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Fokus auf Erdbeben-Gefahr

Karte der Erdbeben-Gefahren in der Schweiz. earthquake.ethz.ch

Die Schweiz will mit der Organisation der 1. Europäischen Konferenz über Erdbeben-Engineering und Seismologie unterstreichen, dass auch sie sich in Gefahr befindet.

Am fünftägigen Meeting, das am Montag begonnen hat, nehmen mehr als tausend Fachleute teil. Es ist das erste dieser Art in Europa.

Eröffnet wurde die Konferenz am Montag in Genf vom Schweizer Umweltminister Moritz Leuenberger. Erdbeben würden zwar häufig als Strafe Gottes bezeichnet, doch der Mensch könne durch geeignete Präventionsmassnahmen zumindest die Folgen für die Bevölkerung minimieren, sagte Leuenberger.

Als eine Präventionsmöglichkeit nannte er eine nationale Versicherung, wie es sie für andere Elementarschäden bereits gibt. Dabei könnte ein Teil der Versicherungsprämien zur Finanzierung von baulichen Vorsorgemassnahmen eingesetzt werden.

Leuenberger wünscht sich auch, dass die Schweiz und andere europäische Länder ein Inventar über die Sicherheit ihrer Gebäude und insbesondere ihrer wichtigen Infrastrukturanlagen wie Spitäler, Staudämme oder Energieversorgungsnetze erstellen.

Schliesslich erwähnte er auch eine Idee, mit der er im Bundesrat bereits im Januar 2005 gescheitert war: Leuenberger möchte, dass der Bund landesweit die Kompetenz im Bereich der Erdbebensicherheit erhält.

Auch die Schweiz ist gefährdet

Laut dem Schweizerischen Erdbebendienst kam es in der Schweiz in den vergangenen 800 Jahren zu mehr als 10’000 Erdbeben. Rund ein halbes Dutzend davon überschritten die 6,0 Punkte der Richter-Skala – alle ereigneten sich im Wallis in den letzten 150 Jahren. Experten gehen davon aus, dass ein ähnlich starkes Beben auch künftig zu erwarten ist.

Die Schweiz, so warnte der Dienst vor zwei Jahren, befinde sich am Rande der eurasischen tektonischen Platte. Deshalb liege es im Bereich des Möglichen, von Erdbeben in der Grössenordnung bis zu 7,5 Richter-Punkten getroffen zu werden.

Gemäss Schätzungen würde dies in der betroffenen Region Schäden von rund 60 Mrd. Franken auslösen. “7,5 Punkte wäre ein starkes Erdbeben für die Schweiz – und es ist nicht auszuschliessen”, sagt Stefan Wiemer, Forscher beim Erdbebendienst in Zürich, gegenüber swissinfo.

“Beben in dieser Grössenordnung oder etwas schwächere zwischen 6,0 und 6,5 Punkten sind bereits vorgekommen und werden auch künftig eintreten. Da sind wir uns sicher. Wir wissen nur nicht wann.”

Bewusstsein für Gefahr ist gewachsen

“Wir hatten Glück, in der jüngsten Vergangenheit nicht allzu viele Beben in der Schweiz zu verzeichnen”, sagt Olivier Lateltin vom Bundesamt für Umwelt (BAFU).

Die Region sei jedoch erdbebengefährdet, betonte der Verantwortliche für das BAFU-Koordinations-Zentrum für Erdbeben-Schäden: “Und wir möchten die Erfahrungen unserer Partnerländer nutzen. Was geschieht genau im Fall eines Bebens, was passiert mit den Gebäuden?”

Laut den Eidgenössischen Behörden hat sich das Bewusstsein für eine Bebengefahr in den vergangenen Jahren verstärkt. Doch in gewissen Landesteilen fehle es immer noch.

Vor zwei Jahren wurde eine neue Erdbeben-Karte des Landes veröffentlicht. 1989 und 2004 wurden die Bau-Auflagen verschärft. Es war sogar die Rede von der Einführung einer obligatorischen Erdbeben-Versicherung für alle Gebäude.

Sicherheits-Inventar

Im Jahre 2000 begann der Bund mit der Aufstellung eines Sicherheits-Inventars für alle eidgenössischen Bauwerke, mit einem Sanierungsprogramm für jene, die den Standards nicht entsprechen. Laut Bundesamt für Umwelt (BAFU) haben rund ein Drittel der Kantone ähnliche Programme eingeleitet.

Doch für Lateltin wird damit die Bedrohung nicht viel kleiner. Die Anwendung der neuen Bauvorschriften durch Architekten und Ingenieure bleibe ein “grosses Thema”. “Denn mehr als 90% aller Gebäude standen bereits, als 1989 die neuen Baunormen eingeführt wurden.”

Er wolle damit nicht sagen, dass all diese Gebäude erdbeben-unsicher seien. “Doch gibt es genügend unsichere Momente im Fall eines Bebens der Stärke 6.0 und mehr Punkten.” Man wisse aus den Erfahrungen von Kollegen im Ausland, dass eines von fünf Gebäuden gefährdet sein könnte.

Das Bundesamt will nun vermehrt aufklären. Dafür hat es kürzlich einen mobilen Beben-Simulator gekauft, den es in der ganzen Schweiz einsetzen möchte.

swissinfo, Adam Beaumont
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)

Die seismische Gefahr für die Schweiz wird als moderat bis mittelmässig eingestuft. Als gefährdetste Gebiete gelten das Wallis, Basel, das Bündner und St. Galler Rheintal.

Die Schweiz im Zentrum Europas liegt am Rand der eurasischen tektonischen Platte.

Der Rand dieser Platte, und damit das Gebiet, wo sich die eurasische mit der benachbarten afrikanischen Platte trifft, verläuft entlang der Alpenlinie.

Basel andererseits liegt im Zentrum des so genannten “Rheingrabens”.

Diese Verwerfung der Erdkruste öffnete sich vor 30 Mio. Jahren, als der eurasische Kontinent auf einer Linie zwischen der Nordsee und der Schweiz zerbrach.

Die Experten befürchten ausserdem, dass ein Erdbeben Springfluten verursachen könnte, wenn Landmassen in natürliche oder Stauseen hineinrutschen.

Im Mai starben mehr als 6000 Leute in Java, Indonesien, während eines Erdbebens, das 6,3 Punkte auf der Richter-Skala erreichte.

Das Erdbeben vom letzten Oktober in Pakistan und Kashmir mit einer Stärke von 7,6 hatte mindestens 75’000 Tote zur Folge.

Das Beben im Indischen Ozean vom 26. Dezember 2004 erreichte 9,15 Punkte und löste Flutwellen aus. Rund 220’000 Menschen starben.

Das für die Schweiz schlimmste Erdbeben ereignete sich 1356 in Basel. Laut geschichtlichen Quellen fielen dabei im Epizentrum 30 bis 40 mittelalterliche Befestigungs-Anlagen zusammen.

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