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“Ich fühle mich von Schweizer Banken schikaniert”

Handy für Überweisungen
Für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer sind Bank-Abwicklungen alles andere als einfach. Keystone

Entweder werden die Konten aufgelöst, oder die Bank erhebt plötzlich eine zusätzliche Gebühr von fast 500 Franken im Jahr. Für Auslandschweizer wird es immer schwieriger, in der Heimat ein Bankkonto zu behalten.

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Claude Ruchti* ist masslos enttäuscht. Der 55-jährige Schweizer und Ex-Banker wohnt im Südburgund. Er besitzt mehrere Liegenschaften in der Schweiz, die er vermietet. Seit vielen Jahren hatte er mehrere Konten bei der BSU Clientis Bank Uster.

Als er vor einiger Zeit am Schalter etwas Taschengeld abheben wollte, passierte es: “Man eröffnete mir, dass die Bank alle Konten, ausser die Mietkautionen, aufhebe. Grund: Wohnsitz im Ausland.” Ruchti protestierte, legte sogar seine Steuerunterlagen auf den Tisch. “Ich habe alles sauber deklariert.” Nichts half. Eine Stunde später verliess Claude Ruchti die Filiale mit über 50 000 Franken in Bar. “Ich kann nicht verstehen, dass man als Schweizer, der Grund und Boden in der Schweiz besitzt, wie ein Hund auf die Strasse gejagt wird.”

“Auslandschweizer werden von unseren Banken vielfach miserabel behandelt”, sagt Roland Rino Büchel, Nationalrat der Schweizerischen Volkspartei (SVP). Es gebe hunderte von Beispielen: “Viele sind direkt rausgeworfen worden. Andere werden durch die unglaublich hohen Gebühren schlussendlich dazu gezwungen, die Konten aufzulösen.”

“Als ehemaliger Mitarbeiter zutiefst enttäuscht”

Zu denen gehört zum Beispiel Jan Hunziker*. Er ist vor drei Jahren nach Brasilien ausgewandert. Sein Konto bei der Zürcher Kantonalbank wollte er behalten. “Dann verlangte die ZKB für das Konto von mir und meiner Frau plötzlich eine zusätzliche Gebühr von 960 Franken im Jahr.” Hunziker musste die Konten aufheben. “Als ehemaliger Bankangestellter eben dieser Zürcher Kantonalbank bin ich zutiefst enttäuscht.”

Auch für Christine Amstutz werden die Gebühren zunehmend zum Problem. Sie lebt seit über 30 Jahren in Kanada, das Bankkonto hat sie bei der Berner Kantonalbank. Von den “paar hundert Franken AHV” muss sie neuerdings jeden Monat eine Extra-Gebühr von 20 Franken bezahlen. “Ich finde es unfair, dass diese Gebühr für alle gleich gross ist, egal ob jemand X tausend oder nur ein paar hundert Franken im Monat erhält.” Einen prozentualen Anteil würde sie eher akzeptieren können.

Und Anita Wagner, ebenfalls in Kanada wohnhaft, erzählt, ihr Konto bei der Nidwaldner Kantonalbank sei nach 40 Jahren Geschäftsbeziehung ohne Alternative gekündigt worden. “Jetzt ist es für uns noch teurer, in die Schweiz zu reisen, weil uns auch der starke Franken betrifft.” Als sie die Wohnung ihrer verstorbenen Mutter kaufen wollte, erhielt sie von keiner Bank eine Hypothek. Ihre Bekannten in Kanada, ursprünglich aus Deutschland, England oder Schweden, hätten alle ein Konto in ihrer Heimat. “Ich fühle mich von den Schweizer Banken schikaniert und vom Staat im Stich gelassen.”

Hohe Gebühren für jede Kleinigkeit

Aber nicht nur die Auswanderer in fernen Ländern kämpfen mit Einschränkungen und Gebühren. Auch Marianne Senften, die seit über zehn Jahren in Deutschland lebt, bezahlt der SLM in Münsingen jährlich eine zusätzliche Gebühr von 240 Franken. “Ich finde es unverschämt, da man ja auch schon für jede Kleinigkeit, hohe Gebühren bezahlen muss, etwa für das Umbuchen von Geld.”

SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel, der sich seit Jahren für die Rechte von Auslandschweizern einsetzt, kann den Unmut verstehen. Er sagt aber auch: “In den letzten Jahren ist quasi ein Regulierungswahn ausgebrochen.” Bei den Banken gebe das durchaus einen Mehraufwand, weil sie bei Kunden im Ausland diverse Abklärungen tätigen müssten. “Logisch, dass dieser Mehraufwand verrechnet wird. Aber fast 500 Franken im Jahr, das ist fast schon pervers”, so Büchel.

swissinfo.ch hat bei den acht grössten Schweizer Banken und bei PostFinance die Bedingungen für Auslandschweizer erfragt. In der Tabelle können die verschiedenen Leistungen und Gebühren verglichen werden. Alle angefragten Institute gaben an, dass Auslandschweizer “grundsätzlich”» ein Konto bei ihnen eröffnen könnten. Schweizer, die in den USA oder in einem so genannten Embargoland leben, werden in der Regel ausgeschlossen. Die Kunden müssen bestätigen, dass die Gelder auf dem Konto versteuert sind. Die Zürcher Kantonalbank macht ausserdem einen Mindestbetrag von 100’000 Franken zur Bedingung für eine Kontoeröffnung.

Auf die Frage, wie die Gebühren begründet werden, heisst es überall: Massiver Mehraufwand. Die Bank Cler (ehemals Bank Coop) fasst es so zusammen: “Die Erfüllung von gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen verursachen einen erheblichen Mehraufwand. Um diesen Mehraufwand (insbesondere Betreuung und Überwachung) abzugelten, wurde die Gebühr für Kunden mit Domizil Ausland eingeführt.”

“Welchen Bezug haben Sie zu Indonesien?”

Dass die Finanzinstitute bei ihren aufwändigen Abklärungen vor nichts zurückschrecken, zeigt das Beispiel von Irene Naumann (67), sie pendelt seit ein paar Jahren zwischen Indonesien und der Schweiz. Wenn sie in Bali ist, hebt sie Geld von ihrem Postkonto ab. Für ihren nächsten Bali-Aufenthalt hat sie eine Ferienwohnung gebucht. Die Anzahlung von 7700 Franken wurde vom Postkonto nach Bali überwiesen.

“Am 21. Juni 2017 überwiesen Sie 7000 Euro an Gerhard R.* mit dem Vermerk ‘Mietanzahlung für Appartement’. Wer ist Gerhard R., wie haben Sie ihn kennengelernt und in welcher Beziehung stehen Sie mit ihm?” 

Kürzlich erhielt Naumann einen Brief von den “Compliance Services” der PostFinance. Darin standen Fragen wie: “Im April, Mai und Juni 2017 bezogen Sie in Indonesien vermehrt Bargeld. Welchen Bezug haben Sie zu Indonesien?” Die PostFinance wollte ausserdem wissen, wofür sie das Geld benützt habe. Weiter wurde Irene Naumann zur Überweisung für die Ferienwohnung befragt: “Am 21. Juni 2017 überwiesen Sie 7000 Euro an Gerhard R.* mit dem Vermerk ‘Mietanzahlung für Appartement’. Wer ist Gerhard R., wie haben Sie ihn kennengelernt und in welcher Beziehung stehen Sie mit ihm?” Im Brief stand, wenn sie das Postkonto behalten wolle, müsse sie die Fragen beantworten. Was Irene Naumann dann auch gemacht hat. “Was bleibt, ist ein sehr bitterer Nachgeschmack, viel Angst und verlorenes Vertrauen”, sagt Naumann, die mittlerweile ganz nach Indonesien ausgewandert ist.

Je höher das Risiko, …

Johannes Möri, Mediensprecher der PostFinance, sagt, dass man dazu verpflichtet sei, die Art und den Zweck einer Geschäftsbeziehung zu identifizieren. “Der Umfang der einzuholenden Informationen für das Eingehen oder die Weiterführung einer Geschäftsbeziehung richtet sich nach dem Risiko, dass die Vertragspartei darstellt.” Und Indonesien stelle aufgrund verschiedener Ausprägungen, wie zum Beispiel Korruptionsindex oder Rechtssicherheit, grössere Risiken dar als zum Beispiel Deutschland. “Geschäftsbeziehungen mit Kunden aus Indonesien haben aus diesem Grund auch höhere Risiken und müssen vertiefter analysiert werden.”

Trotz allem ist SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel zuversichtlich: “In der Politik findet ein Umdenken statt.” 2012 reichte Büchel seine erste Motion in dieser Sache ein. PostFinance sollte dazu verpflichtet werden, Auslandschweizer als Kunden aufzunehmen. Die Motion hatte damals im Ständerat keine Chance. Jetzt, fünf Jahre später, wurde eine praktisch identische Motion in der aussenpolitischen Kommission des Nationalrats ohne Gegenstimme angenommen. Und auch im Ständerat wurde eine Motion eingereicht, die verlangt, dass “alle Auslandschweizer bei einer systemrelevanten Schweizer Bank ein Konto eröffnen und zu annehmbaren Bedingungen unterhalten können”. 35 Ständeräte aus allen Parteien haben die Motion mitunterzeichnet. “Ich weiss nicht, was da noch passieren müsste, dass diese Motion nicht durchgeht, bei so einem Rückhalt”, meint Büchel.

* Name der Redaktion bekannt


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