten Flüchtlinge – von denen nur die Schriftstellerin Agota Kristof noch lebt – die sorgsam recherchierte Asylgeschichte der jeweiligen Person.

Die Texte umfassen all die Hindernisläufe durch das Schweizer Asylwesen, wobei die bisweilen eigenartigen Entscheide und Begründungen der Schweizer Behörden nicht verschwiegen werden.

Alle haben Asyl gekriegt

Auffallend am Buch: Es behandelt nur Schicksale von Asylsuchenden oder Flüchtlingen, welche schlussendlich Asyl erhielten. Weggewiesene gibt es keine im Buch.

Das sei Zufall, sagt Lory, man habe die Auswahl nicht nach diesem Kriterium getroffen. “Wir haben eine Liste aller bekannten Flüchtlinge zusammengetragen, dann haben wir uns für die Namen entschieden.”

Er selber habe die Asyl-Geschichte von Bertold Brecht nicht gekannt, als er sich für ihn entschied.

Für Thomas Lory war es vor allem eine Chance, sich mit dem Dossier von Brecht auseinander zu setzen. “Aber immer mehr wurde mir während der Arbeit bewusst, welche Stellung ich eigentlich in meiner täglichen Arbeit vertrete. Ich entscheide mit über menschliche Schicksale.”

Da unterscheide sich der bekannte Brecht nicht vom unbekannten Asylbewerber. Aber die Zeiten hätten sich schon geändert.

Erst im Jahr 1947 hat die Schweiz das Dauerasyl eingeführt. Vorher war das Arbeitsverbot eine beliebte Überwachungs-Methode. Sie wurde häufig angewandt. Eine Extremform war die Internierung.

Doch heute gebe es ja die Flüchtlingskonvention der UNO und die Asylgesetzgebung, betonen die BFF-Verantwortlichen.

Prinzip Hoffnung

Auch der Grund, warum Flüchtlinge in unser Land kommen, habe sich geändert.

Heute – so Lory – würden viele Leute zu uns kommen, die gemäss Gesetz keinen Asylgrund angeben können und abgewiesen werden. “Doch für die einzelnen Personen ist die Situation genau die gleiche wie früher: Aus irgend einem Grund machen sie sich auf den Weg und fliehen vor den Zuständen zuhause.”

Kann das Buch auch den namenlosen Asylsuchenden, die nicht Bertold Brecht, Thomas Mann, Robert Musil oder Fritzi Spitzer heissen, ein Gesicht geben?

Alle, die das Buch verfasst und unterstützt haben, hoffen es.

swissinfo, Urs Maurer

“Prominente Flüchtlinge im Schweizer Exil”
10 Beiträge über Asylsuchende vor, während und nach dem 2. Weltkrieg.
Das Buch der BFF-Autorinnen und Autoren kostet 32 Fr.

Das Buch beschreibt die Schicksale von Bertold Brecht, Thomas Mann, Ingnazio Silone, Otto Heinrich Weissert, Robert Musil, Michel Olian, Stephan Hermlin, Fritzi Spitzer und Agota Kristof.

Ein Beitrag beschäftigt sich mit den homosexuellen Flüchtlingen in der Schweiz.

Der Historiker Peter von Matt schrieb die Einleitung. Der Chef des Bundesamtes für Flüchtlinge, Jean-Daniel Gerber, verfasste das Vorwort.

Erst im Jahr 1947 führte die Schweiz das Dauerasyl ein. Vorher war das Arbeitsverbot eine beliebte Überwachungs-Methode.

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