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Flüchtlingsdrama an Schweizer Grenze

Die tief verschneite Landschaft am Monte Lema wurde der Familie zum Verhängnis. digilander.libero.it

Eine sechsköpfige Familie aus der Ukraine ist im Tessin vor dem Erfrierungstod gerettet worden. Sie hatte sich leicht bekleidet verirrt als sie versuchte, illegal die Grenze zu überqueren.

Das kleinste Kind musste mit schweren Erfrierungen ins Kinderspital nach Zürich gebracht werden. Die Behörden vermuten, dass die Familie von Schleppern in die Schweiz gelotst worden war.

Es sei unwahrscheinlich, dass eine ukrainische Familie von sich aus auf die Idee komme, eine derart abgelegene Route für die Einreise in die Schweiz zu wählen, sagte Clemente Milani, Sprecher des Grenzwachtkorps IV, am Montag auf Anfrage. Es bestehe der Verdacht, dass Schlepper am Werk gewesen seien.

Wie die Tessiner Kantonspolizei am Abend mitteilte, wurden die Mutter und ihre fünf Kindern bereits am 12. Januar im Bahnhof von Chiasso zurückgewiesen. Sie sassen in einem Zug aus Italien. Nach Überprüfung der Personalien wurden sie dorthin zurückgeschickt.

Die Familie habe zuvor sieben Jahre lang in Ungarn gewohnt, hiess es in der Polizeimitteilung weiter. 2007 reichte sie zwei Asylgesuche in der Schweiz ein, die abgewiesen wurden.

Nach der Rückweisung am 12. Januar veranstaltete die Familie ein Sit-in vor dem Schweizer Konsulat in Mailand. Die Polizei entfernte sie und platzierte sie in einer Notaufnahmestelle der lombardischen Metropole.

Die 47-jährige Mutter und ihre fünf Kinder wählten den Weg über die Grüne Grenze, um in der Schweiz Asyl zu beantragen, wie Polizei-Sprecher Marco Bordoli auf Anfrage sagte.

Kurz vor dem Erfrieren gerettet

Wer oder was die Mutter und ihre fünf Kinder im Alter zwischen 9 und 21 Jahren auf die Idee brachte, in die Schweiz zu kommen, ist noch nicht klar. Eine offizielle Einvernahme hat laut Bordoli noch nicht stattgefunden: “Priorität hat die Gesundheit der Geretteten.”

Diese schweben zwar nicht in Lebensgefahr, doch droht dem jüngsten Kind die Amputation der Füsse. Die Mutter und ihre fünf Kinder irrten vermutlich seit Freitag im tief verschneiten italienisch-schweizerischen Grenzgebiet Malcantone umher. Mit einem Funkgerät riefen sie am Sonntag auf englisch um Hilfe.

Als sie am Sonntagabend gegen 17 Uhr von der Rega unterhalb des 1620 Meter hohen Gipfels des Monte Lema gerettet wurden, waren sie dem Erfrieren nahe.

Ihre Bekleidung und Ausrüstung war nicht berg- und wintertauglich. Eine weitere Nacht im Freien hätte die Familie wohl nicht überlebt, sagten Rettungskräfte gegenüber Tessiner Medien.

Asylgesuch mit wenig Chancen

Die Mutter und ihre fünf Kinder befinden sich derzeit in Spitälern in Lugano und Zürich. Ob sie sich länger in der Schweiz aufhalten können, ist fraglich.

Im letzten Jahr gingen 21 Asylgesuche aus der Ukraine beim Bund ein. Alle wurden abgelehnt, wie Jonas Montani vom Bundesamt für Migration (BFM) auf Anfrage sagte.

Dem Bundesamt lagen vorerst keine Asylgesuche vor. Wie dessen Sprecherin Brigitte Hauser erklärte, wird bei jeder Person unabhängig vom Herkunftsland im Einzelfall geprüft, ob ein Asylgrund wie etwa eine politische Verfolgung vorliegt.

Bei den meisten Asylsuchenden werde nicht klar, welche Reisewege sie eingeschlagen hätten, sagte Hauser. Es seien aber sehr wenige, die ein so tragisches Schicksal erlitten.

Der Grossteil der Asylsuchenden kommt über die grüne Grenze, wie der Chef des Grenzwachtkorps, Jürg Noth erklärte. Bei verstärkten Kontrollen auf den regulären Zufahrtswegen wachse jeweils der Druck auf die grüne Grenze.

swissinfo und Agenturen

Im Jahr 2006 (die Zahlen von 2007 sind noch nicht publiziert) haben in der Schweiz 10’537 Personen ein Asylgesuch gestellt. Das sind 4,7% mehr als im Jahr zuvor.

Von 2004 auf 2005 war die Zahl der Gesuche um 30% gesunken.

An der Spitze der Herkunfsländer standen Serbien (1225 Gesuche), gefolgt von Eritrea (1201), Irak (816), der Türkei (693) und China (475).

Stark angestiegen ist 2006 die Anerkennungsquote: 19,5% aller behandelten Gesuche wurden gutgeheissen.

Zum Vergleich: 2003 betrug die Anerkennungsquote noch 6,7%.

Insgesamt befanden sich Ende 2006 44’869 Personen im Asylverfahren.

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