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Geldwäscherei-Affäre: Kritik an der Schweiz

Eine Affäre, die einmal mehr den Genfer Finanzplatz betrifft. Reuters

Die Aufdeckung einer französisch-schweizerischen Geldwäscherei- und Drogenbande bewegt nicht nur Frankreich. Die Ex-Präsidentschafts-Kandidatin Eva Joly klagt an: Drogenhandel und Steuerflucht seien die "zwei Gesichter" desselben Phänomens.

Zwei in Genf verhaftete Bankiers und Brüder, ein dritter Bruder, des Cannabishandels in grossem Umfang zwischen Marokko und Frankreich verdächtigt, eine Pariser Grünen-Politikerin, angeklagt, Geld in der Schweiz gewaschen zu haben: Alles Zutaten, welche diese Geldwäschereiaffäre in den Mittelpunkt der Medienaktualität katapultieren und das Image der Schweiz noch mehr trüben. Die Schweiz, die als “Steuerparadies” nach wie vor als zu empfänglich für schmutziges Geld gehalten wird.

Am 10. Oktober, nach sieben Monaten diskreter Ermittlungen, nimmt die französische Polizei 17 Personen fest. Darunter M., der verdächtigt wird, einen Cannabishandel in grossen Umfang zwischen Marokko und Frankreich zu organisieren. Unter den Festgenommenen befindet sich auch die grüne Politikerin Florence Lamblin, Vizebürgermeisterin des 13. Pariser Stadtbezirks, die der Geldwäscherei beschuldigt wird.

In Lamblins Haus sollen rund 400’000 Euro in bar gefunden worden sein. Was wird dieser grünen Abgeordneten, von der man bisher nur wenig gehört hat, und sieben ebenfalls festgenommenen “bekannten” Franzosen vorgeworfen? Im besten Fall, ihr schon lange auf Schweizer Bankkonten “schlafendes” Geld dem Fiskus vorenthalten zu haben. Im schlimmsten Fall, dieses Geld dank dem Drogenhandel gewaschen zu haben, und das in Kenntnis der Sache.

Am gleichen 10. Oktober werden die beiden Brüder von M. in Genf festgenommen und inhaftiert. Der eine ist Verwaltungsratsdelegierter des kleinen Vermögensverwaltungsinstituts GPF SA. Der andere ist Mitarbeiter der Genfer Filiale der Bank HSBC. Die beiden Schweizer Staatsbürger marokkanischer Herkunft sollen mitgeholfen haben, das von ihrem Bruder M. in Frankreich aus dem Drogenhandel erhaltene Geld zu waschen.

100 Millionen Euro gewaschen

Es ist eine Riesenaffäre. Vier Staatsanwälte, darunter Oberstaatsanwalt Yves Bertossa, führen die Ermittlungen. Die aus dem Drogenhandel erzielten Summen sind kolossal: 40 Millionen Euro laut der französischen Justiz, 100 Millionen Euro, wenn man das gewaschene Geld noch dazuzählt, wie der französische Innenminister Manuel Valls bekanntgab.

Ihren französischen Klienten, die ihr Geld diskret aus der Schweiz zurückholen wollen, schlugen die Gebrüder M. eine Expresslösung vor: Ein schnelles Treffen in einem Pariser Café, bei dem den Klienten Taschen mit kleinen Geldscheinen übergeben wurden, im Austausch einer Kommission von 8%.

Wissen die “ehrenwerten” Klienten, dass das Geld schmutzig ist? Der Anwalt von Florence Lamblin weist die Anschuldigung zurück. Seine Mandantin sei “Opfer eines Justizirrtums”. Sie habe 350’000 Euro auf einem Schweizer Konto gehabt, das Geld stamme aus einem Familienvermögen. Beim Transfer des Geldes von der Schweiz nach Frankreich sei möglicherweise versäumt worden, Vermögenssteuer zu entrichten, sagt Jérôme Boursican.

