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Für ökologische, aber nicht teurere Landwirtschaft

Bevölkerung unterstützt die Landwirtschaft, verlangt aber ökologische Produktion. Keystone

Die Schweizer Bevölkerung erwartet von der Landwirtschaft, dass sie tier- und umweltgerecht produziert, die Erholungsräume pflegt und die Selbstversorgung der Schweiz gewährleistet.

Gemäss einer Studie will die Bevölkerung zwar, dass die Bauern angemessen verdienen, aber nicht mehr Bundesgelder für die Landwirtschaft ausgeben.

Die Schweizer Bevölkerung hat vielfältige Ansprüche an die Landwirtschaft. Das zeigt eine im Auftrag des Bundes erstellte Studie. Auf mehr Geld hoffen dürfen die Bauern aber nicht.

Mit der Studie wollte das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) abklären, ob der Verfassungsauftrag von 1996 noch aktuell ist, aufgrund dessen der Bund Jahr für Jahr rund 3,5 Mrd. Franken an die Landwirtschaft verteilt.

Rund 1000 Personen wurden gefragt, welche Leistungen sie von der Landwirtschaft erwarteten.

Die Resultate zeigten, dass die Verfassung “topaktuell” sei, sagte BLW-Direktor Manfred Bötsch am Freitag vor den Medien in Bern.

Frauen und Romands eher als “Bewahrer”

Zwar gebe es keine einheitliche Erwartung: Eine Bevölkerungsgruppe wolle die heutigen Strukturen bewahren, eine zweite setze auf Ökologie und eine dritte verlange eine effiziente Landwirtschaft.

Je nach Herkunft, Bildung, Geschlecht und persönlicher Nähe zur Landwirtschaft werden die Schwerpunkte aber anders gesetzt.

So sind die Frauen und Romands beispielsweise tendenziell strukturbewahrender eingestellt als die Männer, die sich in erster Linie an Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit orientieren.

Die Aufgeschlossenheit gegenüber Reformen scheint zudem grösser, je höher das Bildungsniveau ist.

Forderungen wie in der Verfassung

Doch als gemeinsamen Nenner der drei Gruppen mache die Studie fast genau jene Forderungen aus, die in der Verfassung festgeschrieben sind.

Die Landwirtschaft muss den Bauern ein angemessenes Einkommen sichern, hohe Umweltstandards einhalten, Erholungsräume pflegen und die Selbstversorgung der Bevölkerung sichern, namentlich über das Subventionierungs-System der Direktzahlungen.

Ganz weit oben auf der Wunschliste der Bevölkerung rangieren auch die Einhaltung strenger Tierschutzbestimmungen oder der Erhalt von traditionellen Sorten und Arten.

Überhaupt würden ökologische Themen sehr stark gewichtet, sagte Studienleiter Andreas Brandenberg von der St. Galler Firma 4hm, die zusammen mit der Uni St. Gallen die Studie im letzten Herbst durchführte.

Bäuerliche Tradition weniger wichtig

Weniger wichtig sind den Schweizerinnen und Schweizern hingegen die Bewahrung der bäuerlichen Tradition oder der Einsatz neuester Technologien, um die Erträge zu steigern. Auch die Produktion billigerer Lebensmittel hat für die meisten Befragten keine Priorität.

Die Studie zeigt aber auch, dass die Landwirte kaum darauf hoffen dürfen, mehr Geld vom Bund zu erhalten. Zwar finden rund 42% der Befragten, dass die Agrarwirtschaft heute in etwa im richtigen Ausmass unterstützt wird. Für 35% erhalten die Bauern aber zu viel Geld, nur für 19% zu wenig.

Immer mehr wollen Bundesgelder kürzen

Zudem wachse die Gruppe jener, die die Bundesgelder kürzen wollten, sagte Bötsch. Das gelte es für die Zukunft zu beachten: “Wir müssen belegen können, dass die Bundesmittel effizient eingesetzt werden”, sagt Brandenberg. Sonst gebe es dafür keine Mehrheit in der Bevölkerung.

Das Bundesamt will nun bis im Sommer mit weiteren Studien feststellen, wie viel Selbstversorgung oder wie viel Landschaftspflege die Landwirtschaft leisten soll. Danach gehe es darum, das heutige Zahlungssystem – vor allem die Direktzahlungen – so weiterzuentwickeln, dass die Ziele einfach und transparent erreicht werden könnten.

Eine Möglichkeit ist laut Bötsch beispielsweise, Gelder für ökologische und wirtschaftliche Aufgaben klar voneinander zu trennen.

Die Studie zeigt nämlich auch, dass eine Mehrheit der Bevölkerung bereit wäre, für eine konsequent ökologisch ausgerichtete Landwirtschaft mehr zu bezahlen.

swissinfo und Agenturen

Der Landwirtschafts-Sektor schrumpft in der Schweiz seit Jahren stetig.

Die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe sank von über 160’000 im Jahr 1965 auf noch rund 63’000 im Jahr 2005.

Auch die Anzahl der Beschäftigten sank stetig, von insgesamt rund 460’000 (je zur Hälfte Voll- und Nebenerwerb) 1965 auf noch 188’000 im Jahr 2005.

Das landwirtschaftliche Einkommen betrug 2005 pro Betrieb 54’000 Franken. 1990 waren es noch knapp 63’000 Franken.

Das Budget des Bundes für die Schweizer Landwirtschaft beträgt gemäss der Landwirtschaftspolitik 2011 13,65 Mrd. Franken für die kommenden vier Jahre:

Das sind 3,8 Mrd. pro Jahr ab 2008.

Rund 42% der von der St. Galler Studie Befragten finden, dieses Budget in Ordnung, 35% finden, es sei zu viel, und 19%, es sei zu wenig.

Eine verstärkte Orientierung in Richtung Ökologie könnte einen positiven Einfluss auf die Freigiebigkeit der Bevölkerung haben.

Rund 53% könnten in diesem Fall bereit sein, etwas mehr zu bezahlen.

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