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Fusion zwischen Novartis und Aventis geplatzt

Der Schweizer Pharmakonzern Novartis von Sanofi kalt gestellt. Keystone

Der deutsch-französische Pharmakonzern Aventis hat ein Übernahmeangebot des französischen Konkurrenten Sanofi-Synthélabo angenommen. Der Schweizer Konkurrent Novartis hat das Nachsehen.

In den Übernahmekampf hatte sich auch die französische Regierung eingeschaltet.

Der Verwaltungsrat von Aventis akzeptierte einen Preis von 69 Euro pro Aktie, im Vergleich zu 60,4 Euro des ersten Angebots im Januar. Das teilte das französische Finanzministerium am Sonntag in Paris mit.

Sanofi wird mit der Übernahme zum grössten Pharmakonzern in Europa und zur Nummer 3 in der Welt, hinter dem US-Giganten Pfizer und dem Briten GlaxoSmithKline.

Novartis steigt definitiv aus

Der Aventis-Verwaltungsrat war am Sonntagnachmittag zusammengekommen, um die Angebote von Sanofi-Synthélabo sowie des Basler Konzerns Novartis zu prüfen. Aventis hatte Novartis Anfang April als “Weissen Ritter” ins Spiel gebracht und zu Gesprächen über eine Fusion eingeladen.

Für Novartis sind die Verhandlungen beendet, wie das Unternehmen am Abend mitteilte. Es würde kein Gegenangebot unterbreitet. Nach Informationen der US-Zeitung “Wall Street Journal” hatte sich das Novartis-Angebot auf 55 Milliarden Euro belaufen.

Nach Angaben aus Verhandlungskreisen legte Sanofi-Synthélabo daraufhin nach. Sanofi hatte Ende Januar knapp 48 Milliarden Euro für Aventis geboten, was der in Strassburg ansässige Konzern jedoch als feindlichen Übernahmeversuch zurückgewiesen hatte.

Paris schaltete sich ein

In den Übernahmekampf hatte sich auch die französische Regierung eingeschaltet. Sie begrüsste die Einigung. Der französische Premierminister Jean-Pierre Raffarin erklärte, die Fusion korrespondiere mit den “strategischen Interessen” des Landes, weil sie Arbeitsplätze der Pharmaindustrie in Frankreich sichere. Bern und Berlin mahnten Paris zur Zurückhaltung.

Der neue französische Wirtschafts- und Finanzminister Nicolas Sarkozy arrangierte nach Angaben seines Ministeriums am vergangenen Freitag ein Treffen zwischen Aventis-Chef Igor Landau und dem Chef des Pariser Konkurrenten Sanofi-Synthélabo, Jean-François Dehecq.

Dadurch sollte offenbar ein Zusammengehen von Aventis mit Novartis abgeblockt werden. Novartis hatte am Vortag nach langem Zögern bekannt gegeben, mit Aventis über eine Fusion verhandeln zu wollen.

Novartis sauer

Novartis-Konzernchef Daniel Vasella zog nach den gescheiterten Fusionsverhandlungen mit Aventis gegen die französische Regierung vom Leder. Deren Einmischung habe die Lage auf den Kopf gestellt. Novartis habe deshalb gar kein Angebot vorgelegt.

Als die Diskussionen zwischen den beiden Konzernen freundschaftlich geworden seien, “wurde uns klar, dass wir in dieser Sache nichts mehr erreichen können”, sagte Vasella in einem Interview mit der französischen Zeitung “Le Monde”.

“Wir haben entschieden, ausserhalb eines freundschaftlichen Rahmens nicht voranzugehen und weder an einer Versteigerung teilzunehmen noch einen Fantasiepreis zu zahlen”, sagte Vasella. Novartis habe deshalb kein Angebot für Aventis vorgelegt.

Bisheriger Sanofi-Chef an der Spitze

Der bisherige Sanofi-Chef Jean-François Dehecq soll das neue Unternehmen führen, wie am Sonntag aus Verhandlungskreisen in Paris bekannt wurde. Der 64-jährige Dehecq blickt auf eine erfolgreiche Karriere in der Pharmabranche zurück.

Er steht seit 1988 an der Spitze von Sanofi und verfolgt seither einen konsequenten Expansionskurs. 1998 gelang die Übernahme von Synthélabo, einer Tochter des Kosmetikkonzerns L’Oréal.

Die Strassburger Aventis entstand 1999 aus der Fusion der Frankfurter Hoechst AG mit Rhône-Poulenc. Aventis beschäftigt rund 69’000 Mitarbeiter.

EU-Kommission mischt sich ein

Die EU-Kommission in Brüssel hat am Montag Nachmittag das Übernahmeangebot von Sanofi-Synthélabo für den deutsch-französischen Konkurrenten Aventis mit Auflagen gebilligt.

Damit Europas künftiger Branchenführer nicht zu mächtig wird, forderte die
Kommission Sanofi auf, bestimmte Medikamente abzugeben oder per Lizenz für Konkurrenten zugänglich zu machen.

swissinfo und Agenturen

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