Politischer Wirbel in Frankreich. Und Schock im Genfer Bankenmilieu. Der dortige Finanzplatz, der seit einigen Jahren mit skeptischem Blick angeschaut wird, weist den Verdacht von zu grosser Nachgiebigkeit von sich. “Wir haben in den letzten Monaten mit den Behörden aktiv in diesem Fall zusammengearbeitet”, sagen die Verantwortlichen der Bank HSBC, die jedoch gleichzeitig die Involvierung ihres Mitarbeiters bestätigen. Laut der Westschweizer Zeitung Le Temps schickt sich das Genfer Vermögensverwaltungsinstitut an, seinen Verwaltungsratsdelegierten, der verdächtigt wird, im Mittelpunkt der Affäre zu stehen, abzusetzen.

Die Schweiz unter Anklage

Wie sollen da jene Kreise beruhigt werden, die in Frankreich und ganz Europa die Undurchsichtigkeit der Schweizer Bankenwelt kritisieren? Die frühere grüne französische Präsidentschaftskandidatin Eva Joly hat nach der Aufdeckung des französisch-schweizerischen Geldwäschereinetzes rasch reagiert. Zuerst forderte sie den Rücktritt ihrer Parteikollegin Florence Lamblin von deren Vize-Bürgermeisteramt.

Dann zog sie den Schluss, “dass Drogenhandel und Steuerflucht die zwei Gesichter desselben Phänomens sind”. Das Interesse dieser Affäre bestünde vor allem darin, der Öffentlichkeit die Verbindung zwischen Steuerflucht und Geldwäscherei aufzuzeigen, sagte die ehemalige Untersuchungsrichterin gegenüber der französischen Wochenzeitung Nouvel Observateur.

“Es ist selten, ein Dossier zu haben, derart perfekt illustriert, was ich seit 20 Jahren sage: Man findet dieselben Mittelsmänner in den Bereichen Geldwäscherei, Unterschlagung von Gesellschaftsvermögen, Korruption und Drogenhandel.” Das Problem sei, so Joly weiter, “dass die Schweiz einfache Steuerhinterziehung weder als Delikt noch als Verbrechen betrachtet und deshalb keine Hand bietet für eine internationale Zusammenarbeit.”

Die französische Regierung ihrerseits hat bisher noch nicht auf den Fall reagiert. Finanzminister Jérôme Cahuzac kündigte lediglich Massnahmen an, “welche die Arbeit der Behörden erleichtern sollen, die mit der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerflucht beauftragt sind”.

In einem Land wie Frankreich, wo sowohl linke wie rechte Regierungen schon längere Zeit versuchen, die Steuerflucht zu bekämpfen, könnte der Fall von Florence Lamblin jenen Kreisen, die das Schweizer Bankgeheimnis aufheben möchten, als Killerargument dienen. Mit einer simplen Botschaft: Steuerhinterziehung führt (manchmal) zum organisierten Verbrechen.

“Wir sind überrascht, dass so etwas heutzutage noch möglich ist. Eine solche Praxis ist seit 20 Jahren gesetzlich verboten”, sagte Bernard Droux, Präsident der Stiftung Genève Place Financière, am Mittwoch an einer Medienkonferenz zu den Resultaten und Perspektiven des Genfer Finanzplatzes.

“Man kann nicht ausschliessen, dass es in einem Beruf schwarze Schafe gibt. Kein internationaler Finanzplatz ist gefeit vor einer solchen Affäre”, so Bernard Droux, der auch geschäftsführender Gesellschafter der Privatbank Lombard Odier Darier Hentsch.

Droux betonte, die Schweiz befinde sich “an vorderster Front im Kampf gegen das Waschen von Drogengeldern”. Die französisch-schweizerische Zusammenarbeit habe gut funktioniert.

Die Stiftung Genève Place Financière umfasst alle Banken und unabhängigen Vermögenverwalter, die in Genf tätig sind.

(Quelle: AFP)

(Übertragung aus dem Französischen: Jean-Michel Berthoud)

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