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Forschungsplatz Schweiz: Attraktiv, aber….

Der Schweizerische Nationalfonds ist 50 Jahre alt. swissinfo.ch

Der Nationalfonds hat zu seinem 50-Jahr-Jubiläum Forscher aus aller Welt eingeladen. Es ging u.a. um Risiko-Forschung und Zusammenarbeit.

An den dreitägigen Workshops nahmen zahlreiche Leiter staatlicher Forschungs-Institutionen teil, darunter der Biochemiker Ernst-Ludwig Winnacker, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie Arnold Schmidt, Physiker und Präsident des österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung. In einem Interview beurteilen beide den Forschungsplatz Schweiz als attraktiv.

Wie sehen Sie den Forschungsplatz Schweiz?

Winnacker: Die Schweiz war und ist höchst angesehen. Die ETH in Zürich und andere Einrichtungen hier zählen zu den besten Universitäten Europas. Wir und die internationale Community schätzen die Schweiz sehr hoch ein.

Schmidt: Schweizer Wissenschafter sind höchst angesehen und von der österreichischen Warte aus gesehen gut finanziert. Sie sind zudem international sehr vernetzt.

Was macht den Schweizer Forschungsplatz attraktiv?

Winnacker: Ich habe 8 Jahre in der Schweiz gelebt und an der ETH promoviert. Die Schweiz ist ausgesprochen international ausgerichtet. 40% der Professoren sind Ausländer. Es ist ein Schmelztiegel für den Austausch von Wissenschaft. Diese Weltoffenheit ist in einem Land wie Deutschland geringer, weil es selber grösser ist und sich mit sich selbst beschäftigt.

Schweizer Forscherinnen und Forscher sehen ihre Wettbewerbsfähigkeit bedroht, wegen Geldmangel, Brain Drain und begrenzten Möglichkeiten. Ist diese Angst berechtigt?

Winnacker: Da ist schon was dran. In den letzten Jahren ist die Unterstützung für die Forschung insgesamt nicht gestiegen in der Schweiz. Die USA hingegen haben enorme finanzielle Anstrengungen zur Förderung der Forschung unternommen. Das wirkt sich natürlich bis nach Europa, bis in die Schweiz aus. Aus diesem Grund ist es für junge Forscherinnen und Forscher sehr attraktiv, sich auch dort umzuschauen.

Schmidt: Auch bei uns schauen die jungen Leute in erster Linie nach Nordamerika. Die USA und andere englischsprachige Länder sind am beliebtesten. Wie in anderen europäischen Ländern liegt das Problem bei den Universitäten: Sie sind im Vergleich zu jenen in den USA zu wenig flexibel. Dort haben die Jungen schon sehr früh einen grossen Freiraum.

Die Schweiz ist nicht Mitglied der EU. Wirkt sich das negativ auf die Schweizer Forschung aus?

Schmidt: Ich glaube nicht. Die Schweiz ist fast überall assoziiert. In den Gremien, die ich kenne, sind die Schweizer Kollegen voll mit dabei. Eine Diskriminierung jedenfalls besteht nicht. Trotzdem sollte die Schweiz der Union so rasch wie möglich beitreten.

Winnacker: Der Anteil der EU an den Gesamtausgaben für Forschung und Entwicklung in Europa beträgt nur 4%. Die Schweiz ist fast an allen Aktivitäten im internationalen Bereich voll angeschlossen. Das gilt für die grossen europäischen Laboratorien, für bi- und trilaterale Abkommen mit verschiedenen Staaten. Die Schweiz ist in Sachen Forschung nicht benachteiligt.

Tut die Schweiz in Sachen Frauenförderung in der Wissenschaft genug?

Winnacker: Die Schweiz hat immerhin eine Forschungspräsidentin, das ist selten genug. Der Schweizerische Nationalfonds war einer der ersten Institutionen, die auf dieses Problem aufmerksam gemacht haben. Er hat auch eine sehr interessante Studie verfasst, aus der wir alle gelernt haben. Das System selber ist noch längst nicht so weit wie der Nationalfonds in seinem Denken. Es braucht noch viel, damit die Anstrengungen des Fonds auch die Universitäten durchdringen.

Schmidt: Alle Länder haben das gleiche Problem: Während der Universitäts-Zeit sinkt der Frauenanteil systematisch ab, bis am Schluss bei den Professuren der Anteil lediglich noch 6% beträgt, auch in der Schweiz. Nötig ist ein Bündel von Massnahmen, Quoten finde ich unangemessen. Der Schweizerische Nationalfonds hat ein fortschrittliches Programm. Das Problem ist aber ein gesellschaftliches.

Unternimmt die Schweiz genug für die Nachwuchs-Förderung?

Winnacker: Der Nationalfonds hat sehr viel unternommen und verdient dafür Unterstützung von der Politik. Karriere-Förderung für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hat er längst in seinem Programm. Jetzt müssen auch die Universitäten handeln.

Der SNF beantragt für die nächsten vier Jahre zusätzlich 1,25 Mrd. Franken. Ist diese Forderung berechtigt? Steht er im Vergleich zu andern europäischen Forschungs-Instituten nicht komfortabel da?

Winnacker: Die Schweiz steht zwar insgesamt gut da, darf sich aber nicht ausruhen. Gerade wenn man auf einem hohen Niveau forscht, muss alles unternommen werden, um attraktiv zu bleiben. Der britische Premier Blair unternimmt enorme Anstrengungen für die Forschungsförderung – da darf man nicht wegschauen, auch die Schweiz nicht. Viel Nachholbedarf besteht in der Grundausstattung der Universitäten.

Wie steht die Schweiz da im Vergleich zu ihrem Land?

Schmid: Österreich war lange Zeit ein armes Land. Wir haben zwar aufgeholt, aber die Schweiz gibt für Wissenschaft und Forschung pro Kopf noch immer dreimal mehr aus als Österreich und auch mehr als Deutschland.

Winnacker: Wir führen ähnliche Diskussionen bezüglich Bildung wie die Schweiz. Die Probleme gleichen sich. Wir müssen das Publikum überzeugen, dass Arbeitsplätze und Erfolge in der Wirtschaft nur kommen, wenn für Nachschub gesorgt wird.

Interview: Gaby Ochsenbein

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